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Schuss ins Blaue: Denise Herrmann muss vor allem am Schießstand konstanter werden.

© Georg Hochmuth/dpa

Vor dem Heim-Weltcup in Oberhof: Denise Herrmann will die Krise der deutschen Biathletinnen beenden

Für die deutschen Biathletinnen läuft der Winter historisch schlecht. Beim Heim-Weltcup in Oberhof ruhen die Hoffnungen deshalb auf Denise Herrmann.

Denise Herrmann kommt aus einer sportlichen Familie. Ihre Schwester Nadine ist im Skilanglauf international unterwegs, ihr Vater Lutz hat Handball in der DDR-Oberliga gespielt. Und auch die nächsthöhere Generation muss noch ganz gut in Schuss sein. „Das hätte meine Oma besser gemacht!“, schimpfte Denise Herrmann zumindest vor gut vier Wochen in Hochfilzen – was allerdings mehr über ihre eigene Leistung als über die Fitness ihrer Großmutter aussagte.

Mit der Biathlon-Staffel hatte sie damals bei der zweiten Weltcup-Station des Winters ein historisch schlechtes Rennen hingelegt. Nur Platz zwölf sprang dabei am Ende heraus. Schwächer hatte ein deutsches Quartett im Weltcup noch nie zuvor abgeschnitten – und Denise Herrmann hatte daran gehörigen Anteil. Beim Stehendschießen brachte sie nur zwei von acht Patronen ins Ziel und musste danach gleich dreimal in die Strafrunde. Eine „ziemliche Katastrophe“ sei das, „zum Vergessen“, sagte sie: „Man konnte da meinen, ich hätte gestern mit Biathlon angefangen.“

Das Schießen gilt bei Denise Herrmann als das große Fragezeichen

Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, doch tatsächlich ist es noch gar nicht so lange her, dass sich Denise Herrmann zum ersten Mal mitsamt Kleinkalibergewehr in die Loipe begab. Erst 2016 wechselte sie vom Langlauf zum Biathlon, und seitdem gilt bei ihr das Schießen als das große Fragezeichen. Läuferisch zählt Herrmann zu den absoluten Topathletinnen, konditionell kommt kaum eine Konkurrentin an sie heran. Doch am Schießstand präsentiert sich die 31-Jährige äußerst wacklig.

Wenn Herrmann trifft, dann landet sie in der Regel auch ganz weit vorne. So wie im vergangenen März bei der WM in Östersund, wo sie mit Gold in der Verfolgung, Silber in der Mixed-Staffel und Bronze im Massenstart einmal den vollständigen Medaillensatz abgriff. Ihre Teamkollegin Laura Dahlmeier holte damals zweimal Bronze, wenn auch gesundheitlich angeschlagen. Und als die Ausnahmeathletin Dahlmeier dann bald darauf auch noch ihren Rücktritt verkündete, wurde Herrmann zur neuen Hoffnungsträgerin der deutschen Frauen im Biathlon erkoren.

Doch die gebürtige Sächsin kam in der laufenden Saison wie auch ihre Teamkolleginnen bislang nur schwer in Tritt. Vor dem Staffel-Desaster von Hochfilzen war Herrmann beim Einzelsprint an gleicher Stelle zwar wieder einmal die beste Deutsche – das einzige Problem dabei: Sie kam selbst erst als 41. ins Ziel. Ein schwächeres Einzelrennen hatten die Biathletinnen des Deutschen Ski-Verbands (DSV) nie zuvor erlebt. Und auch zu einem Podestplatz hat es auf den ersten drei Weltcup-Stationen des Winters noch nicht gereicht.

Die letzten Ergebnisse machen Denise Herrmann Hoffnung

Vor dem Heim-Weltcup in Oberhof, der am Donnerstag (14.30 Uhr/ARD und Eurosport) mit dem Sprint der Frauen eröffnet wird, sind die Befürchtungen groß, dass es trübe laufen könnte bei den Deutschen. Das liegt seit dem Abschied von Laura Dahlmeier in der Luft. Ein wenig Hoffnung machen dem Team jedoch die Ergebnisse des vergangenen Weltcups in Annecy – allen voran die von Denise Herrmann. Mit zwei fünften Plätzen und einem sechsten Rang meldete sie sich dort achtbar zurück und deutete ihre Klasse an.

Üben, üben, üben: Denise Herrmann (links) verbrachte zuletzt viel Zeit am Schießstand.
Üben, üben, üben: Denise Herrmann (links) verbrachte zuletzt viel Zeit am Schießstand.

© Sandra Degenhardt/dpa

„Ich hoffe, dass ich bei den Heim-Weltcups an meine Ergebnisse aus Frankreich anknüpfen kann“, sagt Herrmann deshalb auch. Dazu wird sie jedoch ihre Fragezeichen am Schießstand weiter zerstreuen müssen. Nach den kläglichen Schussleistungen von Hochfilzen gelang ihr das vor den Wettkämpfen in Annecy auch mithilfe eines Mentaltrainers, „um am Schießstand nicht zu sehr nachzudenken“, wie Herrmann erklärte.

Bereits vor der Saison hatte sie sich einen neuen Gewehrschaft anfertigen lassen. Einen, der ihr auf Grundlage ihrer bisherigen Erfahrungen genau auf den Leib geschneidert wurde. Das sollte ihr mehr Sicherheit verleihen, um ihre Trefferquote von 78 Prozent aus der Vorsaison zu erhöhen. Doch der Effekt lässt bislang auf sich warten. Aktuell finden nur 75 Prozent ihrer Schüsse das Ziel.

Jubeltrubel: Denise Herrmann kennt den Weg aufs Siegerpodest.
Jubeltrubel: Denise Herrmann kennt den Weg aufs Siegerpodest.

© Sven Hoppe/dpa

In den Tagen seit Neujahr hat Denise Herrmann deshalb im Ruhpoldinger Biathlon-Leistungszentrum des DSV noch einmal an ihren Schießleistungen gefeilt. Auch auf eine Weihnachtspause verzichtete sie und begab sich stattdessen zum Höhentraining nach Davos.

Schließlich soll es in Oberhof endlich wieder besser laufen. „Wir wollen den Rückstand auf die internationale Spitze verringern“, erklärt Frauen-Bundestrainer Kristian Mehringer vor dem Weltcup. Denise Herrmann hat sich dafür fit gemacht – oder besser gesagt: in Schuss gebracht.

Leonard Brandbeck

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