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Kritischer Geist. Hürdensprinter Matthias Bühler findet, dass die deutschen Leichtathleten nicht genug Geld verdienen.

© dpa

WM in London: Der Ruf nach Vater Staat in der Leichtathletik ist falsch

Hürdensprinter Matthias Bühler fordert mehr Unterstützung durch den Staat. Das aber kann nicht die Lösung sein für die Leichtathleten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Martin Einsiedler

Ein Blick in die Zeitung kann genügen, um das ganze Dilemma des Sports zu beschreiben. Die britische „Sun“ etwa machte am Sonntag – dem dritten Tag der Leichtathletik-WM im eigenen Land – auf mit dem englischen Fußballer Raheem Sterling, der für einen kurzen Liebesdienst nur die Hälfe von dem bezahlen wollte, was vereinbart worden war. Es folgten etwa 20 Seiten, die den Fußball zum Thema hatten. Die Leichtathletik fand in dem Blatt kaum statt. Irgendwo auf diesen 20 Seiten jedenfalls stand auch, dass der zuletzt beim Hamburger SV außerordentlich formleidende Johan Djourou beim englischen Zweitligisten Sheffield Wednesday im Gespräch sei. Rund 30 000 Pfund sei der Klub bereit gewesen sein, für die Dienste des kriselnden Spielers zu bezahlen – pro Woche. Djourou lehnte im Übrigen ab.

Kaum eine große Nation lässt ihre Leichtathleten "verhungern"! […] Will man internationale Leistung als nationales Aushängeschild, muss man die Leistungsbereiten auch dazu in die Lage versetzen!

schreibt NutzerIn gladis

30 000 Pfund sind in etwa das, was der deutsche Hürdensprinter Matthias Bühler im kompletten Jahr bräuchte, um für seine Trainingskosten mit Aufenthalten in den USA aufkommen zu können, wie er der „Süddeutschen Zeitung“ erzählte. Schon zuvor hatte er sich über die katastrophalen Bedingungen für deutsche Sportler beschwert. Er berichtete von Athleten, die nicht mal ihre Miete bezahlen können und auch davon, dass er sich mit seinem Verdienst eigentlich kein Essen kaufen könne. Daher auch seine Forderung: „Es geht nur mit staatlicher Unterstützung.“

Kaum jemand kann von seinem Sport leben

Das Traurige ist: Bühler hat recht, kaum jemand von Deutschlands besten Leichtathleten kann von seinem Sport leben. Es sei denn, man verbindet den Sport mit einer Anstellung bei der Bundeswehr oder der Bundespolizei. Die Sache ist aber auch: In Deutschland nimmt das Interesse an der Leichtathletik seit Jahren ab. Daran mögen viele eine Teilschuld tragen, auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Abermillionen für Fußballübertragungen ausgeben und bis auf wenige Großveranstaltungen kaum was für die Leichtathletik. An diesem Zustand ist aber auch die Leichtathletik selbst schuld.

Vorschlag zur Güte: Das Milliardengeschäft Fußball zahlt demnächst für Polizeieinsätze selbst und das gesparte Geld steckt der Staat in die Förderung unpopulärerer Sportarten.

schreibt NutzerIn parrot0815

Doping war und ist das gravierende Problem, das die Leichtathleten bis heute nicht in den Griff bekommen. Je besser ein Athlet abschneidet, desto mehr wird er hinterfragt. Den Athleten beim Siegen zuzusehen, macht so nur halb Spaß – weil immer der Zweifel mitschwingt. Zudem leidet die Leichtathletik seit jeher daran, dass ihr Fokus den Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen gilt. Ansonsten aber ist sie kein großes Thema.

Die Forderung Bühlers nach mehr staatlicher Subventionierung ist aus seiner Sicht nachvollziehbar, aber wenn man ehrlich ist, fehlt ihr die Grundlage. Im Moment ist die Leichtathletik für viele Menschen schlicht nicht interessant genug. Trotzdem bleibt die Hoffnung, dass sich das sehr bald ändern wird und Spitzenathleten wie Bühler von ihrem Sport leben können – ohne abhängig zu sein vom Vater Staat.

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