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Zach Boychuk (l.) gehört zu den Gesichtern des Berliner Aufschwungs.

© IMAGO/Eibner

Vor dem Start in die Play-offs: Die Eisbären sind wieder die Nummer eins in der DEL

Die Coronakrise haben die Berliner genutzt, um ihren Kader konsequent weiterzuentwickeln.

Nach der Trainingseinheit am Donnerstag verließ Serge Aubin ungewöhnlich schnell das Eis. Normalerweise sucht der Cheftrainer der Eisbären das Gespräch mit einzelnen Spielern oder beobachtet die Versuche, den Puck ins Tor zu befördern. Nun hatte man das Gefühl, dass fürs Erste alles gesagt ist, auch wenn nach der zweiten 3:6-Niederlagen gegen die Straubing Tigers innerhalb von sechs Tagen doch noch erhöhter Redebedarf herrscht.

Mit dem Heimspiel gegen die Bietigheim Steelers (Sonntag,14 Uhr) beenden die Berliner nun die erste Phase der Saison bekanntlich als Tabellenführer. Nach zwei Tagen Pause geht ab Mittwoch dann alles wieder bei Null los. Mit der Vorbereitung auf die Play-offs.

Dass Aubin zurzeit nur selten Grund hat, seine Profis zur Seite zu nehmen geschweige denn sie zurechtzuweisen, liegt an der Qualität dieses Kaders. Seit nunmehr zwei Spielzeiten wirkt es so, dass sich die einzelnen Bausteine der Mannschaft passgenau ineinanderfügen. Ausgerechnet in der Coronakrise sind die Eisbären wieder zum besten deutschen Eishockeyverein geworden.

Die enge Bindung nach Nordamerika, also der Anschutz Entertainment Group (AEG) als Eignerin und den Los Angeles Kings als NHL-Partnerklub, hat sich als gewaltiger Vorteil erwiesen.

10 aktuelle Profis wurden beim NHL-Draft ausgewählt

Obwohl AEG als Unterhaltungskonzern die Auswirkungen der Pandemie heftig zu spüren bekam, gab es nie Zweifel an der Unterstützung der Eisbären. Im Gegenteil: Es gab große Zustimmung, eine Mannschaft aufzubauen, die höchsten Ansprüchen gerecht wird. „Wir profitieren von der guten Beziehung zu den LA Kings“, sagt Sportdirektor Stéphane Richer.

Giovanni Fiore lotsten die Eisbären im Dezember 2020 nach Berlin, als noch nicht so ganz klar war, wie sich die Deutsche Eishockey Liga im Coronaumfeld entwickelt. Der Kanadier kam vom AHL-Klub Ontario Reign, dem Farmteam der Kings. Es folgten zwei weitere Profis: Zum Start dieser Saison kam Blaine Byron, vor wenigen Wochen zogen die Berliner die elfte Ausländerlizenz für Johan Södergran. „Sie mögen dort momentan nicht so gut reinpassen. Aber es ist eine super Sache, dass sie hier sind“, sagt Teamkollege Zach Boychuk.

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Dominik Bokk (l.) schloss sich erst spät in dieser Saison den Eisbären an.
Dominik Bokk (l.) schloss sich erst spät in dieser Saison den Eisbären an.

© IMAGO/Andreas Gora

Der Mittelstürmer wirkt überrascht, dass zehn Profis der aktuellen Mannschaft einst beim NHL-Draft ausgewählt wurden. Boychuk selbst, Simon Després und Dominik Bokk wurde sogar die Ehre zuteil, jeweils in der ersten Runde verpflichtet worden zu sein. „Normalerweise hast du sechs, sieben Spieler in der Mannschaft, die beim Draft waren“, weiß Richer.

Dass es in dieser Saison deutlich mehr sind, sei ein Zufall und vor allem der Tatsache geschuldet, dass Bokk und Södergran sehr spät noch verpflichtet werden konnten, weil ihre Karriere ins Stocken geraten waren. Allerdings spricht es für die Eisbären, dass Spieler mit derartigen Anlagen nach Berlin kommen, um sich weiterzuentwickeln.

Profis aus der KHL drängen auf den Markt

Dominik Bokk ist ein Paradebeispiel dafür. Nachdem er 2018 von den St. Louis Blus im Draft ausgewählt worden war, spielte er zunächst in Schweden. Letztes Jahr wechselte er in die AHL zu den Chicago Wolves, dem Farmteam der Carolina Hurricanes, die sich die Rechte an Bokks Diensten mittlerweile gesichert haben. In der AHL lief es für den Nationalspieler nicht wirklich rund.

„Ich habe mein Können dort leider nicht so zeigen können“, sagt er. Die Kontaktaufnahme der Eisbären erfolgte zur genau richtigen Zeit. „Berlin hatte schon öfter mit meinem Agenten geredet, ob ich nicht kommen will“, erzählt Bokk. „Wer spielt nicht gerne für das beste Team der DEL.“

Richer weiß, dass die Eisbären in Nordamerika einen ausgezeichneten Ruf als Entwicklungsverein genießen. „Lukas Reichel ist das beste Beispiel“, sagt er. Der spielte nach dem Draft zunächst weiter in Berlin und versucht aktuell sein Glück in der AHL. Obwohl in den kommenden Tagen der Höhepunkt dieser Saison ansteht, suchen die Verantwortlichen bereits Bausteine des Kaders für die neue Saison.

Bei Neuverpflichtungen geraten zunehmend Spieler in den Blick, die ihr Geld zuletzt in der vom Russland dominierten KHL verdient haben. Teams wie Jokerit Helsinki oder Dinamo Riga haben sich zurückgezogen. Zach Boychuk, der selbst einige Jahre in der KHL spielte, steht in engem Kontakt mit betroffenen Profis. „Alle, mit denen ich Kontakt hatte, haben gesagt, dass es Zeit ist, das Land schnell zu verlassen.“

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Für den Kanadier ist durchaus vorstellbar, dass demnächst nur noch weißrussische und russische Spieler in der einst paneuropäischen Liga spielen. „Im Sommer wird es viel Bewegung geben“, glaubt Richer. Die schwedische und die Schweizer Liga gelten als besonders attraktiv, weil dort höhere Löhne bezahlt werden. „Aber ich weiß auch schon von einigen, die in die DEL kommen wollen.“

Boychuk agiert dabei als Vermittler. „Einige haben mich gefragt, und ich habe erzählt, wie gut die Liga und speziell die Organisation in Berlin ist“, sagt er. Eine bessere Werbung, als Empfehlungen eines langjährigen NHL-Profis kann es kaum geben. Zumal die Eisbären gezeigt haben, dass sie ausgerechnet in der Coronakrise zu alter Stärke zurückgefunden haben.

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