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Sie nennen ihn immer noch „Icke“. Häßler wird geschätzt bei Berlin United. Sein Vertrag läuft noch bis 2020.

© Matthias Koch/Imago

Weltmeister in der Landesliga: Thomas Häßler gibt alles für sein großes Ziel

Der Welt- und Europameister aus dem Wedding ist Trainer in der siebten Liga, will mit Berlin United in den Profifußball. Für ihn zählt dabei nur eins.

Thomas Häßler hat momentan viel zu tun. Vor zwei Wochen war er mit Lothar Matthäus in Schanghai und trainierte mit dortigen Jugendmannschaften, vor wenigen Tagen war er dann zu Gast bei einem Berliner Radiosender und am Sonntag ist er Teil einer Werbekampagne des DFB für die deutsche EM-Bewerbung. „Icke“, wie er auch fast 15 Jahre nach seinem Karriereende als Profifußballer genannt wird, ist immer noch ein gefragter Mann – und das weiß er auch. Gehört halt dazu als Welt- und Europameister. Seine Lieblingsbeschäftigung sind solche Termine dennoch nicht. „Die Hauptsache ist der Fußball. Dass ich auf dem Platz bin, ist das Wichtigste für mich“, sagt Häßler. „Ich liebe den Duft des Rasens. Die Bälle fliegen herum und die Tore stehen bereit. Fußball hat mein Leben bestimmt und solange ich gesund bleibe, möchte ich das auch weiterhin machen.“

Seit zwei Jahren geht der 52 Jahre alte Weddinger seiner Leidenschaft wieder in seiner Heimat nach. Im Sommer 2016 begann er als Trainer bei Club Italia, achte Liga. Ein Aufstieg und eine Fusion später will er mit dem Verein, der nun Berlin United heißt, weiter nach oben. Viel weiter. Irgendwann soll es in den Profifußball gehen, in dieser Saison heißt das Ziel aber erst mal Aufstieg in die Berlin-Liga. Nach vier Spieltagen sieht es für Häßler und seinen Klub gut aus. Zwölf Punkte, Tabellenführer. Kann sich sehen lassen. Am Sonntag (14 Uhr) soll der nächste Sieg folgen. Der Berliner Fußball-Verband hat das Heimspiel am Spandauer Damm gegen Fortuna Biesdorf für eine Werbekampagne ausgewählt. Passt schließlich, ein Europameister für die EM-Bewerbung 2024.

Durch eine Fusion wurde aus Club Italia Berlin United

Häßler versucht all die Nebengeräusche auszublenden, bei ihm steht der Fußball im Mittelpunkt. „Wir haben eine neue Mannschaft mit tollen Charakteren. Es freut mich, mit so einer grandiosen Truppe zusammenzuarbeiten“, sagt Häßler. Berlin United ist in der Landesliga der große Favorit und das nicht ohne Grund. Mit Lennart Hartmann, immer noch jüngster Spieler in Herthas Bundesliga-Geschichte, und dem ehemaligen Drittligakicker Kevin Kruschke trainiert Häßler zwei ehemalige Profis. Dazu kommen mehrere Spieler mit Regionalliga-Erfahrung.

„Wir haben die Ambitionen, so schnell wie möglich hochzukommen. In diesem Umfeld und mit solchen Möglichkeiten zu arbeiten, ist wunderbar", sagt Häßler, warnt aber vor Überheblichkeit. „Wir müssen die siebte Liga richtig annehmen. Es wird schwer genug. Wenn wir nicht immer an unsere Leistungsgrenze gehen, bekommen wir Schwierigkeiten.“

Deshalb erwartet Häßler auch im Training vollen Einsatz. Dreimal pro Woche fordert er sein Team – und auf eine Sonderbehandlung sollten auch die für den Amateurfußball großen Namen nicht hoffen. „Keiner kann sich sicher sein, dass er im nächsten Spiel aufgestellt wird“, sagt Häßler. Der größte Unterschied zum Profifußball ist für ihn die Kadergröße. „Während bei den Profis 25 bis 30 Leute dabei sind, hast du bei den Amateuren im Training manchmal nur sechs Spieler.“

