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Im Viertelfinale trifft Novak Djokovic am Mittwoch auf den Belgier David Goffin.

© imago images / Action Plus

Wimbledon: Novak Djokovic und der Fall Gimelstob

Wimbledon-Finalist Novak Djokovic steht stark in der Kritik. Als Präsident des ATP-Spielerrats setzte der Serbe zuletzt allein seine Interessen durch.

Novak Djokovic ist der Meister der Defensive. Der Weltranglistenerste findet auf dem Tenniscourt auch dann noch einen Ausweg, wenn die Situation aussichtslos erscheint. Deshalb steht er am Ende eines Matches oft als der strahlende Sieger da. In Wimbledon hat der 32-Jährige erneut das Finale erreicht. Dort trifft Djokovic Sonntag auf Roger Federer.

In den Tagen des wichtigsten Tennisturniers der Welt ist der Serbe allerdings auch außerhalb der von ihm so gut beherrschten Londoner Rasenplätze in die Defensive geraten – und gibt dabei alles andere als eine gute Figur ab. Mehrfach kam es auf den Pressekonferenzen nach seinen Matches in Wimbledon zum offenen Schlagabtausch mit Journalisten. Der Grund: Djokovic, Präsident des ATP-Spielerrats, pflegt eine freundschaftliche Beziehung zu Justin Gimelstob. Der 42 Jahre alte ehemalige Tennisprofi ist sein Wunschkandidat als neuer Chef der gesamten ATP, der Organisation für die Tennistour der Männer.

Was die Sache problematisch macht, ist die Tatsache, dass Gimelstob in den USA kürzlich zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, weil er den Mann seiner Ex-Frau mit 50 Faustschlägen verprügelte und schwer verletzte. Gimelstob bestreitet die Vorwürfe gegen ihn nicht, auch weil die Beweislast erdrückend ist. Als schuldig bekannte er sich allerdings nicht. Für Djokovic reichte das offenbar, um an Gimelstob festzuhalten, auch nachdem der Ex-Profi seinen Posten in der ATP Anfang Mai niedergelegt hat. Zehn Jahre hatte der US-Amerikaner zuvor die Interessen der Spieler im sogenannten Direktorenboard mit Erfolg vertreten.

Mittlerweile hat er allerdings bei vielen Profis jeglichen Rückhalt verloren. Stan Wawrinka sagte schon vor einigen Wochen: „Justin Gimelstob wurde wegen Körperverletzung verurteilt. Es kann nicht sein, dass wir derartiges Verhalten tolerieren.“ Und unmittelbar vor Wimbledon legten gleich vier der zwölf Profis im Spielerrat ihre Ämter nieder. Novak Djokovic ficht all das nicht an. Er sei weiter mit Gimelstob befreundet, habe ihn auch kürzlich in London getroffen, sagte er. Allerdings musste der Serbe zugeben, die Gerichtsunterlagen gar nicht zu kennen. Er kündigte an, sie lesen zu wollen und sagte: „Falls Justin schuldig gesprochen wird, ändert dies alles.“

Weitere Nachfragen zum Thema hat sich Djokovic inzwischen verbeten. „Ich werde mich dazu und zu politischen Fragen nicht mehr äußern. Jetzt steht Tennis im Fokus“, sagte er nach seinem Drittrundensieg vergangene Woche. Da war der Schaden jedoch bereits angerichtet. Vor allem die Unkenntnis zu den Details des Falles und die einseitige Parteinahme für Gimelstob verwunderte viele Beobachter. Das Thema dürfte Djokovic noch weiter begleiten, zumal seine große Rivalen Roger Federer und Rafael Nadal eine ganz andere Haltung vertreten. Von vornherein hatten sie nicht verstanden, warum der Vertrag des populären ATP-Chefs Chris Kermode nicht verlängert werden sollte. Da die beiden Topstars aber kein Amt mehr im Spielerrat bekleiden, konnten sie nichts ausrichten und mussten mitansehen, wie Djokovic seine Interessen durchsetzte.

Nun allerdings ist es in der Sache Gimelstob sehr einsam um die Nummer eins geworden. Djokovic steht zur Abwechslung auch mal außerhalb des Platzes mit dem Rücken zur Wand. Er muss jetzt zeigen, ob er sich ähnlich gut wie in einem Tennismatch aus einer misslichen Situation befreien kann.

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