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Yannick Bestaven bei seiner Ankunft Mittwochnacht in Frankreich.

© imago images/PanoramiC

Yannick Bestaven gewinnt Vendée Globe: Ein harter Hund

Der "Maitre CoQ"-Skipper wurde zur prägenden Figur des stürmischen Südens. Als es auf Robustheit ankam, wuchs er über sich hinaus.

Bis zuletzt war der Ausgang des Rennens ungewiss. Dass der führende Charlie Dalin es als Erster ins Ziel schaffen würde, zeichnete sich am Mittwochmittag ab, als er mit hoher Geschwindigkeit von Kap Finisterre kommend seinen Vorsprung sogar ausbaute. Er erreichte die Ziellinie um 20.35 Uhr. Von da an begann eine zweite Uhr zu ticken. Denn mit dem Wind einer Sturmfront näherte sich Yannick Bestaven von Osten. Seine Zeiterstattung von 10.15 Stunden nach der Rettungsaktion für Kevin Escoffier würde ihn zum Sieger machen, wenn er vorher nach Les Sables d'Olonne gelangte. Und so geschah es auch. Um 03.19 Uhr war er da, früher als erwartet. Aber das unterstrich nur noch einmal den ungezügelten Kampfgeist dieses Mannes, der das Rennen immerhin 23 Tage lang angeführt hatte und einen Vorsprung von 700 Meilen einbüßte, als er vor der brasilianischen Küste von einer Hochdruckbarriere gestoppt wurde.

Bestaven war die prägende Figur des "Grand Sud", mit den ungewöhnlich rauen Bedingungen im Südpolarmeer kam er am besten zurecht. Hier zeigte sich, dass Robustheit diesmal mehr wert war als berechnete Höchstgeschwindigkeiten.

Sein erster Versuch endete noch an der Haustür

Sein Boot, die vormalige "Safran", war 2015 das erste (von sechs Schwesterschiffen), das mit Foils versehen war. Es gelangte allerdings ebenso wenig ins Ziel wie Herrmanns "Seaexplorer". Danach wurde es von Bestaven weniger stark modernisiert. So ging er mit kleineren Foils ins Rennen, die zwar ebenfalls  für Auftrieb sorgen, das Boot aber nicht gänzlich aus dem Wasser heben, wie es die jüngste Generation von Tragflächenschwertern vermag. Es ist, wie sich herausstellte, die robustere Variante, die bei Windstärken über 20 Knoten immernoch Vorteile bietet, während jüngere Boote in ihrem Drang gezügelt werden müssen, vor lauter Kraft nicht zu zerplatzen.

Yannick Bestaven hat nicht den üblichen Werdegang der Imoca-Elite hinter sich. Lange war er Halbtagsprofi.
Yannick Bestaven hat nicht den üblichen Werdegang der Imoca-Elite hinter sich. Lange war er Halbtagsprofi.

© REUTERS

Die Genugtuung dürfte groß sein für den 48-jährigen Unternehmer aus La Rochelle. Acht Jahre zuvor hatte er es bei seinem ersten Vendée Globe nicht mal aus der Biskaya hinausgeschafft. Sein Mast knickte ab. Und Bestaven wendete sich hernach vor allem dem Aufbau seiner Firma zu, die Hydrogeneratoren entwickelt und vertreibt. Dass er es noch einmal versuchen würde, war nicht abzusehen.

Ein bisschen kam wohl der Zufall zu Hilfe. Denn der Lebensmittelkonzern Maitre CoQ, den eine lange Tradition als Sponsor mit den Vendée Globe verbindet, verlor nach einem grandiosen dritten Rang 2017 mit Skipper Jérémie Beyou einen Top-Favoriten an die Konkurrenz von Charal. So kam Bestaven ins Spiel, führte seine Kampagne wie sein Unternehmen und dürfte in den Augen vieler als zu alt gegolten haben, um bei den physischen Anstrengungen des Ozeanmarathons zu den Besten zu zählen. Doch erwies er sich als ausgesprochen harter Kerl. Schonungslos gegenüber sich selbst. In der dicken Daunenmontur, die er entlang der Eisbarriere trug, ähnelte er mit seinem weißen, wolkigen Bart genau dem Typus Seebär, den das Vendée Globe schon längst aussortiert hatte.