Bei Berlin United geht es aber auch diesbezüglich schon deutlich professioneller zu. „Jetzt haben wir im Durchschnitt 16 Leute beim Training. Wir haben eine Truppe mit einer tollen Mentalität.“ Was ihm besonders wichtig ist: „Die Mannschaft hasst es zu verlieren.“

Häßler ist schon seit zwölf Jahren Trainer

Das gilt auch für Häßler selbst. Erst in seiner aktiven Karriere, die er zum Großteil beim 1. FC Köln, AS Rom, Karlsruher SC und 1860 München verbrachte. Und seit 2006 als Trainer. An die Erfolge als Spieler konnte er dabei noch nicht anknüpfen. Er arbeitete als Assistent beim 1. FC Köln, mit Berti Vogts in Nigeria und dann im Iran. Spaß macht es ihm dennoch. Fußball ist schließlich Fußball, ob erste oder siebte Liga.

Mit Berlin United soll es trotzdem so schnell wie möglich nach oben gehen. Vereinsgründer und Vorsitzender ist Stefan Teichmann. Der Projektmanager überzeugte den damaligen Präsidenten von Club Italia, Giovanni Bruno, von einer Zusammenarbeit. Der noch junge Verein Berlin United, der bis dahin nur aus Jugendmannschaften bestand, fusionierte mit Club Italia. „Ich bin sehr zufrieden mit dem, was in den letzten acht Monaten passiert ist“, sagt Häßler. Der Verein will sich von den vielen hiesigen Klubs abheben und für Berlin und Brandenburg stehen. Bär und Adler sind zusammen mit dem Brandenburger Tor im Wappen abgebildet. Damit soll der Klub auch für zahlungskräftige Sponsoren interessant werden.

Ambitionierte Projekte gab es in Berlin in den vergangenen Jahren schon viele, die meisten waren nach ein paar Jahren schon wieder Geschichte. Auch Club Italia hat damit leidvolle Erfahrung gemacht. Bei Berlin United soll das anders laufen. RB Leipzig in klein, könnte man meinen. „Den Vergleich mit Leipzig kann man teilen“, sagt Thomas Häßler auf Nachfrage. „Wir hoffen natürlich, eine ähnliche Erfolgsgeschichte zu schreiben. Es wäre schließlich nicht das erste Mal im Fußball.“

"Wir wollen langfristig in den bezahlten Fußball“

Irgendwann will Berlin United hinter den etablierten Vereinen Hertha BSC und 1. FC Union die Nummer drei in Berlin werden. Das haben sich schon viele Klubs vorgenommen, gelungen ist es bisher niemandem. Deshalb warnt Häßler: „Das ist aktuell noch Wunschdenken. Wir können nicht erwarten, dass wir in den nächsten Jahren immer aufsteigen und in die Dritte Liga reinrennen. Es wird auch mal Rückschläge geben. Aber ja, wir wollen langfristig in den bezahlten Fußball.“

Häßler soll ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu diesem Ziel sein. Sein Vertrag läuft bis 2020 und bis dahin profitiert der Verein nicht nur von seiner fußballerischen Erfahrung, sondern auch von seiner Anziehungskraft auf Sponsoren und Medien. „Mir macht dieses Projekt sehr viel Spaß“, sagt Häßler. „Wenn wir erfolgreich sind, kann die Zusammenarbeit bestimmt auch über 2020 hinaus fortgesetzt werden. Aber zunächst müssen wir unsere Aufgaben erfüllen.“

Dazu gehört in näherer Zukunft vor allem der Aufstieg in Berlins höchste Spielklasse. Die vergangene Saison mit Club Italia lehrte Häßler aber, dass es nicht immer nur voran geht. Ein Sponsor sprang ab und einige Spieler verließen aufgrund der ausbleibenden Zahlungen den Verein. „Knapp ein halbes Jahr war zum Vergessen“, sagt Häßler. Mit den neuen Strukturen bei Berlin United soll so etwas nicht noch einmal passieren. Dafür nimmt Thomas Häßler auch den ein oder anderen Werbetermin gerne auf sich.

Sven Noack

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