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Auf Wiedersehen, Grüne Karte. Ab sofort kann Füchse-Trainer Jaron Siewert eine Auszeit direkt per Buzzer beantragen.

© Imago/Andreas Gora

Zum Start der neuen Handball-Saison: Neue Regeln braucht das Land

Buzzer, Videobeweis, neue Schnelle Mitte und angepasste Zeitspiel-Regel: Im Handball gibt es zur neuen Saison einige Veränderungen am Regelwerk.

Neue Saison, neue Herausforderungen und in diesem Jahr auch neue Regeln. Nachdem die Internationale Handballföderation (IHF) in diesem Sommer mehrere Änderungen im Regelwerk des Sports vollzogen hat, gibt es auch in der deutschen Bundesliga einige Modifikationen.

So kann neuerdings ein Werfer oder eine Werferin mit einer Zeitstrafe belegt werden, wenn der Torhüter oder die Torhüterin aus einer freien Spiel- beziehungsweise Wurfsituation heraus am Kopf getroffen wird. Zuvor konnten bereits Kopftreffer gegen sich nicht bewegende Torhüter*innen und Abwehrspieler*innen aus einem direkten Freiwurf heraus mit einer Roten Karte geahndet werden.

Die Änderung ist eine Fortführung des Ansatzes der vergangenen Jahre, um unsportliches Verhalten zu unterbinden und die Spieler und Spielerinnen besser zu schützen. Zuletzt wurde deshalb das Stoßen in der Luft progressiver geahndet und das Abwehrverhalten auf den Außenpositionen stärker fokussiert. Eine Berührung bei der Verteidigung – besonders wenn sie aus der Bewegung heraus geschieht – wurde zunehmend mit einer Zwei-Minuten-Strafe geahndet.

„Als aktiver Spieler hätte ich das super gefunden. Jetzt finde ich es manchmal übertrieben. Der Grat ist schmal. Wir wollen uns ja schließlich nicht zu einem körperlosen Spiel entwickeln”, sagt der ehemalige Weltklasse-Linksaußen Stefan Kretzschmar, der mittlerweile Vorstand Sport der Füchse Berlin aber auch als Experte beim Bezahlsender Sky aktiv ist. „Natürlich sollte man Verletzungsrisiken vermeiden. Aber wir sind ein Kontaktsport und ich möchte auch, dass das so bleibt, weil das ein Markenzeichen unserer Sportart ist”, sagt Kretzschmar.

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Ein Markenzeichen des Handballs ist ebenso das immer höhere Tempo des Sports, weswegen diesbezüglich einige Änderungen vollzogen wurden und technisch nachgerüstet wurde. So kommt ab dieser Saison der Auszeit-Buzzer zum Einsatz, mit dem die Coaches die einminütige Pause einfordern, wenn ihre Mannschaft im Ballbesitz ist, anstatt die Grüne Karte beim Kampfgericht einreichen zu müssen, welches dann erst pfeift. „Da gibt es keine zwei Meinungen. Das ist klasse”, unterstützt Kretzschmar die Anpassung, die jedoch zunächst nur bei den Männern eingeführt wird und dort zunächst nur in der Ersten Liga. Für das Unterhaus ist die Einführung ab der Rückrunde geplant, bei den Frauen gibt es noch keinen Termin.

Eine weitere technische Neuerung ist der Videobeweis, der den Schiedsrichter-Gespannen ab dieser Spielzeit in der HBL zur Verfügung steht, um Hinausstellungen, Torentscheidungen und Wechselfehler zu überprüfen. „Das ist ebenfalls eine Weiterentwickelung, die absolut notwendig und sinnvoll ist. Deswegen bin ich da ein klarer Befürworter”, sagt Kretzschmar, der sich keine Sorgen macht, dass die Analyse anhand von Bildern der Führungskamera zu störenden Verzögerungen führen wird, wie es teilweise beim Video-Assistenten beim Fußball der Fall ist.

