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Vergeblich gestreckt. Angelique Kerber verpasst ihren ersten Sieg in Wimbledon.

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Update

Wimbledon-Finale gegen Serena Williams: Kerber machtlos gegen das Aufschlaggewitter

In einem gutklassigen Wimbledon-Finale ist Angelique Kerber fast chancenlos gegen Serena Williams, weil die überragend spielt - und sich endlich einen Rekord verdient.

Angelique Kerber kann sich noch gut daran erinnern, wann sie daheim im Kieler Stadtteil Kronshagen ihre ersten Wimbledonfinals im Fernsehen geschaut hatte. Sie ging noch zur Grundschule, aber Tennis gehörte da längst zu ihrem Alltag. Ihre Eltern Beata und Slawek Kerber betreiben bis heute das Tennis-Center Kiel und wohnten damals noch über der Gastronomie der Halle. Angelique brauchte von ihrer Wohnungstür aus nur zweimal umfallen, dann stand sie schon mitten auf dem Tennisplatz. Und der wurde schnell ihr Zuhause und Wimbledon eine fixe Idee. "Es wirkte alles ganz besonders, weil alle in Weiß spielten", erzählte Kerber, "und als ich dann selbst Tennisprofi wurde, wollte ich da unbedingt spielen. Und ich habe immer davon geträumt, einmal im Finale von Wimbledon zu stehen." Der Traum hat sich für die inzwischen 28-Jährige nun erfüllt, dabei war es mit ihr und dem heiligen Rasen des altehrwürdigen All England Clubs dann doch nicht Liebe auf den ersten Blick gewesen wie bei Sabine Lisicki, die 2013 im Endspiel stand. Der Untergrund fühlte sich für Kerber zwar sofort natürlich an, jedoch "habe ich hier über die Jahre einige schwere Matches gehabt", sagt Kerber, "deshalb ist Wimbledon für mich sehr speziell. Und es ist für mich jetzt umso besonderer, dass ich nach all den Niederlagen und den harten Erfahrungen endlich ins Finale gekommen bin."

Und Kerber ließ an ihrem großen Tag dann auch ihr ganzes Herzblut auf dem Centre Court, doch gegen Serena Williams reichte selbst ihre starke Leistung nicht ganz aus, um die erste deutsche Wimbledonsiegerin seit Steffi Graf vor 20 Jahren zu werden. Kerber spielte lange auf Augenhöhe, aber Williams gewann diese kämpferische Partie auf hohem Niveau mit 7:5 und 6:3. Die Weltranglistenerste versenkte ihren ersten Matchball nach 81 Minuten per Volley am Netz und ließ sich dann rücklings auf den Rasen fallen. Einen Moment lang blieb die 34-Jährige Amerikanerin dort ausgestreckt liegen, sie hatte ihren Dämon endlich vertrieben. Dieses Mal flatterten ihr nicht die Nerven, wie noch bei den vergangenen drei Grand Slams. Da hatte der immense Druck, mit ihrem 22. Major-Titel Geschichte schreiben zu können, völlig eingeschnürt. Nun meldete sich Williams bei diesem Turnier so gnadenlos dominant zurück, wie man sie während des letzten Jahrzehnts meist erlebt hatte. Mit dem Sieg über Kerber gewann sie ihren siebten Wimbledontitel und egalisierte gleichzeitig den Rekord von Steffi Grafs 22 Grand-Slam-Siegen. "Es ist ein tolles Gefühl", freute sich die sichtlich erleichterte Williams, "es war unglaublich schwer, nicht über die 22 nachzudenken. Und zweimal bin ich in diesem Jahr schon gescheitert, aber das fühlt sich fantastisch an." Williams gewann keine fünf Stunden später mit ihrer Schwester Serena auch die Doppel-Konkurrenz.

Am Ende bleibt nur die Gratulation für die Siegerin. Serena Williams hat damit Steffi Graf in Sachen Grand-Slam-Titel eingeholt.
Am Ende bleibt nur die Gratulation für die Siegerin. Serena Williams hat damit Steffi Graf in Sachen Grand-Slam-Titel eingeholt.

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Kerber verdrückte ein paar Tränen, als sie ihrer Kontrahentin gratulierte. "Serena, du hast verdient gewonnen, und es ist mir immer eine große Ehre, ein Finale gegen dich zu spielen. Gut gemacht!" Bei ihrem letzten Duell bei den Australian Open hatte Kerber die Favoritin noch gestürzt. Und damals hatte sie es sich und allen Kritikern endlich bewiesen. Kerber brauchte für Vieles in ihrer Karriere etwas mehr Zeit, doch an den Rückschlägen ist sie gewachsen. Sie überwand das Tief bei den French Open und erkämpfte sich in Wimbledon ihr Selbstvertrauen wieder zurück.

„Ich glaube, ich bin jetzt wirklich angekommen in der Weltspitze“, sagte Kerber, die nun wieder Weltranglistenzweite ist. „Ich weiß, dass ich noch weitere Finals spielen werde.“ So selbstbewusst agierte sie auch während der Partie gegen Williams. Sie ging vom ersten Punkt an bissig in die Grundlinien-Rallyes und rannte bedingungslos jedem Ball hinterher. „Ich kann mir nicht viel vorwerfen“, sagte Kerber. „Ich war nicht diejenige, die das Match verloren hat, sie hat es gewonnen.“

Kerber ist eine der besten Konterspielerinnen der Tour und so fit wie kaum eine andere. Doch Kerber reagierte mehr, und spielte etwas zu defensiv. Sie verlangte Williams alles ab, im ersten Satz ließ die Amerikanerin jedoch keinen Breakball zu. Kerber dagegen wackelte lange nicht bei ihrem Schwachpunkt, dem Aufschlag. Erst beim Stand von 5:6 wurde der Druck zu groß und Williams holte sich den Satz.

Die 15.000 Zuschauer auf dem Centre Court begeisterte die furiose Partie, und sie bedachten besonders Kerber immer wieder mit tosendem Applaus. Sie spürten, wie sehr die Deutsche diesen Sieg wollte, wie leidenschaftlich sie sich wehrte. Beim Stand von 3:3 erkämpfte sich Kerber einen Breakball - ihren ersten und letzten. Williams wehrte ihn trocken mit einem krachenden Ass ab. Kerber war machtlos, wie so oft an diesem Nachmittag gegen das knallharte Aufschlaggewitter der Amerikanerin. "Serena hat einfach unglaublich aufgeschlagen heute", musste Kerber eingestehen. Reihenweise schlugen die Bälle mit 200 km/h im Feld ein, kein Aufschlag ist bei den Frauen so hart und so schwer lesbar, wie der von Williams. Es war nichts zu machen. Mit einer innigen Umarmung gratulierte dieses Mal Kerber der besseren Spielerin und die bedankte sich mit warmen Worten: "Ich liebe es, gegen Angie in Finals zu spielen. Sie bringt mich immer dazu, mein bestes Tennis zu spielen. Und sie ist zudem einfach eine ganz wunderbare Person."

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