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Die Choreografin Sasha Waltz.

© Ériver Hijano

Tagesspiegel BERLINER: "Freiheit kommt immer aus dem Inneren"

Die vierte Ausgabe des "Tagesspiegel BERLINER" liegt am 18. November der Zeitung bei. Worum geht es darin? Oft hilft der Blick von außen. Ein Gast-Editorial.

Es geht um die Freiheit. Freiheit, denke ich, kommt immer aus dem Inneren. Wie frei bin ich selbst? Wie viel Freiheit gebe ich anderen? Kann ich mich frei machen von Erwartungen, die ich selbst habe? Von denen, die andere mir auferlegen? Habe ich den Mut, mich wirklich auf Neues einzulassen?

Freiräume entstehen manchmal auch ganz unvorhergesehen, auf unerwartete und verrückte Art und Weise. Weil etwas schiefgeht. Nicht richtig läuft. Und das ist dann die Chance. Manchmal sind es gerade die Grenzen, die Beschränkungen, die am Ende zur Entfaltung neuer Räume führen. Wie schwer es ist, sich frei zu machen von der Angst zu versagen, davon erzählt Meret Becker - und welche Potentiale frei gesetzt werden, wenn man es schafft.

Gedankliche Freiheit, künstlerische Freiheit ist die eine Seite. Es geht in diesem Heft auch ganz konkret um Freiheitsentzug. Anke Stein, Leiterin der Justizvollzugsanstalt Moabit, bringt mir durch ihre Beschreibungen den Alltag im Gefängnis näher. Und erinnert mich daran: "Die Menschen, die wir jetzt in Haft haben, die sind eines Tages wieder unsere Nachbarn." Und: "Gefängnisse sind Orte in der Gesellschaft." Überall auf der Welt, auch in Berlin, jetzt und damals.

Zuhören muss ein aktiver Akt sein

Ich habe im Mai in der Vorbereitung zu meinem neuen Stück mit meinem Team zum ersten Mal die Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen besucht. Wir wurden von einem Zeitzeugen, Michael Naue, geführt, es war eine sehr intensive Begegnung. Ihm zuzuhören war unglaublich berührend und hat meine Arbeit wesentlich beeinflusst.

Und es hat mir einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, sich auf eine Geschichte einzulassen, aktiv zuzuhören. Zuhören wird häufig als passiver Akt verstanden - das sollte es aber nicht sein. Erst wenn wir anderen Menschen, ihren Geschichten und Beweggründen zugehört und sie verstanden haben, können wir uns in sie hineinversetzen. So schaffen wir Zugehörigkeit, eine Gemeinschaft. Damit gewinnen wir viel. Ich musste beim Lesen dieses Hefts an ein Zitat von Carolin Emcke denken: "Erst durch das Zuhören tritt das Eigene für einen Augenblick zurück und öffnet sich für ein neues Thema, einen neuen Gedanken, eine neue Welt."

Sasha Waltz ist Choreografin und Unternehmerin. Vom 24. bis 26. November lädt sie mit ihrer Tanzcompagnie zum "Zuhören - Dritter Raum für Kunst und Politik" ins Radialsystem V ein.

Sasha Waltz

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