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Lars Windhorst will mit Hertha weiter nach oben.

© dpa

Weitere 150 Millionen Euro von Lars Windhorst: Hertha BSC kommt plötzlich neureich daher

Hertha BSC darf mit weiteren 150 Investor-Millionen von Lars Windhorst rechnen – am Deal sind nur noch Details zu klären.

Zwei Dinge lassen sich Lars Windhorst nun wirklich nicht nachsagen; dass er auf seinem Geld sitzen würde und nicht mutig wäre. Der 43 Jahre alte Unternehmer ist vor knapp einem Jahr mit der von ihm gegründeten Tennor Holding B.V. als Großinvestor beim Fußball-Bundesligisten Hertha BSC eingestiegen. In zwei Tranchen erwarb er für insgesamt 224 Millionen Euro exakt 49,9 Prozent der Anteile an der Hertha BSC GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien (kurz KGaA). Nun wird er weitere 150 Millionen Euro in den Verein investieren. Dem Vernehmen nach stockt er dadurch seine Anteile auf rund 60 Prozent auf.

„Ich kann bestätigen, dass wir uns in Gesprächen befinden, das ist richtig“, sagte Michael Preetz am Donnerstag. Was Herthas Geschäftsführer Sport allerdings nicht bestätigen konnte, ist der finale Abschluss. „Es empfiehlt sich auch hier, erst dann über die Dinge zu sprechen, wenn sie unterschrieben sind“, sagte Preetz mit gefalteten Händen.

Der 50+1-Regel würde Windhorsts künftige Kapitalmehrheit nicht widersprechen

Wie der Tagesspiegel erfuhr, haben die entsprechenden Gremien Herthas, also das Präsidium und der Beirat, dem Deal grundsätzlich zugestimmt, allerdings müssten noch die Details ausverhandelt werden.

Wenn der neue Vertrag zum Abschluss gebracht ist, würde das bedeuten, dass die Kapitalmehrheit an der Hertha KGaA künftig außerhalb des Vereins liegen würde, nämlich bei Windhorst und seiner Tennor Holding. Grundsätzlich würde das auch nicht der im deutschen Profifußball geltenden „50+1-Regel“ widersprechen. Nach dieser Vorschrift ist es Investoren oder Kapitalanlegern nur nicht erlaubt, die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die viele Fußballvereine, wie auch Hertha, ihre Profimannschaften ausgegliedert haben. Erlaubt ist hingegen, dass sich die Mehrheit des Kapitals im Eigentum privater Investoren befindet.

Durch die Millionen-Investitionen von Windhorst, der einst als „German Wunderkind“ den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl auf Wirtschaftsreisen nach Asien begleitete und zwischenzeitlich auch mit dem Gesetz in Konflikt geriet, kommt Hertha wie ein neureicher Verein daher.

Und das bei dieser Vorgeschichte. Der Klub, der über Jahrzehnte hinweg an der Liquiditätsgrenze taumelte und selbst in sportlich erfolgreichen Jahren aus eigener Kraft so gut wie nie Gewinne erwirtschaften konnte, durchlebt die Coronavirus-Pandemie ziemlich robust.

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Dass Hertha vergleichsweise gut dasteht, „hat ganz viel mit der strategischen Partnerschaft mit der Tennor-Gruppe zu tun, das ist der entscheidende Faktor“, hatte Herthas Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller vor wenigen Tagen auf der virtuellen Mitgliederversammlung des Vereins gesagt.

Viele andere Vereine im bezahlten Fußball sind durch die neunwöchige Spielunterbrechung ins Schleudern geraten, nicht wenige sind nach eigener Auskunft von der Insolvenz bedroht. Gewaltige Mindereinnahmen aus TV-Vermarktung und Ticket-Einnahmen haben die Branche merklich erschüttert.

Genau das scheint für Windhorst der rechte Moment zu sein, um zuzuschlagen. „Die Naturgesetze der Wirtschaft werden auch jetzt automatisch greifen“, sagte er unlängst in einem Interview. Windhorst dürfte darauf setzen, dass sich im Zuge der Coronavirus-Pandemie die gesamte Branche etwas herunterkühlt, was insbesondere die bisweilen exzessiven Transfersummen und üppigen Spielergehälter anbelangt. Das Geld ist knapp bei großen Teilen der Konkurrenz. Wer jetzt sein Geld klug und antizyklisch anlegt, kann sich einen Vorteil verschaffen. Sprich, einen Kader zusammenstellen, der unter normalen Umständen nicht finanzierbar wäre.

Möglicherweise kann Hertha das Geld schon im Sommer investieren

Offen ist, wann das das frische Kapital fließen wird. Von vor dem Herbst ist da die Rede, womöglich aber auch früher. Also rechtzeitig, um in der Transferperiode im Sommer aktiv zu werden.

Sportlich hat Hertha sich unter dem vierten Trainer der Saison, Bruno Labbadia gefangen und der größten Abstiegssorgen entledigt. In den vier Spielen seit dem Re-Start der aktuellen Spielzeit holte der Klub zehn von zwölf möglichen Punkten. Und auch am kommenden Samstag, wenn Hertha beim Tabellenzweiten Borussia Dortmund antritt, ist Labbadias Mannschaft nicht chancenlos. Doch so gut der sportliche Trend bei Hertha momentan auch sein mag, im Hintergrund läuft bereits die Kaderplanung für die kommende Spielzeit. Die Verträge einiger Spieler laufen aus, andere Spieler, die bei Hertha noch länger unter Vertrag stehen, sind ausgeliehen. Bei aller Schwierigkeit, den Trainermarkt derzeit belastbar bewerten zu können, wird es zu Bewegungen kommen.

Hertha verfügt über einsetzbares Kapital. Noch aus dem ersten Deal mit Windhorst, und noch mehr nach einem zweiten. Bei einer dann anzunehmenden 60:40-Aufteilung der Kapitalanteile würde sich allenfalls die Gewinnaufteilung für Hertha als kleineren Partner negativ auswirken. Bisher konnte Hertha keinen wirtschaftlichen Gewinn erwirtschaften. Fußballvereinen ging es eigentlich nur um Maximierung des sportlichen Erfolgs. Dem ehemaligen Vorstandschef des Hamburger SV, Bernd Hoffmann, wird die Aussage zugeschrieben, das Ziel des Profifußballs sei größtmöglicher sportlicher Erfolg bei Vermeidung der Insolvenz. Ein Übel, das gerade in diesen Zeiten vielen Klubs auf die Füße fällt.

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