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Tennisstar Novak Djokovic beim Training in Wimbledon.

© Oli SCARFF/AFP

WM-Halbfinale gegen England: Warum der Serbe Novak Djokovic zu Kroatien hält

„Los geht’s, ihr Feurigen“: Tennisprofi Djokovic fiebert mit dem kroatischen Nationalteam mit. Das kommt in seiner Heimat gar nicht gut an.

Wenn am Sonntag um 15 Uhr zum Finale der Lawn Tennis Championships auf dem heiligen Rasen von Wimbledon aufgeschlagen wird, könnte für Novak Djokovic ein kleiner Terminkonflikt bestehen. Der Serbe steht im Viertelfinale des prestigeträchtigsten Tennisturniers der Welt und hat nach starken Leistungen durchaus Chancen auf das Endspiel. Ebenso wie Kroatiens Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland, deren Finale wiederum am selben Tag nur zwei Stunden später, um 17 Uhr, auf dem nicht ganz so heiligen Rasen des Luschniki-Stadions in Moskau angepfiffen wird.

Dass der ehemalige Erste der ATP-Weltrangliste Fußballfan ist und deshalb bestimmt gerne das Finale, also das in Moskau, schauen würde, ist bekannt. Doch bei diesem Turnier hält der Serbe Djokovic zu Kroatien. Schon beim Gruppenspiel gegen Argentinien verbreitete er über seine Social-Media-Kanäle ein „Ajmo Vatreni!“, kroatisch für „Los geht’s, ihr Feurigen!“, der Spitzname der kroatischen Nationalelf.

Aber Moment: Ein Serbe, der zu Kroatien hält? Nach allem, was zwischen den beiden Ländern des ehemaligen Jugoslawien passiert ist? Bei aller nach wie vor existierender Abneigung zwischen den beiden Ländern? Trotz der anti-serbischen Musik, die in der kroatischen Kabine nach dem Sieg über Argentinien lief?

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Für Djokovic alles kein Problem, erst recht nicht, weil seine Mutter kroatische Wurzeln hat. Er verfolge die Weltmeisterschaft zwar etwas weniger intensiv, seit Serbien ausgeschieden sei, „aber ich bin definitiv für Kroatien und ich hoffe, dass sie WM-Sieger werden“, sagte er in einem Interview.

Djokovic: „Sport hat eine universelle Sprache“

Was für Djokovic selbstverständlich scheint, kommt in seinem Heimatland hingegen gar nicht gut an. Präsident Aleksandar Vucic von der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) ließ vor dem Viertelfinale Kroatien gegen Russland verlauten, er sei für die Gastgeber, wenngleich die Serben und Serbinnen natürlich das Recht hätten, zu unterstützen, wen sie wollen. Es sei schließlich ein freies Land.

Novak Djokovic (Mitte) feuert bei der WM die Kroaten um Luka Modric (l.) an.
Nationalitäten überwinden. Novak Djokovic (Mitte) feuert bei der WM die Kroaten um Luka Modric (l.) an.

© facebook.com/djokovicofficial

Sein SNS-Parteikollege und Parlamentsabgeordneter Vladimir Djokanovic hingegen befand: „Wer heute Abend Kroatien gegen Russland anfeuert, ist ein Psychopath und Wahnsinniger, bereit für die Klapsmühle.“ Konkret auf Djokovic bezogen legte er nach und nannte den Tennisprofi einen „Idioten“. Die nationalistische Regierung Vucics hatte sich eigentlich der Verbesserung der Beziehungen zu Kroatien verschrieben. Doch spätestens beim Fußball kommen offensichtlich die wahren Ansichten hervor.

Im Tennis, wo die Spieler und Spielerinnen meist nur sich selbst und nicht ihr Heimatland repräsentieren, sind solche Ressentiments weitaus weniger verbreitet. Dementsprechend reagierte auch Djokovic auf die Attacken: „Sport hat eine universelle Sprache, er überwindet Grenzen zwischen Menschen, überkommt Unterschiede in Religion, Ethnie und Nationalität“, sagte er dem serbischen „Telegraf“. Der Chefredakteur des Boulevardblatts „Informer“, Dragan Vucicevic nannte ihn einen „Trottel“ und fragte: „Woher stammt Djokovics Logik?“ Aus dem gesunden Menschenverstand, möchte man ihm antworten.

Djokovic wird Kroatien also auch weiterhin die Daumen drücken. Erstmal heute Abend und dann vielleicht am Sonntag. Auch für den Fall, dass er gleichzeitig selber auf dem Rasen stehen sollte.

Tobias Finger

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