zum Hauptinhalt
Jens Redlich weiß nichts davon, dass er zurückgetreten ist.

© imago images / Matthias Koch

Update

Vorstandschef Redlich nicht mehr im Amt: Putschversuch oder Übernahme bei Tennis Borussia?

Der Berliner Oberligist teilt mit, Jens Redlich sei zurückgetreten. Doch der weiß nichts von seinem Rücktritt. Es ist eine Revolution durch die Fans.

Machtwechsel bei Tennis Borussia: Wie der Verein am Dienstagabend mitteilte, hat der Aufsichtsrat des Fußball-Oberligisten den 71 Jahre alten Günter Brombosch zum neuen Vorstandsvorsitzenden und Steffen Friede zum Vorstand bestellt. Zuletzt bestand das Leitungsgremium mit Jörg Zimmermann nur noch aus einer Person. Brombosch sei dem Verein "seit über einem halben Jahrhundert verbunden". Die Amtszeit des kommissarischen Vorstands Andreas Voigt habe mit der außerordentlichen Mitgliederversammlung im Januar geendet, Michael Scholich und Jens Redlich seien vorzeitig zurückgetreten, heißt es.

Das klingt bezogen auf Redlich überraschend, war er doch bislang der mächtige Mann im Verein. Und ist es seiner Meinung nach immer noch: "Ich bin nicht zurückgetreten. Das stimmt alles nicht. Wir werden das alles rechtlich prüfen lassen", sagt Redlich, der sich momentan im Urlaub in den USA befindet, dem Tagesspiegel. Die Verwirrung ist komplett! Es gibt damit ein neues und höchst kurioses Kapitel im Dauerzwist zwischen Redlich und Teilen der Fanszene – vor allem der Abteilung Aktive Fans (TBAF). Es ist eine Revolution durch die Fans.

Redlich war 2016 mit seiner Fitnessstudiokette zunächst als Hauptsponsor beim Verein eingestiegen, übernahm ein dreiviertel Jahr später das Amt des Vorstandsvorsitzenden. Er hat nach eigenen Angaben gut 2,5 Millionen Euro in TeBe investiert.

Auch die Personalie Steffen Friede lässt aufhorchen: Er war zu Redlichs Amtszeit Leiter der Geschäftsstelle und wurde entlassen. Vorwurf: Er habe Geld ausgegeben, das er nicht hätte ausgeben dürfen. Der Fall landete vor Gericht und endete mit einem Vergleich. Der Verein musste die Vorwürfe zurücknehmen und auf der Webseite öffentlich bedauern.

"Nach intensiven juristischen Prüfungen und vielen Gesprächen im Verein haben wir uns zu dieser Nachbesetzung entschlossen. Uns war wichtig, dass zum Start der neuen Saison und des neuen Geschäftsjahres der Vorstand wieder satzungsgemäß besetzt und der Verein handlungsfähig ist", wird die Aufsichtsratsvorsitzende Franziska Hoffmann in der Mitteilung zitiert. "Den ausgeschiedenen Vorständen danken wir für ihren bisherigen Einsatz. In neuer Form arbeiten wir gerne auch in Zukunft mit ihnen zusammen."

"Entbehrt jeder Grundlage"

Am Abend erschien dann eine Erklärung auf der Webseite des Vereins, Absender ist "die Mehrheit des Aufsichtsrates, der komplette Vorstand und der Ältestenrat". Darin ist von einem „Putschversuch“ der beiden Aufsichtsratsmitglieder Christian Gaebler und Franziska Hoffmann die Rede. Und: Die Meldung, Redlich sei zurückgetreten, "entbehrt jeder Grundlage und ist schlichtweg falsch".

Laut Vereinsregister - in dem Redlichs Name nicht mehr steht - fand die Neubestellung des Vorstands schon am vergangenen Mittwoch statt, wurde allerdings auch dem bisherigen Vorstand erst am Dienstagvormittag auf der Geschäftsstelle mitgeteilt, der Platzwart öffnete die Räumlichkeiten. Auch Geschäftsführer Voigt war vor Ort. Zeugen berichten, dass mehrere Personen Kisten mit unbekanntem Inhalt aus der Geschäftsstelle herausgebracht hätten. Im Laufe des Tages kam es auch zu einem Polizeieinsatz. Am Nachmittag wurden die Schlösser in der Geschäftsstelle ausgetauscht.

Der neue Vorstandsvorsitzende Günter Brombosch (r.) und Steffen Friede, der ebenfalls neu im Vorstand ist.
Der neue Vorstandsvorsitzende Günter Brombosch (r.) und Steffen Friede, der ebenfalls neu im Vorstand ist.

© promo

Wie genau die Änderung im Vereinsregister vonstatten ging, will der neue Vorstand momentan nicht mitteilen. "Mehr möchten wir zu dieser Angelegenheit derzeit nicht sagen. Wir bemühen uns um persönliche Gespräche mit den Beteiligten. Möglicherweise steht uns auch ein Rechtstreit bevor. Aber wir sind der Meinung, dass wir im Recht sind", so Tobias Schulze von TBAF, der den neuen Vorstand in Pressefragen berät.

"Keine Hau-Ruck-Aktion"

Schulze sagt weiter, dass das alles "keine Hau-Ruck-Aktion war, sondern über einen langen Zeitraum geplant". Schon kurz nach der völlig aus dem Ruder gelaufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung Ende Januar, die bundesweit hohe Wellen schlug, habe es die ersten juristischen Prüfungen gegeben.

Das Verhältnis zwischen Redlich und vor allem TBAF hatte sich bereits im Vorfeld kontinuierlich verschlechtert. Autokratischer Führungsstil, so lautete ein Vorwurf der Anhänger. Zur Eskalation kam es dann bei der Versammlung. Diese sei eine Farce gewesen, empörten sich viele Anhänger. Sie warfen Redlich vor, er habe zahlreiche Leute in den Verein eintreten lassen, die überhaupt nichts mit TeBe zu tun haben, um sich eine Mehrheit bei den Wahlen der neu zu besetzenden Posten im Aufsichtsrat zu sichern. Der Vorstandschef bestritt das.

So geht es nicht weiter, entschieden sie danach bei TBAF und boykottierten die Spiele des Oberligateams. In der viel beachteten Aktion "Caravan of Love" - die vom Magazin "11Freunde" sogar zur "Fanaktion des Jahres" gekürt wurde“ - reisten die Fans durch Berlin und Deutschland, schauten sich auch Tischtennis und Wasserball an und unterstützen mal ganz andere Teams.

Sonntag bei Tasmania

Das Fan-Exil soll nun beendet sein. Zumindest für Schulze - und er rechnet damit, dass auch viele andere Mitglieder von TBAF am Sonntag in den Werner-Seelenbinder-Sportpark kommen. Dann findet das erste Saisonspiel von TeBe beim Aufsteiger SV Tasmania statt. "Ich freue mich riesig auf Sonntag. Das wird einfach schön", sagt Schulze.

Zur Startseite