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Sport: Zurück zur Asche

Portugals Fußballerinnen konnten für die deutsche Mannschaft kein ernsthafter Gegner sein – sie kehren mit 13 Gegentoren heim

Reutlingen. Nadine Angerer war eine der begehrtesten Frauen des Abends. Immer wieder musste die deutsche Nationaltorhüterin, die für die verletzte Silke Rottenberg zum Einsatz gekommen war, erklären, wie sie das EM-Qualifikationsspiel gegen Portugal überstanden habe. „Es war schon etwas langweilig“, berichtete die 25-Jährige von Turbine Potsdam, „um mich warm zu halten, habe ich bei den Toren mit Ariane Hingst getanzt.“ 13-mal konnten die beiden Weltmeisterinnen am Samstagabend tanzen, so oft wie nie zuvor. Das 13:0 (3:0) gegen die Portugiesinnen war der höchste Sieg in der Geschichte der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft. Auch die weiteren Zahlen waren nicht schlecht: Mit 13 500 Besuchern war das Stadion an der Kreuzeiche ausverkauft. Und die ARD erzielte eine TV-Quote von 5,98 Millionen Zuschauern und einen Marktanteil von 25,7 Prozent.

Was der deutschen Mannschaft an diesem historischen Abend fehlte, war allerdings ein ernsthafter Gegner. Die physisch, konditionell und athletisch unterlegenen Portugiesinnen erregten in erster Linie Mitleid. Sie konnten noch nicht einmal im Ansatz mit den DFB-Frauen mithalten. Es war ungefähr so, als träte die erste Mannschaft vom FC Bayern München gegen die eigene C-Jugend an. Torjägerin Birgit Prinz, mit vier Treffern erfolgreichste deutsche Torschützin, war von den Portugiesinnen nie zu halten. Und Torfrau Nadine Angerer hatte in der 74. Minute ihren ersten von drei Ballkontakten. Den ersten Schuss, bei dem der Ball halbwegs in Richtung deutsches Tor ging, gab Portugal, freundlich bejubelt von den Zuschauern, erst drei Minuten vor dem Ende des einseitigen Spiels ab.

Als es vorbei war, rannte Portugals nur 165 Zentimeter große Torfrau Carla Cristina weinend vom Platz. „Ihr Reaktion war verständlich“, sagte ihr Trainer Nuno Cristovao und berichtete, mit welchen Widrigkeiten die Portugiesinnen in ihrer Heimat zu kämpfen haben. „Man lässt uns nur spätabends auf Ascheplätzen trainieren“, sagte er. „Und das auch nur zwei- bis dreimal in der Woche.“ Lediglich 1300 Fußballerinnen gibt es in Portugal, in Deutschland sind es etwa 100 000. „Eine solche 0:13-Niederlage ist eine Katastrophe für uns. Es liefert den Funktionären vom Verband, die den Frauenfußball sowieso nicht besonders gern mögen, neue Argumente“, sagte ein sichtlich frustrierter Cristovao.

Deutschland hat sich dagegen – zumindest im Vergleich zu Portugal – in ein Frauenfußball-Dorado verwandelt. Seit ihrem WM-Triumph vor fünf Wochen werden die Weltmeisterinnen mit vor kurzem noch unvorstellbaren Dingen überhäuft: Sie haben ihren eigenen Mannschaftsbus, eigene Trikots mit einem Stern für ihren WM-Titel – und sogar ihren eigenen Sponsor. Der Hersteller von frauenfreundlichem Naschwerk (kalorienarme süße Drops ganz ohne Fett) wirbt auch mit Heidi Klum, dem Topmodel. Und es scheint, dass die deutschen Fußballerinnen einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erreicht haben wie die attraktive Frau aus Bergisch-Gladbach.

Kreischende Teenies belagerten nach dem denkwürdigen Spiel in Reutlingen den Mannschaftsbus. Und skandierten Sätze wie: „Birgit, Birgit, du bist die Größte!“ Oder: „Kerstin, Kerstin, ich will so sein wie du!“ Trainerin Tina Theune-Meyer sagte erstaunt: „Das ist alles noch neu für uns. Wir wünschen uns, dass es so bleibt.“ Tag für Tag müssten sie und ihre Spielerinnen den Frauenfußball neu verkaufen. „Unser nächstes Ziel sind nun die Olympischen Spiele 2004 in Athen“, sagt die Trainerin. Dort werden es die deutschen Frauen auch wieder mit wirklichen Gegnerinnen tun bekommen – wie zum Beispiel den USA.

Christiane Mitatselis

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