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Nur Ammoniak? Wladimir Granat, Alexei Miranschuk, Alan Dzagojew and Roman Zobnin (von links nach rechts).

© Imago

WM: Russland schnüffelt Ammoniak: Russlands Teamarzt: „Es ist kein Doping"

Russische Spieler schnüffelten während der WM Ammoniak, gibt der Mannschaftsarzt zu. Es ist die nächste Episode in der Debatte um Doping im Team des Gastgebers.

15,99 Euro – so viel bezahlt man bei einem bekannten Onlineversandhändler für 56 Gramm Riechsalze, genauer: Ammoniak-Inhalt. In der Produktbeschreibung stehen Ausdrücke wie „um Ihnen den benötigten Kick zu geben“, „als Aufputschmittel“ und „wird von Gewichthebern, Strongmen oder Kraftsportlern verwendet, die zusätzliche Stärke benötigen“. Aber scheinbar auch von anderen Sportlern. Teamsportlern nämlich, Fußballern zum Beispiel, russischen.

Das berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ nach dem WM-Achtelfinale der Russen gegen Spanien. Vor seiner Einwechslung zum Beginn der zweiten Halbzeit war demnach zu sehen, wie Verteidiger Wladimir Granat noch an der Seitenlinie stehend einen Gegenstand kurz in Richtung seiner Nase führte. Auf Nachfrage sagte ein Sprecher des Russischen Verbands der Zeitung, es habe sich dabei um Ammoniak gehandelt, der auf Watte geträufelt war. Zusätzlich wird er mit den Worten zitiert: „Außerdem benutzen russische Fußballer Shampoo, wenn sie duschen, und sie trinken Wasser, wenn es heiß wird.“ Eine Lappalie also, alltäglich, unbedeutend. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Ja, Ammoniak schnüffeln ist unter den Anti-Doping-Regularien nicht verboten, sonst hätte der Sprecher es nicht so bereitwillig zugegeben. Aber es hat auch eine aufputschende Wirkung, mit der es auch online beworben wird. Die Inhalation bewirkt in Nase und Lunge einen verstärkten Atemreiz, der die Sauerstoffversorgung des Körpers und dadurch die Leistungsfähigkeit erhöht. Es wirke „kurzfristig stimulierend und fokussierend“, schreibt die Nationale Anti-Doping-Agentur. Leistungssteigernd? Ja. Doping? Nein, denn das ist im Welt-Anti-Doping-Code offiziell als Verstoß gegen die Verbotsregeln definiert.

Für Russland kommen die Berichte zur Unzeit

So gab der russische Mannschaftsarzt Eduard Bezuglow jetzt auch ganz offen zu, dass die Spieler gegen Spanien und auch Kroatien ein paar Nasen vom Ammoniak hatten. „Wir reden hier über einfaches Ammoniak, das auf Wattebällchen gegeben und inhaliert wird“, zitiert ihn die „AS“. „Tausende Athleten und Athletinnen tun seit Jahrzehnten das gleiche, um sich zu pushen.“ Mag sein, aber eben normalerweise keine Fußballer, sondern Kraftsportler. Bezuglow betonte dennoch, man könne Ammoniak und Wattebällchen in jeder Apotheke kaufen. „Es ist kein Doping.“

Für Russland kommen die Berichte zur Unzeit. Bereits 2016 wurde durch den von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in Auftrag gegebenen McLaren-Report bekannt, dass auch Fußballer vom systematischen, staatlich organisierten Dopingprogramm profitierten. Zusätzlich machten verschiedene Medien bei Stürmer Artjom Dsjuba einen verdächtigen Einstich in der Armbeuge aus. Und seit Turnierbeginn begleiteten die Russen Diskussionen um die Laufleistung der Sbornaja, die mit Abstand die meisten Kilometer abriss. Der russische Verband, seine Ärzte und der Trainer versuchen, die Debatte zu runterzuspielen. Bislang mit mäßigem Erfolg. Auch beim Thema Doping gilt eben: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.

Tobias Finger

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