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Vertrauen in die Kontrolle? Die Wada entscheidet am Donnerstag auf den Seychellen über eine Wiederanerkennung der Rusada.

© H. Schmidt/dpa

Wird Russlands Anti-Doping-Agentur rehabilitiert?: "Dann können wir die Wada auch schließen"

Athletensprecherin Silke Kassner über die Wiederanerkennung von Russlands Anti-Doping-Agentur, eine Kultur des Betrugs und Forderungen an Thomas Bach.

Frau Kassner, die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hat eine Empfehlung abgegeben, die russische Anti-Doping-Agentur (Rusada) nach drei Jahren Sperre wieder zuzulassen. Was halten Sie davon?

Für uns ist das nicht nachvollziehbar. Russland hatte über Jahrzehnte ein staatliches Dopingsystem. Sie haben Proben verschwinden lassen, Proben gefälscht. Sie haben Medaillen gewonnen und alle betrogen. Die Wada hatte klar und deutlich gesagt, dass sie uneingeschränkten Zutritt zu den Laboren in Moskau haben will, bevor die Rusada wieder zugelassen wird. Das ist bislang nicht geschehen. Wenn die Wada sich an ihre eigenen Vorgaben hält, kann sie die Rusada nicht wieder akkreditieren.

Was hängt denn an der Zulassung?

Eine Anti-Doping-Agentur, die „compliant“ ist, also alle Kriterien für die Durchführung von Dopingkontrollen erfüllt, kann die eigenen Athleten im Land testen. Ob das nach Standards funktioniert, kann niemand garantieren. Wenn sie die Labore wirklich noch öffnen, ist alles belastende Material längst weggeschafft.

Das Thema scheint Sie wütend zu machen.

Wir Athleten lassen erhebliche Eingriffe in unsere Grundrechte zu, um für Dopingkontrollen zur Verfügung zu stehen. Wir geben Aufenthaltsorte über Monate an, stehen immer für Tests zur Verfügung. Auch morgens um sechs für die Blutentnahme. Wir sind willens, das zu geben, weil wir sauberen Sport wollen. Gleiches Engagement erwarten wir aber auch von den verantwortlichen Institutionen. Andernfalls können wir die Wada schließen und uns die Kontrollen schenken.

Auch die Anerkennung des McLaren-Reports, also das Eingeständnis von systematischem Doping, war eine Forderung der Wada.

Bislang bekennt Russlands Sportminister nur die Verwicklung Einzelner in Manipulation. McLaren gibt es für Russland nicht. Zugang zu den Laboren haben sie zugesagt, aber noch nicht gewährleistet. Alles deutet darauf hin, dass man in Russland nicht bereit ist, das Dopingsystem offenzulegen – geschweige denn, eine kulturelle Änderung des Sports anzustoßen, das heißt: sauberen Sport als Wert anzuerkennen.

Die Wada sagt, man müsse auch Kompromisse zulassen.

Bei Doping gibt es für Athleten keine Kompromisse. Wir sind in Deutschland maximalen Sanktionsmöglichkeiten ausgesetzt. Es gibt Gesetze gegen Doping. Wenn wir beim Dopen erwischt werden, ist nicht nur die Karriere vorbei, sondern wir werden auch strafrechtlich verfolgt. Wir können dafür ins Gefängnis kommen. Und an die anderen gibt die Wada das Signal: Macht einfach weiter.

Athletenvertreterin Beckie Scott ist aus Protest aus dem Wada-Prüfungsausschuss zurückgetreten.

Sie hatte nur fünf Tage, um sich auf die Abstimmung vorzubereiten. Es ist unmöglich, sich in der Zeit mit den Hintergründen der Empfehlung vertraut zu machen, geschweige denn sich mit anderen auszutauschen. Ihr Rücktritt ist da nur konsequent und verständlich.

Ist die Zulassung der Rusada nur noch Formsache?

Wir als Athleten können jetzt nur öffentlich machen, dass wir das Vorgehen nicht gut finden, und für eine Vertagung der Entscheidung plädieren.

Was motiviert die Wada zu der Empfehlung?

Es ist schwer zu sagen, ob das persönliche oder politische Gründe hat. Fakt ist: Man macht sich als Institution unglaubwürdig mit dieser Entscheidung. Für uns fühlt es sich so an, dass die Wada nicht unabhängig ist. Sie hängt in ihrer Arbeit zu viel von Geldgebern ab, auch von Regierungen, die darunter sind.

Silke Kassner, 41, ist stellvertretende Vorsitzende der Athletenkommission. Die ehemalige Kanutin ist auch Mitglied im Aufsichtsrat der deutschen Anti-Doping-Agentur.
Silke Kassner, 41, ist stellvertretende Vorsitzende der Athletenkommission. Die ehemalige Kanutin ist auch Mitglied im Aufsichtsrat der deutschen Anti-Doping-Agentur.

©  Henning Kaiser/dpa

Wie soll sich das ändern?

Wir wünschen uns, dass die Verbände und das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Wada stärker an ihren Gewinnen beteiligen. Wir fordern zehn Prozent der Erlöse. Dafür haben wir uns am Mittwoch auch mit IOC-Präsident Thomas Bach getroffen, um unseren Punkt deutlich zu machen. Die Wada braucht das Geld, damit sie ihren komplexen Aufgaben auch in strukturell schwächeren Ländern nachgehen kann.

Was hängt für saubere Sportler daran?

In Deutschland reden wir in diesen Tagen von einer Spitzensportreform. Es werden Leistungen bewertet, Medaillen gezählt, danach richtet sich die Förderung. Junge Menschen planen aufgrund dessen ihre Lebenswege. Aktuell passiert das mit der Maßgabe, dass die Konkurrenz vielleicht nicht sauber ist. Das ist ein Zustand, der nicht zumutbar ist.

Das Gespräch führte Anne Armbrecht.

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