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Cem Özdemir, Grüner und Erdogan-Kritiker, wird am Staatsbankett mit dem türkischen Staatschef teilnehmen.

© Jutrczenka/dpa

Exklusiv

Staatsbankett für türkischen Präsidenten in Berlin: Cem Özdemir trifft Erdogan: "In einer Demokratie muss er mich aushalten"

Beim Besuch des türkischen Präsidenten wollen Oppositionspolitiker nicht am Staatsbankett teilnehmen. Der Grüne Cem Özdemir dagegen will dringend dabei sein.

Der Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan löst in der Bundespolitik zum Wochenbeginn wieder heftige Debatten aus. Führende Oppositionspolitiker – darunter FDP- Chef Christian Lindner – sagten aus Protest gegen Erdogans Politik ihre Teilnahme am geplanten Staatsbankett ab. Grünen-Spitzenpolitiker Cem Özdemir erklärte hingegen, er werde an dem Bankett teilnehmen: „Für mich steht außer Frage, dass Erdogan kein normaler Präsident ist und ein solches Staatsbankett sicher nicht verdient. Daher kann ich sehr gut verstehen, wenn sich einige gegen eine Teilnahme entscheiden – für mich selbst stellt sich diese Wahl so nicht.“

Sowohl in der Türkei als auch in der deutsch-türkischen Community hierzulande wüssten viele, sagte Özdemir dem Tagesspiegel, dass er wegen seiner politischen Haltung persönlich zu einer Zielscheibe Erdogans geworden sei. „Mit meiner Teilnahme erhoffe ich, ein Signal sowohl in die Türkei als auch in die deutsch-türkische Community zu senden, das unmissverständlich klarmacht: Die Opposition in Deutschland gehört zur Politik dieses Landes dazu, wir sind ein fester und notwendiger Bestandteil unserer Demokratie“, sagte Özdemir. „Auch ein noch so mächtiger Präsident kann unseren Regeln hier nicht entgehen. Er muss mich, der für die Kritik an seiner autoritären Politik steht, sehen und aushalten.“

Özdemir auf Münchner Sicherheitskonferenz unter Polizeischutz

Noch immer säßen Freunde Özdemirs in der Türkei in Haft, einige fürchteten um ihr Leben. Özdemir warnte vor einer Charmeoffensive des türkischen Präsidenten, die „knallhartes wirtschaftliches Kalkül“ sei, und forderte die Bundesregierung zu Strenge auf: „Die Kanzlerin muss Erdogan deutlich machen, dass der deutsche Rechtsstaat sein despotisches Verhalten nicht toleriert und nicht akzeptieren wird, dass Erdogan Konflikte nach Deutschland holt und hierzulande ein Spitzel- und Denunziantensystem aufbaut.“
Özdemir selbst war in Berlin von Anhängern des türkischen Staatschefs bedroht worden.

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar dieses Jahres musste der Grünen-Politiker unter Polizeischutz gestellt werden: Özdemir war in München im selben Hotel untergebracht wie die Delegation des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim. Aus der Delegation heraus wurde Özdemir als „Terrorist“ beschimpft. Der Grünen-Politiker hatte die türkische Führung immer wieder wegen ihres Umganges mit der Pressefreiheit, den Menschenrechten und der Opposition kritisiert.

Erdogans islamische AKP unterstellt Özdemir eine Nähe zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Die PKK kämpft seit den Achtzigern um kurdische Autonomie im Nahen Osten, noch vor wenigen Jahren ließ Erdogan mit dem seit 1999 inhaftierten Gründer der PKK, Abdullah Öcalan, verhandeln.

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan vor einigen Tagen nach einem Treffen mit Wladimir Putin zum Syrienkrieg.
Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan vor einigen Tagen nach einem Treffen mit Wladimir Putin zum Syrienkrieg.

© Reuters

Habeck, Baerbock und Göring-Eckardt sagten Teilnahme an Staatsbankett ab

Vor seinem Staatsbesuch forderte Erdogan von den deutschen Behörden ein härteres Durchgreifen sowohl gegen die PKK als auch gegen die einst mit seiner AKP verbündeten Bewegung des Predigers Fethullah Gülen. Er macht Gülen für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich. Außerdem teilte Erdogan mit, Deutschland solle „eine konstruktive Rolle“ bei den Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und EU spielen. Er jedenfalls wolle die bilateralen Spannungen endgültig beilegen. Derweil greift die türkische Armee regelmäßig auch in den Nachbarländern Syrien und Irak kurdische Stellung an. Am Wochenende hatte es bundesweit Proteste gegen den bevorstehenden Staatsbesuch des türkischen Präsidenten gegeben.

Erdogan wird auf Einladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier von Donnerstag bis Samstag in Deutschland zu Gast sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt Erdogan am Freitag zu einem gemeinsamen Mittagessen im Kanzleramt. Am Samstag treffen sich beide zu einem Arbeitsfrühstück. In Köln wird der türkische Staatschef an der Einweihung einer Moschee des von Ankara kontrollierten Ditib-Verbandes teilnehmen. Dort hatte es 2016 eine Großdemo gegeben.

In den vergangenen Tagen hatten bereits die Grünen-Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie die Grünen-Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter ihre Teilnahme am Staatsbankett abgesagt. Einen Dialog mit dem türkischen Präsidenten zu führen, sei aber vor allem wegen der „extrem problematischen Themen wie das Vorgehen in Syrien oder die Inhaftierung von Oppositionellen“ nötig. Ebenfalls nicht beim Bankett dabei sein werden der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Bijan Djir-Sarai, sowie die Vize-Fraktionschefin der Linken, Sevim Dagdelen. Zudem haben die AfD-Politiker Alexander Gauland, Alice Weidel, Jörg Meuthen und Bernd Baumann abgesagt.

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