Der lange Weg zum Vertrauen

Seine Erfolge als Rennsegler reichen weit zurück. Ironischerweise triumphierte er in demselben Minitransat 2001, in dem Boris Herrmann als jüngster deutscher Teilnehmer bis dahin zwölfter wurde. In späteren Jahren startete der mehrfache Familienvater dann mit Class40-Yachten. Es war für ihn ein langer Weg zu dem Punkt, da man ihm das Budget einer Open-60-Kampagne anvertraute. 2015 empfahl er sich dafür allerdings auch mit einem Sieg beim Transat Jacques Vabre.

In der quälenden Windstille des St. Helena-Hochs hatten Boris Herrmann und Yannick Bestaven noch gleichauf gelegen. Sie waren einander sogar so nahegekommen, dass sie Fotos voneinander machten. "Wir waren kurz davor, einen Drink zusammen zu nehmen", erinnert sich Bestaven in seiner ersten Pressekonferenz. Nichts deutete darauf hin, dass Bestaven sich mit zwei geschickt platzierten Manövern absetzen und mit erstaunlicher Konsistenz an die Spitze des engen Feldes setzen würde. Am 38. Tag des Rennens löste er Chalie Dalin als Spitzenreiter ab. Oft hatte er zu viel Segelfläche gesetzt, bewegte das Boot an der Kante zum Whipe-out und zögerte dennoch sich aufdrängende Manöver hinaus. In Videos sah man ihn auf seinem Schalensitz unter Deck wild hin und her geschüttelt werden. Die Welt dieses erfolgreichen Ingenieurs und Geschäftsmanns hatte sich in etwas Unmenschliches verwandelt.

Zwei Gewinner. Charlie Dalin (links) erreichte das Ziel zuerst und begrüßt sieben Stunden später Yannick Bestaven, den Sieger nach berechneter Zeit im Hafen von Les Sables d'Olonne.
Zwei Gewinner. Charlie Dalin (links) erreichte das Ziel zuerst und begrüßt sieben Stunden später Yannick Bestaven, den Sieger nach berechneter Zeit im Hafen von Les Sables d'Olonne.

© AFP

Doch selbst die größte Anstrengung wird erträglich, wenn man sie für normal hält. Wenn man davon ausgehen darf, dass sie sich auf ein gewisses Maß der Qual beschränkt, so dass ein Rest der Persönlichkeit sich damit arrangieren kann. Doch bei diesem Rennen folgte auf eine Herausforderung immer nur die nächste noch schlimmere, mit der man nicht rechnen durfte.  Wie hätte Yannick Bestaven annehmen sollen, dass sein komfortabler Vorsprung von 700 Meilen, der in früheren Jahren locker für einen Sieg ausgereicht hatte, sich in Nichts verflüchtigen könnte?

So geschah es im Südatlantik unweit Rio de Janeiros. Bestaven musste hilflos mitansehen, wie seine Verfolge an ihm vorbeizogen. Alles sprach gegen ihn: sein altes Boot, und dass er sich hinter Kap Hoorn um seinen Satz an Schwachwindsegeln gebracht hatte, als Bugkorb und ein Teil der vorderen Segelbeschläge zerschmettert wurden; der spitze Winkel zum Wind, der ihn Tempo kostete; und dann war da der nagende Frust.

Trotzdem kam Bestaven zurück und wählte seine Route für den Schlusspurt genau so verwegen, wie es nötig war.

Dass er nun als erster in der 30-jährigen Geschichte des Vendée Globes nach berechneter Zeit gewinnt, ist kein Makel. Er hat sich diesen Eintrag ins französische Buch der Nationalhelden verdient. Und ganz überraschend ist es nicht, dass ein älteres Boot doch mal gewinnt. 2005 brachte Vincent Riou dasselbe Kunststück fertig. Er hatte danach nicht genug und trat drei weitere Male an. Das darf man wohl von Bestaven nicht erwarten.

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