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Alles vorbei. Die EM war der letzte große Auftritt von Zlatan Ibrahimovic im Trikot

© AFP

Zlatan Ibrahimovic: So ein Ende hat er nicht verdient - oder doch?

Zlatan Ibrahimovic verabschiedet sich mit einem Rückschlag, der seinem Ego vielleicht mal ganz gut tut.

Am Strand von Nizza weiß man manchmal nicht, wo das Wasser aufhört und der Himmel beginnt. Die Farben verschmelzen zu einer gigantischen Kombination aus Blau und Grau und manchmal auch Rosa, es sieht aus wie ein riesiges Babyzimmer.

So friedlich. So ruhig. Die Jungs und Männer mit Zigarette im Mundwinkel und Köder im Einmachglas wissen schon, warum sie hier ihre Angel auswerfen.

Wenn Zlatan Ibrahimovic entspannen will, dann geht auch er angeln. Es existieren Fotos, die den Hünen in den eiskalten schwedischen Gewässern zeigen, Zlatan hebt dann meistens einen spektakulären Fang in die Höhe und grinst stolzer als bei jedem geschossenen Tor. Es sagt sicherlich etwas aus über einen Menschen, wenn er gerne angeln geht.

So einen Abgang hat Zlatan nicht verdient. Obwohl, vielleicht doch

Am Mittwoch in Nizza hat Zlatan Ibrahimovic bei dem EM-Spiel gegen Belgien verloren. Schweden ist nach drei Niederlagen in der Gruppenphase sang- und klanglos aus der Europameisterschaft ausgeschieden. Es war vermutlich sein letztes Spiel für die schwedische Nationalmannschaft. So ein Abgang hat ein Mann wie Zlatan eigentlich nicht verdient. Und vielleicht auch wieder schon.

Als Vereinsspieler hat der inzwischen 34-Jährige fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Nur einem Erfolg bei einem internationalen Wettbewerb läuft er seit Jahren hinterher, ob mit Amsterdam, Turin, Mailand oder Barcelona. Gerade erst hat sich Ibrahimovic bei Paris St. Germain verabschiedet. Er tat das auf seine ihm eigene, nicht gerade bescheidende Art und Weise: „Ich kam als König und gehe als Legende“, schrieb er bei Twitter. Seine Kinder trugen die Namen „King“ und „Legend“ auf dem Rücken, als er mit ihnen noch einmal durch den Prinzenpark marschierte.

Er kommt von der Straße, ist bis heute stolz darauf

Vielleicht tut es einem Mann mit so einem Ego auch mal ganz gut, wenn er mit Schweden hochkant aus einem Turnier fliegt.

Denn Ibrahimovic wurde ja nicht nur zu Zlatan, der Legende, weil er so viele Tore schoss und Titel sammelte. Der Fußballer Ibrahimovic kommt von der Straße und ist bis heute stolz darauf. Ein Ghettokid mit flinker Zunge und unglaublichem Talent. Er hat seine Fans immer an seinem Können und seinen Erfolgen teilhaben lassen, sei es mit nie zuvor gesehenen Tricks und Toren (ausgeführt von einem Mann mit dem Körper eines Schwergewichtsboxers) oder mit starken Sprüchen abseits des Platzes. Aus Ibrahimovic wurde Ibra wurde Zlatan. Ein irgendwie gleichzeitig sehr ferner und doch volksnaher Fußballer. Der meistens begeistert, aber immer polarisiert hat.

Zlatan-Großmaul, ausgerchnet er ist ein Angler

Die Angelruten biegen sich sanft, die Fischer schweigen. Wetten, dass sich kein Fisch der Welt von menschlichen Stimmen irritieren lässt und die alte Regel, beim Angeln nicht zu sprechen, lediglich von Anglern erfunden wurde, damit alle Welt einfach mal die Klappe hält? Ausgerechnet Zlatan, das leidenschaftliche Großmaul, geht einem so stillen Hobby nach.

Gegen Belgien war Zlatan noch einige Male groß. Noch einmal pflückte er Flanken mit der Brust aus der Luft, an die andere Stürmer nicht mit dem Kopf gekommen wären. Er trickste und erstaunte. Und beinahe erzielte er noch eines dieser Wunder-Tore, die ihm einen Platz im kollektiven Fußball-Gedächtnis gesichert haben. Und doch zeigte sich an diesem Spiel Zlatans Dilemma: Als schwedischer Nationalspieler ist er einige Jahre zu spät geboren worden. Die goldenen Zeiten Mitte der neunziger Jahre, als Schweden 1994 sogar mal WM-Dritter wurde, hat er knapp verpasst.

„Ich habe das Land zu meinem Land gemacht.“

Kurz vor dem Schlusspfiff bot sich dafür ein recht geeignetes Beispiel. Da eroberte sich Zlatan im hinteren rechten Eck der gegnerischen Hälfte den Ball, wartete für Sekundenbruchteile die Reaktion seines Gegenspielers ab und passte den Ball dann direkt durch die Beine des Belgiers in den Lauf seines Mitspielers – doch der hieß leider nicht Martin Dahlin, auch nicht Tomas Brolin – und verstolperte die Vorlage.

Zlatan Ibrahimovic hat die Geschichte der Europameisterschaften geprägt, ist der drittbeste Torschütze der EM-Geschichte. Er war einer der aufregendsten Nationalspieler der vergangenen 15 Jahre. Vielleicht der beste Fußballer, den Schweden jemals hatte.

Nach dem Schlusspfiff gegen Belgien trat er noch einmal vor die Kamera, noch einmal musste er so sein wie der Fußballer Zlatan. Also sprach er: „Ich habe das Land zu meinem Land gemacht.“

Jetzt hat er endlich wieder mehr Zeit, angeln zu gehen.

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