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Leroy Sane beim Training mit dem Nationalteam in Berlin.

© Büttner/dpa

Vor den Länderspielen in Holland und Frankreich: Leroy Sané: Auf einmal wichtig

Zur Weltmeisterschaft in Russland durfte der Profi von Manchester City nicht mit. Jetzt soll der Offensivspieler dem Nationalteam neuen Schwung geben

So, wie sich Leroy Sané oben auf dem Podium gibt, erinnert er ein wenig an ein Schulkind. Genauer gesagt an eins, das liebend gern ganz woanders wäre, vielleicht auf einem Bolzplatz mit dem Ball am Fuß. Doch der 22-jährige Fußballprofi von Manchester City sitzt als Nationalspieler vor drei Dutzend Journalisten, die allerhand wissen wollen von ihm, von einem, der trotz seines unübersehbaren Talents von Joachim Löw nicht zur Weltmeisterschaft mitgenommen wurde, obwohl er in der Premier League zum besten Nachwuchsspieler gewählt worden war. Insofern wird der vermaledeite WM-Sommer indirekt mit seinem Namen verbunden bleiben, auch wenn er dafür am allerwenigsten kann. Nun soll ausgerechnet er der angeschlagenen deutschen Nationalmannschaft Frische und Leichtigkeit zurückbringen.

„Klar war ich enttäuscht, dass ich bei der WM nicht dabei war“, sagt Sané. Aber das sei verarbeitet. Er ist ungeübt in solchen Eins-zu-eins mit Journalisten. In einer Mischung aus Unsicherheit und Gelangweiltheit kippelt er mit seinem Oberkörper im Stuhl. Wenn er mal nicht spricht, stützt er sein Gesicht in die Hand seines linken Arms. Ein anderes Mal fummelt er unter dem Tisch am Ärmel seiner blauen Trainingsjacke.

„Bisher hat es noch nicht so funktioniert mit mir in der Nationalelf, aber ich arbeite daran, dass ich taktisch besser reinpasse“, sagt Sané. Noch im Sommer, als Löw seinen vorläufigen WM-Kader zusammenstrich, wirkte Sané bei all seiner Begabung dem Bundestrainer in seinem fußballerischen Tun offenbar zu diffus. Löw ließ Sané weg. Was dem Bundestrainer deutliche Kritik einbrachte und gerade in England Kopfschütteln hervorrief. Nach Meinung vieler Experten hatte der Bundestrainer sich mit dem Verzicht auf den des darufgängerischen Tempodribbler einer Waffe beraubt. Andererseits hatte Sané in den Testländerspielen gegen Brasilien und Österreich alles andere als Werbung in eigener Sache betreiben können.

Nasen-OP statt Confed-Cup

Im Sommer 2016 war es Manchester City 50 Millionen Euro wert, Sané dem FC Schalke abzujagen. Zwischen dem Sommer 2017 und 2018 spielte er im Team von Pep Guardiola eine fantastische Runde, Sané gelangen zehn Tore, 15 weitere bereitete er vor. Das war der zweitbeste Wert ligaweit. Der Verzicht Löws muss wohl auch andere Gründe gehabt haben, was der Bundestrainer hinterher jedoch bestritten hat. Vielleicht hatte Löw nicht vergessen, dass Sané im Sommer zuvor nicht mit zum Confed-Cup wollte, sondern eine Nasen-Operation vorzog. Dass Löws Team hinterher den Confed-Cup gewann, könnte man in Sanés Fall vielleicht noch als Künstlerpech abtun.

Doch auch Guardiola ist in Manchester schon mehrmals die Laxheit, mit der Sané zuweilen zu Werke geht, aufgestoßen. Prompt bekam er von Guardiola, der in der vergangenen Saison fast uneingeschränkt auf ihn gesetzt hatte, einen Denkzettel. Guardiola ließ den Hochbegabten einfach links liegen, Sané kam nur auf Kurzeinsätze. Schwache Trainingsleistungen und mangelnde Einstellung, so hieß es übereinstimmend in den englischen Medien, sollen den Ausschlag gegeben haben. Womöglich wollte Guardiola den talentierten Offensivspieler auch nur etwas kitzeln.

An mangelndem Selbstbewusstsein kann es jedenfalls nicht liegen. Davon zeugt ein Tattoo, das Sanés kompletten Rücken überdeckt. Das Motiv auf seiner Haut: Leroy Sané. Es zeigt den Nationalspieler in seiner typischen Jubelpose vor einer Fankurve. Als Vorlage soll sein Jubel nach einem Tor beim 5:3 im Champions-League-Achtelfinale in der vergangenen Saison gegen AS Monaco gedient haben. Das kam nicht bei allen gut an. Englands Nationalstürmer Raheem Sterling etwa warf ihm Selbstverliebtheit vor.

Mischung aus Naivität und Überheblichkeit

Vielleicht ist es eine Mischung aus Naivität und Überheblichkeit, die dem immer noch jungen Fußballprofi immer mal wieder auf die Füße fällt. Anfang September, vor dem Länderspiel in München gegen Frankreich, zählte ihn Toni Kroos an. Der Mittelfeldstar von Real Madrid sagte über Sané, dass dieser alles mitbringe, um absolute Weltklasse zu werden. Man habe aber das Gefühl, dass er gesagt bekommen muss, was zu tun ist, um das zu werden. Man müsse einen Weg finden, „ihn zu seiner Topleistung zu bringen. Dann wäre er für uns mit seinen Qualitäten, die relativ selten sind, wenn man sich unseren Kader anschaut, eine Riesenbereicherung“.

Als Sané auf die Kritik seines Mitspielers angesprochen wird, lenkt er brav ein. Er mache jetzt nicht viel extra neben dem Training, aber das habe ihn angestachelt. „Wir sind interessiert, dass ein Spieler mit soviel Qualität und Talent mehr Einsatzzeiten bekommt“, hatte bereits zuvor Löws Assistent Marcus Sorg in Richtung Sanés gesagt.

Leroy Sané ist in Wattenscheid aufgewachsen. Sein Vater, Souleyman Sané, gebürtig im Senegal, spielte für Wattenscheid in der Bundesliga und davor beim SC Freiburg sogar noch mit Joachim Löw zusammen. Inzwischen hängt für ihn als Bundestrainer nach der WM-Pleite einiges vom Ausgang der beiden anstehenden Länderspielen ab. Nur gut, dass Leroy Sané nicht nachtragend ist.

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