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Bloß keine Euphorie. Bei Union wollten sie das 2:2 von Stuttgart schon direkt nach dem Hinspiel nicht überbewerten.

©  Sebastian Gollnow/dpa

Vor dem Rückspiel gegen Stuttgart: Union stapelt tief und will hoch hinaus

Der 1. FC Union will vor dem Relegationsrückspiel gegen Stuttgart am Montag nicht als Favorit gelten, rechnet sich aber gute Chancen auf den Aufstieg aus.

Von David Joram

Meinungen können sich zuweilen schnell ändern, sowieso in einem Fußballgeschäft, das gern als schnelllebig bezeichnet wird. Die Relegation zwischen dem 1. FC Union, der in die Bundesliga aufsteigen will, und dem VfB Stuttgart, der dort gern verweilen würde, ist dafür ein gutes Beispiel. Die Schwaben gingen qua Bundesligazugehörigkeit als Favorit ins Duell mit den Berlinern, sind es nach dem 2:2 am Donnerstag aber nicht mehr. Zumindest meinen das viele Menschen, Fans wie Experten, die zuvor noch anders meinten. Und tatsächlich basiert der Meinungsumschwung vor dem Rückspiel am Montag (20.30, live im Eurosportplayer) auf einer gesunden Grundlage. Unions imposante Heimstärke, Stuttgarts verheerende Auswärtsschwäche und das Hinspiel bilden eine solche. Je stärker sich die Köpenicker nun aber in die Favoritenrolle gedrängt fühlen, desto entschiedener wehren sie sich dagegen – und das aus gutem Grund.

Als sich Unions Trainer Urs Fischer am Samstag zu seiner letzten Vorschau-Pressekonferenz in dieser Saison aufmachte, betrat er diese jedenfalls mit derselben Meinung wie zuletzt. Achtung, Spoiler: Er verließ die PK auch mit dieser Meinung. „Ich bleibe bei der Meinung: Favorit bleibt Stuttgart“, sagte Fischer also. Entgegen seiner Wir-sind-auf-gar-keinen-Fall-der-Favorit-Strategie musste er zwar einräumen, dass das 2:2 „ein gutes Resultat“ sei und noch „Gold wert sein“ könne, mehr aber auch nicht.

Unions Coach nimmt die Außenseiterrolle möglicherweise deshalb gerne an, weil sein Team in dieser Saison mit ihr die besten Leistungen abrief. In die Heimspiele gegen den Hamburger SV und den 1. FC Köln (je 2:0) ging Union auch nicht als Favorit, in den am Ende so großartigen Pokalauftritt, der mit einer knappen Niederlage (2:3 n. V.) bei Borussia Dortmund endete, erst recht nicht.

Viel schwerer taten sich die Berliner derweil in Duellen gegen vermeintlich schwächere Gegner, wenn die Köpenicker das Spiel gestalten mussten, gezwungen waren zu agieren statt zu reagieren. Unter anderem wegen dieser fehlenden Stärke, häufig verbunden mit einem wenig durchdachten Offensivplan, ist der Klub knapp am direkten Aufstieg vorbeigeschrammt. Fischer ist daher daran gelegen, das Außenseiter-Gefühl aufrecht zu erhalten – trotz veränderter Vorzeichen.

Als erster Ersatz für Trimmel gilt Julian Ryerson

Ein gutes Resultat ist das 2:2 schließlich, das lässt sich schlecht wegdiskutieren. Den Berlinern reicht neben einem Sieg auch ein 0:0 oder 1:1 zum erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga. Das liegt an der Europapokal-Arithmetik, wonach Auswärtstore mehr wert sind, sofern beide Teams nach Hin- und Rückspiel dieselbe Tordifferenz aufweisen. Selbst dem Schweizer Fischer ist diese europäische Regel geläufig, weshalb er seiner ohnehin abwehrstarken Mannschaft eine stramme Defensivordnung oktroyieren könnte. Könnte. „Wenn du mit dem Gedanken ins Spiel gehst, 0:0 zu spielen, wird das nicht aufgehen“, erklärte Fischer und leitete daraus ab: „Wir gehen mit der Einstellung aufs Feld zu gewinnen. Wir müssen im Kopf haben, wieder Tore zu erzielen.“

Wer die Tore erzielen soll, steht weitgehend fest. Aus dem Offensivspektrum stehen Fischer alle Kandidaten zur Verfügung, darunter die in Stuttgart hervorragend eingestellten Suleiman Abdullahi und Sebastian Andersson. Im Mittelfeld ist Felix Kroos kein Kandidat (Gelbsperre). Noch mehr schmerzt Fischer der Ausfall von Kapitän und Rechtsverteidiger Christopher Trimmel, der in Stuttgart das 2:2 per Eckball vorbereitete und ebenfalls eine Gelbsperre absitzen muss. „Ich finde diese Regel komisch“, sagte Fischer zum Umstand, dass die in der Liga gesammelten Gelben Karten mit in die Relegation genommen werden. „Ich bin aber zuversichtlich, dass die anderen Spieler, die bereitstehen, das gut machen werden.“

Als erster Ersatz für Trimmel gilt Julian Ryerson, der in dieser Saison zwar selten spielte, beim 2:0 gegen den HSV aber überzeugen konnte. Zudem könnte Innenverteidiger Florian Hübner nach abgesessener Gelbsperre wieder in die Viererkette rücken, Michael Parensen müsste dann weichen – oder für Trimmel auf die rechte Seite rücken. Fischer, in Personalfragen wie immer zurückhaltend, wollte diesbezüglich weder etwas bestätigen noch ausschließen. Es gehört eben auch zur Meinungsfreiheit, seine Meinung für sich behalten zu dürfen.

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