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Ausreißertyp. Simon Geschke (vorne) fährt vor Simon Yates her.

© Christian Hartmann/Reuters

Wer neben Buchmann noch bei der Tour glänzt: Tour d'Allemagne

Erstmals seit 2006 hat mit Emanuel Buchmann wieder ein deutscher Fahrer Chancen auf den Gesamtsieg. Drei weitere überzeugen ebenfalls.

Jetzt kommt es darauf an. Der Weg nach Paris ist nicht mehr weit, führt aber durch die gefürchteten Höhen der französischen Alpen. Diese vier deutschen Fahrer überzeugten bislang und wollen in den letzten Tagen der Tour de France nochmal ihre Klasse beweisen. Emanuel Buchmann kann sogar noch das Gelbe Trikot holen, Lennard Kämna vor allem sein Talent zeigen. Simon Geschke hofft auf eine Ausreißergruppe, während Roger Kluge für seinen Kapitän Caleb Ewan die Sprints anziehen soll. Ein Überblick über Aussichten und Chancen der vier deutschen Radprofis.

Der Siegertyp
Emanuel Buchmann fährt bei dieser Tour de France mit den Besten mit. Er wirkt in den Bergen stärker als Titelverteidiger Geraint Thomas und gleichauf mit dessen Ko-Kapitän Egan Bernal. Nur der Franzose Thibaut Pinot ist noch ein bisschen besser. "Die da vorn sind schon f...ing gut", meinte Thomas anerkennend und auch schon ein wenig verzweifelt über das Trio. Würde die Tour de France allein in den Bergen entschieden, wäre Buchmann - vorausgesetzt, er behält seine jetzige Form auch in den Alpen - ganz sicher auf dem Podium.

Der Sohn eines Schreiners aus Ravensburg hat sich Schritt für Schritt entwickelt. Als Tourdebütant fuhr er 2015 auf Platz 3 bei einer Etappe über den Tourmalet, damals noch als Ausreißer. Zwei Jahre später hielt er sich bereits im Favoritenfeld auf, wurde guter 15. Damals studierte er die Konkurrenz am letzten Berg allerdings meist von hinten. Jetzt mustert er die Rivalen von der Seite, oft auch von vorn. Seine gewachsene physische Stärke ist mit Selbstbewusstsein gepaart. "Die anderen fahren auch alle am Limit", sagte er dem Tagesspiegel. Und er konstatierte frech: "Manche fahren schon eine halbe Stunde im roten Bereich, ich musste bisher nur ein paar Minuten dort rein." Buchmann leitet daraus noch nicht ab, dass er der Größte und Stärkste sei. Aber er weiß, dass er zu ihnen gehört, dass ihm deshalb in diesem Jahr das Podium winkt und in den nächsten Jahren vielleicht sogar der Toursieg. Konzentriert bleiben und nicht abheben lautet seine Devise.

Der Neuling
So weit wie Buchmann ist Lennard Kämna noch nicht. So weit wie Buchmann vor vier Jahren aber schon. Der Bremer bestreitet jetzt seine erste Tour de France - und auch er verblüffte mit seiner Performance in einer Ausreißergruppe in den Pyrenäen. Kämna wurde am Sonntag Tagessechster, überholt unter anderem von Buchmann und Bernal. "Es war ein besonderes Erlebnis, dort in den Bergen inmitten der Großen zu sein", sagte der Sunweb-Profi Tagesspiegel. Kämna war so gut, dass er an diesem Tag im Rennen nicht einmal Geraint Thomas sah. Der Titelverteidiger passierte 19 Sekunden nach Kämna den Zielstrich. Der einstige Vizeweltmeister im U23-Bereich - damals war Kämna knapp 21, einer der Jüngeren also - gilt seit Jahren als großes Rundfahrttalent. Er kann Zeitfahren - besser als Buchmann - und klettern.

Bei seiner ersten Tour hält er den Ball aber noch flach. "Ich bin noch kein Rundfahrer, ob ich einer werden kann, entscheidet sich auch bei dieser Tour", sagte er Tagesspiegel. Wie verkraftet sein Körper die dreiwöchigen Strapazen, wie regeneriert er sich, wie frisch bleibt er auch im Kopf? Kämna hat das Glück, bei seiner ersten Tour gleich viele Freiheiten zu haben, denn einen echten Kapitän gibt es bei Sunweb in diesem Jahr nicht. Er nutzt sie zu Ausreißergruppen. Heute, auf der Etappe vom römischen Viadukt Pont du Gard nach Gap, ist erneut solch eine Gelegenheit. Sein Motto: Gucken, lernen, ausprobieren.

Der Ausreißerroutinier
Die heutige Etappe nach Gap hat sich auch Simon Geschke fett angestrichen. Der 33-jährige Berliner ist ein Ausreißerspezialist vor allem für die schweren Etappen. Wie Kämna versuchte er es auf der Etappe nach Foix. Er hielt sogar noch länger mit mit dem späteren Tagessieger Simon Yates. Gemeinsam mit dem Vuelta-Sieger 2018 hielt er die große Fluchtgruppe hinter sich in Schach. Am letzten Anstieg aber musste er passen. Yates ließ ihn stehen. Und Geschke rackerte - auch angesichts der immer näher kommenden Favoritengruppe - nicht mehr um Platz 2 oder 3. Er will das Maximum, den Etappensieg. Und er braucht ihn auch für sein bisher nur mäßig erfolgreiches Team CCC. Seine Devise lautet: An einem Tag alles richtig machen.

Der Anfahrer
Der gebürtige Eisenhüttenstädter Roger Kluge ist mit 1,92 Meter einer der Längsten im Feld. Und er kümmert sich um einen der Kleineren. Caleb Ewan misst 27 Zentimeter weniger. Der Australier ist ein explosives Kraftpaket, das der Hüne Kluge erst lange aus dem Wind halten und dann so im Finale platzieren soll, dass Ewan Siege holt. Kluge, obwohl Weltmeister und Vizeolympiasieger auf der Bahn, fühlt sich auf der Straße mit seinem Job als Bodyguard für Ewan vollends zufrieden. Er steckte auch weg, dass der Erfolg auf sich warten ließ. Ewan wurde zwei Mal Dritter, dann Zweiter, dann wieder Dritter. Als endlich der Sieg kam, wurden die Augen von Kluge feucht vor Glück. Der Erfolg der anderen ist sein schönstes Erlebnis bei dieser Tour.

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