„Es sollte dann aber schon so sein, dass die Schiedsrichter da eine absolute Entscheidungshoheit haben. Ich möchte keine Spieler sehen, die permanent den Videobeweis fordern”, sagt der 49-Jährige.

Ab sofort gibt es einen vier Durchmesser großen Anwurfkreis

Gespannt ist Kretzschmar, wie sich die Veränderung der Anwurfzone entwickelt. „Das ist eine gute Änderung, aber es wird eine große Herausforderung für die Schiedsrichter. Die müssen da noch mehr auf Zack sein”, sagt der Berliner. Bislang musste der ausführende Spieler oder die Spielerin mit einem Fuß auf der Mittellinie stehen, wenn nach einem Treffer wieder angepfiffen wurde. Seit 1. Juli darf dieser Vorgang nun aus der Bewegung heraus in einem Anwurfkreis erfolgen, der einen Durchmesser von vier Metern haben soll.

Damit soll das Tempospiel über die sogenannte Schnelle Mitte, wie sie 1997 und speziell durch die Weiterentwicklung 2001 eingeführt wurde, noch mehr erhöht werden. „Ich will nicht sagen, dass das ähnlich revolutionär wird, aber das kann das Spiel schon verändern”, sagt Kretzschmar, der sich gut vorstellen kann, dass der eine oder andere taktisch versierte Coach sich darauf aufbauend neue Konzepte bezüglich der zweiten und dritten Welle ausdenkt.

Als taktisch herausfordernd sieht er zudem die vierte Regeländerung an, die sich auf das passive Spiel bezieht. Während die Reform von 2016 sechs Pässe einführte, die nach dem Anzeigen des Zeitspiels erlaubt werden, wurde die Zahl nun auf vier reduziert. „Da wird viel mehr Panik ausbrechen”, warnt Kretzschmar. Denn: Sechs Zuspiele erlauben noch einen koordinierten Angriff, nun aber werden die Offensivhandlungen deutlich eingeschränkt.

Füchse-Sportdirektor Stefan Kretzschmar ist mit den Neuerungen grundsätzlich einverstanden.
Füchse-Sportdirektor Stefan Kretzschmar ist mit den Neuerungen grundsätzlich einverstanden.

© Imago/Fotostand

Problem war bisher, dass sich durch provozierte Freiwürfe die Zeit eines Angriffs zunehmend in die Länge ziehen konnte und der Spielfluss zähflüssig wurde. Das sieht auch Kretzschmar so, hat aber bei seinen Füchsen in der Vorbereitung ebenso beobachten können, dass die Umstellung für die Spieler noch eine gewisse Herausforderung darstellt. „Die hatten das noch gar nicht richtig auf der Rolle und haben dann den technischen Fehler gemacht”, berichtet Kretzschmar. „Das wird jetzt zu trainieren sein. Das wird stressiger.”

Insgesamt ist der 218-fache Nationalspieler allerdings mit den Anpassungen einverstanden, wenngleich er nichts dagegen hätte, wenn der vor sechs Jahren eingeführte siebte Feldspieler wieder ad acta gelegt werden würde. „Das Problem unserer Sportart ist aber nach wie vor unsere Abhängigkeit von den Schiedsrichtern. Da könnte das Regelwerk noch klarer definiert werden, um die Schiedsrichter zu schützen beziehungsweise aus dem Spiel zu nehmen”, findet Kretzschmar, der jedoch mit den Unparteiischen in Deutschland zufrieden ist. Zwar seien qualitative Unterschiede der einzelnen Paare durchaus vorhanden, die Entwicklung sei aber positiv.

„Und mal ganz ehrlich, ich würde mir diesen Job nicht antun wollen. Die müssen ein sehr dickes Fell haben. Da sollten wir von der Vereinsseite sicher viel mehr ein Vorbild sein und gehen glaube ich, nicht immer so respektvoll mit den Pfeifenden um, wie sie es verdient hätten”, merkt Kretzschmar an. Das wäre insofern auch eine Herausforderung für alle Beteiligten in der neuen Saison. Neben all den Regeländerungen, die es zu beachten gilt.

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