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Miesmuscheln als Ideengeber: Sie produzieren den Haftstoff.

© TUB/Rosenberg

Behandlung von Knochenbrüchen: Superklebstoff – von der Miesmuschel abgeschaut

TU-Forscher entwickeln ein Haftprotein auch für feuchte Umgebungen. Künftig könnte es Knochen und Wunden kleben.

Die Skisaison ist eröffnet. Auf den Pisten drängeln sich Wintersportbegeisterte. In den umliegenden Kliniken wird wieder geschraubt und verdrahtet. Allein in Österreichs Krankenhäusern werden im Winter täglich rund 350 Skifahrer und Snowboarder behandelt. Fast die Hälfte der Verunfallten erleiden Knochenbrüche, die nicht selten aufwändig mit Schrauben, Platten und Nägeln gerichtet werden müssen.

„Diese Behandlungsform könnte teilweise überflüssig gemacht werden“, sagt Nediljko Budisa von der Technischen Universität Berlin. Gemeinsam mit Mitarbeitern seines Arbeitskreises Biokatalyse aus dem Exzellenzcluster UniCat hat er ein Verfahren zur Herstellung eines biogenen Klebstoffs entwickelt, mit dem künftig Haut, Gewebe und sogar Knochen geklebt werden sollen. „Wenn wir diesen Kleber in den menschlichen Körper einbringen wollen, muss er auch in feuchten Umgebungen funktionieren und biologisch abbaubar sein.“ Ihre Idee haben sie in der Natur abgeschaut – von Meeresbewohnern.

Miesmuscheln produzieren einen solchen Superkleber, der sowohl über als auch unter Wasser wirkt. Allerdings haftet der Muschelklebstoff sofort und ist schwer zu handhaben. „Um den Muschelkleber im Labor herstellen zu können, haben wir Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli umprogrammiert“, erklärt Budisas Mitarbeiter Matthias Hauf. Die Forscher arbeiteten lange an einer Lösung, da dem Darmbakterium der zentrale Baustein des Nassklebstoffs fehlt. Hauf und seine Kollegen fügen deshalb den Darmbakterien ein bestimmtes Enzym hinzu. Dieses ermöglicht Escherichia coli, den Baustein, den die Forscher zusätzlich mit einer lichtaktivierbaren Eigenschaft versehen haben, in den Muschelklebstoff einzubauen.

Die Forscher wollen das Patent zur Marktreife bringen

„Wir fütterten unsere veränderten Darmbakterien mit diesem Baustein, der Aminosäure ‚ONB-Dopa’ mit der Folge, dass unser Kleber nun zielgerichtet ,angeschaltet’ werden kann“, so Hauf. Seine Klebeeigenschaft wird erst aktiviert, wenn er mit UV-Licht der Wellenlänge 365 Nanometer bestrahlt wird. Die Aminosäure versieht den Klebestoff mit einer Art Schutzschicht - ähnlich dem Prinzip der Schutzfolien von Aufklebern. „Diese Eigenschaft macht den Kleber überhaupt erst für die Praxis tauglich“, sagt der Wissenschaftler.

Die Forscher wollen, zusammen mit dem Fachgebiet Bioverfahrenstechnik der TU Berlin und kleineren Unternehmen aus dem Berliner Forschungsnetzwerk „Network for Pharma Solutions – NetPhaSol“ die zum Patent angemeldete Idee in den kommenden zwei Jahren weiterentwickeln und zur Marktreife bringen. Zur Ausgründung und zur Verwirklichung der Geschäftsidee sollen die Labore des „Inkulab“, dem Ausgründungslabor des Exzellenzclusters UniCat an der TU Berlin, genutzt werden. Bis der Klebstoff aber bei Skifahrern, Snowboardern und anderen Patienten zum Einsatz kommen kann, wird es noch dauern. „Bis zur finalen Markteinführung muss unser Klebstoff viele Tests und klinische Studien durchlaufen“, fasst Budisa die Aussichten zusammen.

Susanne Cholodnicki

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