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Hereinspaziert: Das Schiedsrichtergespann um Deniz Aytekin (Mitte) betritt beim ersten Geisterderby zwischen Gladbach und Köln die Bühne.

© Herbert Bucco/Imago

Zwischen Soforthilfe und Lagerkoller: Wie sich die Krise auf die Fußball-Schiedsrichter auswirkt

Keine Honorare, keine Spesen: Der unterbrochene Spielbetrieb trifft auch die Geldbeutel der Schiedsrichter. Bis zu 25.000 Euro fehlen ihnen seit März.

Zwei Dinge sind immens wichtig für Schiedsrichter, die es weit bringen wollen: Sie müssen unparteiisch sein – und nicht abhängig vom Fußball. Für Ersteres ist jeder allein verantwortlich. Damit Letzteres nicht eintritt, zahlt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seinen Elite-Schiedsrichtern der drei Profiligen seit 2012 eine sogenannte „Grundsicherung“.

Dieses jährliche Grundgehalt soll die Schiedsrichter auffangen, falls sie mal aufgrund einer Verletzung nicht pfeifen können, und kommt ihnen auch in der Coronavirus-Krise entgegen. Es ist viel Geld – und reicht trotzdem nicht allen.

Elite-Schiedsrichter soll Soforthilfe beantragt haben

Denn wie aus Schiedsrichter-Kreisen zu hören ist, soll es einen Elite-Schiedsrichter geben, der Soforthilfe als Solo-Selbstständiger beantragt hat. Für ihn muss der Ausfall der Spielhonorare, die sich im Profibereich zwischen 5000 Euro pro Bundesliga-Spiel und 1000 Euro pro Drittliga-Spiel bewegen und noch zum Grundgehalt hinzukommen, zu viel gewesen sein.

Die ausgefallenen Spielhonorare können sich in der Pause seit März bisher auf bis zu 25.000 Euro belaufen für Schiedsrichter, die zweimal im Monat Bundesliga-Spiele pfeifen und dazu noch ein bis zwei weitere in den unteren Profiligen. Und doch sorgt der Fall für Verwunderung – aufgrund der Summen, um die es sich beim jährlichen Grundgehalt handelt.

So erhalten Bundesliga-Schiedsrichter zwischen 60.000 und 80.000 Euro – je nachdem, ob sie länger als fünf Jahre in der höchsten deutschen Spielklasse dabei sind oder auch auf Fifa-Ebene pfeifen. Zweitliga-Schiedsrichter bekommen 40.000 Euro, Schiedsrichter, die vornehmlich in der Dritten Liga eingesetzt werden, noch 4500 Euro.

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Der DFB will sich zu dem Fall nicht äußern und teilt nur mit, dass die Elite-Schiedsrichter keine Arbeitnehmer des Verbandes seien. Das Grundhonorar sei ein sogenanntes „Honorar zur Nutzung der Persönlichkeitsrechte“. Letztlich bekleiden die Schiedsrichter ein Ehrenamt – und sollen ihren Unterhalt durch einen Beruf finanzieren.

Letzteres ist auch auf Verbandsebene der Fall. Wobei die Schiedsrichter dort kein Grundgehalt und deutlich weniger Spesen erhalten – derzeit also nichts. Außerdem ist bei ihnen nicht davon auszugehen, dass sie, wie im Profibereich womöglich noch im Mai, bald wieder im Einsatz sein werden.

Zwar erhalten die Schiedsrichter im Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) nur beispielsweise 240 Euro pro Regionalliga-Spiel – und pfeifen ohnehin maximal zwei davon im Monat. Allerdings wird sich der Spesenausfall, sollte die Saison abgebrochen werden, auf mehrere Monate strecken.

Für die Lust und Laune: Schiedsrichter Philipp Kutscher pfeift Begegnungen in der Regionalliga.
Für die Lust und Laune: Schiedsrichter Philipp Kutscher pfeift Begegnungen in der Regionalliga.

© Sebastian Wells/Imago

Philipp Kutscher ist Regionalliga-Schiedsrichter im NOFV und pfeift bereits seit zehn Jahren auf Verbandsebene. Er rechnet vor, dass ihm aufgrund der Spielausfälle 600 Euro pro Monat wegfallen – er kann allerdings nicht nachvollziehen, warum Schiedsrichter aufgrund der Spielausfälle finanziell Probleme befürchten. Erst recht nicht im Profibereich.

„Man merkt schon, dass was fehlt, aber man gibt ja automatisch weniger aus, wenn man weniger unterwegs ist“, sagt Kutscher, der in der Berliner Schiedsrichter-Szene gut vernetzt ist und schon bei Drittliga-Spielen als Assistent dabei war. Aber ihm sei kein Fall eines Kollegen bekannt, bei dem der Staat nachhelfen musste.

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Allerdings sagt er auch: „Es kommt natürlich darauf an, was du für einen Lebensstandard hast.“ Bei ihm und den Kollegen, die er kennt, sei das Schiedsrichter-Geld „nur für Lust und Laune da“. Er plane damit zum Beispiel den Urlaub oder gehe mal essen. „Ich muss auf nichts verzichten, wenn ich kein Geld als Schiedsrichter bekomme. Alles andere wäre auch der falsche Ansatz“, sagt der 29-Jährige.

Kutscher pfeift in der höchsten deutschen Spielklasse, in der kein Grundgehalt ausgezahlt wird. Kritisch sieht er das nicht – irgendwo muss der DFB ja auch eine Grenze ziehen. Wirklich helfen würde ein Grundgehalt auf Verbandsebene seiner Meinung nach auch nicht. Schon eher eine Spesenerhöhung.

Daran ist aufgrund wegfallender Einnahmen von Verband und Vereinen derzeit aber nicht zu denken. Das nimmt Kutscher in der Krise jedoch gelassen hin, weil die Schiedsrichter, anders als die Klubs, eben nicht allein vom Fußball abhängig sind – die eine bekannte Ausnahme mal ausgenommen. „Ich glaube, dass es den Schiedsrichtern finanziell eigentlich ganz gut geht“, sagt Kutscher deshalb, „die leiden jetzt eher unter Lagerkoller.“

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