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Bundestrainer Joachim Löw.

© dpa/Andreas Gebert

Zukunft des Bundestrainers: Joachim Löw hat eine gute Gelegenheit vertan

Löw hätte seinen Posten aufgeben sollen. Dass er stattdessen bleibt, schadet der Nationalmannschaft und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Michael Rosentritt

Joachim Löw wird weitermachen als Bundestrainer. Das ist erst einmal keine gute Nachricht. Nicht für die Fußball-Nationalmannschaft, der wichtigsten aller Mannschaften des Landes, noch für das Miteinander in unserer Gesellschaft. Die Botschaft ist verheerend. Selbst dann noch, wenn man ein großes, ein bedeutungsvolles Projekt massiv gegen die Wand gefahren hat, darf man fortfahren, als wäre nichts passiert.

Offenbar völlig unbeeindruckt von den Ereignissen bei der Weltmeisterschaft in Russland, wo unter seiner Leitung die deutsche Mannschaft als Titelverteidiger krachend gescheitert ist, hat Löw sich nun für eine Fortsetzung im Amt entschieden.

Rein formal gab es für ihn diese Möglichkeit. Sein Vertrag als Bundestrainer war vom Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) noch vor der WM-Endrunde ohne Not von 2020 bis 2022 verlängert worden. Das hat schon damals kaum einer verstanden. Vor dem Hintergrund des blamablen Ausscheidens seiner Mannschaft und den Vorgängen am Wochenende beim DFB, ist es nur noch absurd.

Ohne Gespür für die Situation und ohne auch nur den Ansatz einer Analyse vorgenommen zu haben, hat sich die Verbandsspitze in einer Telefonkonferenz zu Löw derart bekannt, dass es am Ende wieder nur noch an Löw selbst lag. Das schadet dem Amt, das schadet dem DFB und es schadet auch Löw.

Lieber ein Rücktritt mit Anstand

Das allgemeine Argument der vergangenen Tage, dass es keinen anderen als Löw für diesen Posten gibt, spricht längst nicht für Löw und gleich gar nicht für den Verband. Dabei hätte der 58-Jährige trotz Vertrages auch einen anderen Ausgang nehmen können. Er hätte zurücktreten können und das eigentlich auch müssen. Das hat die Mehrheit der Deutschen so zwar nicht öffentlich gefordert, gleichwohl hätten es die allermeisten in diesem Land als verantwortungsvoll und vor allem als anständig empfunden.

Man mag an das Beispiel Margot Käßmanns denken. Nach einem Straßenverkehrsdelikt war sie Anfang 2010 von ihrem Bischofsamt und dem Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche in Deutschland zurück – ohne dass es auch nur ein Mensch gefordert hatte. Das brachte ihr Anerkennung und Bewunderung ein. Aber solche Menschen scheint es immer seltener zu geben in bedeutsamen und öffentlichen Ämtern, sei es im Sport oder in der Politik.

Joachim Löw hat die Einsicht und die Kraft dazu nicht aufgebracht. Von ihm weiß man, wie sehr er an diesem Amt und seinen Annehmlichkeiten hängt. Die Stellung des Bundestrainers ist herausragend, die Entlohnung übersteigt die der Bundeskanzlerin um ein Vielfaches, der Arbeitsaufwand ist dafür überschaubar.

Löw hat eine gute Gelegenheit ausgelassen, als einer der ganz großen deutschen Trainer von der Bühne zu gehen. Er hat dem deutschen Fußball einiges gegeben, mithin die Mannschaft zum vierten WM-Titel 2014 in Brasilien geführt. Doch er hat eben auch ein historisch schlechtes Abschneiden zu verantworten, ohne dafür die Verantwortung auch zu übernehmen.

Ja, ein Trainer, ein Bundestrainer dazu, darf scheitern bei einem Turnier. Es ist dann immer die Frage, wie er damit umgeht. Andere an seiner Stelle hätten womöglich ein schlechtes Gewissen gehabt. Von Löw dagegen gibt es leider nur Bilder, wie er am Wochenende eine Kaffeefahrt in einem Cabriolet unternommen hat. Das allein schließt nicht aus, dass er sich Gedanken gemacht hat um das WM-Aus. Doch verortet er die alleinige Schuld ganz offenbar bei der Mannschaft. Und so liegt in der Nachricht des Tages auch eine gewisse Tragik.

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