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Sané verschluckte sich fast beim ersten Nachdenken. Dann schrieb er fleißig Autogramme.

© AFP

Vor dem Russland-Spiel in Leipzig: DFB-Team: Allerlei und Abstiegsangst

Vor den beiden letzten Fußball-Länderspielen des Jahres besucht der gefallene Weltmeister von 2014 eine Leipziger Schule. Ohne Joachim Löw.

Viel zu lachen hatten die deutschen Fußball-Nationalspieler in diesem Jahr ja nicht. Die Spiele im Frühjahr waren zäh, die im Juni schleppend. Spätestens die vermaledeite Weltmeisterschaft schlug dann richtig durch. Und jetzt droht in der Nations League auch noch der Abstieg in die europäische Zweitklassigkeit. Ein bisschen viel für die einst stolze und erfolgsverwöhnte Mannschaft.

Gestern nun hellte sich die Stimmung kurz auf. Eine kleine Delegation von vier Nationalspielern besuchte zum Zwecke einer Pressekonferenz eine Oberschule in Leipzig. Ein Teil der 400 Schülerinnen und Schüler stellten allerlei Fragen, etwa an Leroy Sané, 22, wie er es denn finde, dass Mesut Özil nicht mehr für die deutsche Mannschaft spielt? Sané verschluckte sich fast beim ersten Nachdenken, gab dann aber die harmloseste aller Antworten. Es sei „schade“, denn er hätte gern etwas länger mit ihm zusammengespielt, aber es gäbe noch andere gute Spieler, von denen er lernen könne.

In diesem Stil wurde ein Weilchen gefragt, gewitzelt und gelacht. Zwischendurch gab es ein paar berufsübliche Fragen von Journalisten zu den bevorstehenden Länderspielen am Donnerstag in Leipzig gegen Russland und dann am Montag im Nations-League-Rückspiel gegen die Niederlande in Gelsenkirchen.

Löw blieb der Schule fern

Nur leider war der, der derzeit wohl am wenigsten zu lachen hat, nicht dabei – Bundestrainer Joachim Löw. Stattdessen war Oliver Bierhoff da. „Wir wollen das Gesicht der Mannschaft ändern und den jungen Spielern Platz geben“, sagte der Nationalmannschaftsmanager. Aber das gehe halt nicht von heute auf morgen, sondern sei „ein Prozess“.

Spieler unter Schülern. Einige Nationalspieler (rechts) besuchten gestern eine Schule in Leipzig.
Spieler unter Schülern. Einige Nationalspieler (rechts) besuchten gestern eine Schule in Leipzig.

© Jan Woitas/AFP

Seit dem deutschen WM-Debakel und einer noch nie dagewesenen Niederlagenfülle in einem Länderspieljahr bekommt selbst ein Test gegen Russland mächtig Bedeutung. Die Mannschaft steht unter Beobachtung, und mit ihr Löw.
Nach einem Unentschieden in der Nations League im September gegen Frankreich und den beiden Niederlagen im Oktober in den Niederlanden (0:3) und im Rückspiel in Paris (1:2) steht fest, dass der neue Wettbewerb für den gefallenen Weltmeister von 2014 keine Erfolgsgeschichte wird. Seit der desolaten Vorstellung in Amsterdam ist Löw bemüht, den Wert des neuen Wettbewerbs zu schmälern. Es sei ein reizvoller Wettbewerb, „aber man solle ihn nicht so hoch hängen“, wiegelte Löw im Oktober ab. Den Klassenerhalt in der höchsten Division kann die deutsche Elf aus eigener Kraft nicht mehr schaffen; sie brauchte Schützenhilfe des Gruppenführenden Frankreich. Der Absturz in die europäische Zweitklassigkeit scheint vorgezeichnet.

„Wir wollen das nicht positive Jahr gut zu Ende bringen“, sagte Manuel Neuer vor den Schülern. Bereits sechs Niederlagen stehen neben dem blamablen Vorrunden-Aus bei der WM 2018 zu Buche. So viele Niederlagen gab es in 111 Jahren Länderspielgeschichte des deutschen Fußballs in zwölf Monaten noch nie.

Die Herbst-Bilanz ist ernüchternd

Die Bilanz des Herbstes, in dem sich alles wieder zum Besseren wenden sollte, ist ernüchternd. Tiefgehende Veränderungen, die Löw noch direkt nach dem WM-Aus vollmundig angekündigt hatte, blieben aus. Erst im zweiten Oktoberspiel gegen Frankreich nahm Löw ein paar personelle Veränderungen in der Startelf vor, aber das eben auch nur auf öffentlichen Druck hin. Sein Wille zur Erneuerung wirkte bisher wenig authentisch. Was seinen viel kritisierten Arbeitseifer anbelangt, so lässt sich feststellen, dass Löw zumindest wieder etwas öfter als noch vor der WM in Fußballstadien des Landes zu sehen ist.

Am Ende darf sich der geneigte Fußballfreund selbst ein Urteil über das Tun und Wirken des Bundestrainers in diesem Länderspieljahr machen. Dass Reinhard Grindel eben erst wieder dem Bundestrainer den Rücken stärkte, hat schon deswegen nicht viel zu bedeuten, weil der DFB-Präsident das schon in der Nacht des WM-Bankrotts ohne den Ansatz einer Analyse tat und seither gefühlt jede zweite Woche wiederholt. Wenn es jemanden interessierte, würde Grindel ein Bekenntnis zu Löw wohl auch jeden zweiten Tag abgeben.

Nun also der Test gegen Russland. Der WM-Gastgeber war im Viertelfinale am späteren Finalisten Kroatien gescheitert. Fehlen werden Löw der verletzte Stürmer Mark Uth (Schalke) und Julian Draxler (Paris), der wegen eines Trauerfalls in der Familie absagte. Fraglich ist der Einsatz von Marco Reus. Der Dortmunder musste das gestrige Training wegen einer Fußprellung auslassen.

„Ich bin optimistisch, dass wir zwei Mal gute Leistungen bringen werden“, sagte Manuel Neuer in die Runde der Schüler. Der Rest der Schulrunde ging in einem gemeinsamen Foto und Autogrammen unter.

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