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Unter neutraler Flagge. Russische Sportler werden nicht von Olympia ausgeschlossen.

© Damien Meyer/AFP

Update

Von WM und Olympia ausgeschlossen: Die Strafe gegen Russland klingt härter, als sie ist

Die Welt-Anti-Doping-Agentur wirft Russland die Manipulation von Doping-Daten vor. Allerdings gehen vielen die Beschlüsse nicht weit genug.

Der Rahmen, in dem der russische Sport den vermeintlich härtesten Schlag in seiner Geschichte versetzt bekam, war fürwahr feierlich: Das Exekutivkomitee der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hatte im herrschaftlichen Royal Savoy Hotel in Lausanne über die Strafe für Russland beratschlagt.

Schneller als erwartet war die Entscheidung gefallen: Bereits am Montagvormittag gab das Wada-Gremium bekannt, dass es Russland als Nation für vier Jahre von Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften ausschließen werde. Zudem darf Russland bis 2023 weder große sportliche Events austragen noch sich für solche qualifizieren.

Russen dürfen unter neutraler Flagge teilnehmen

Das Exekutivkomitee folgte damit der Empfehlung eines Wada-Gremiums. Hintergrund war, dass Russland auch Labordaten von 145 sehr verdächtigen Athleten manipulierte, um mutmaßliches Doping zu verschleiern. Aufgeflogen war der Skandal, weil ein Whistleblower 2017 die Daten der Wada zugespielt hatte.

Die Strafe klingt allerdings drakonischer, als sie in Wirklichkeit ist. Für die Olympischen Spiele bedeutet der Wada-Beschluss, dass die russischen Athleten wie zuletzt schon bei den Winterspielen in Pyeongchang nur als neutrale Athleten teilnehmen, nicht aber unter russischer Flagge. Dies gilt für die Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 in Tokio und 2022 in Peking, die Olympischen Jugendspiele und Weltmeisterschaften von Sportverbänden, die den Wada-Code unterschrieben haben, sowie sogenannte „Major Sport-Events“.

Zu diesen Sportverbänden zählt auch der Fußball-Weltverband Fifa. Doch wie bei Olympischen Spielen dürfen nach dem Wada-Beschluss russische Teams bei den großen Fußballwettbewerben wie etwa Europa- und Weltmeisterschaften teilnehmen, sollten sie sich dafür qualifizieren – nur eben unter neutraler Flagge.

Auch als Gastgeber kommt Russland zumindest insofern glimpflich davon, als es die Gruppenspiele der Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr ausrichten darf. Dies liegt daran, dass der europäische Fußballverband Uefa den Wada-Code nicht unterschrieben hat. Zudem wird die EM bei der Wada als „kontinentales Einzelsportereignis“ eingestuft und fällt damit nicht unter die sanktionierten Events.

Das geht's lang. IOC-Präsident Thomas Bach mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (r.) und Premierminister Dmitri Medwedew (l.).
Das geht's lang. IOC-Präsident Thomas Bach mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (r.) und Premierminister Dmitri Medwedew (l.).

© Mikhail Klime/dpa

Für die Wada-Vizevorsitzende Linda Hofstad Helleland waren die Beschlüsse nicht ausreichend. „Ich wollte keine verwässerten Sanktionen“, teilte sie am Montag mit. „Ich befürchte, dass die Strafe nicht weit genug geht.“ Die Norwegerin plädierte für einen Komplettausschluss russischer Athleten bei Olympischen Spielen. „Solange wir keine Sanktionen erheben, die die russische Führung wirklich treffen – wie können wir dann sicher sein, dass sich das System jemals ändert?“, fragte sie.

Die Organisation Athleten Deutschland fordert zumindest eine konsequente Umsetzung der Beschlüsse. „Eine Aufweichung der Sanktionen würde die Glaubwürdigkeit des organisierten Sports weiter beschädigen und Nachahmer ermutigen“, sagte Johannes Herber, Geschäftsführer von Athleten Deutschland.

Die Einzelfallprüfung, ob russische Athleten und Athletinnen unter neutraler Flagge an olympischen oder paralympischen Wettbewerben teilnehmen können, müsse jetzt so transparent, nachvollziehbar und streng wie möglich erfolgen. „Wir fordern, dass Athletenvertreter bei der Festlegung der Prüfkriterien und in den gesamten Prüfungsprozess bis hin zur finalen Entscheidung effektiv eingebunden werden“, sagte Herber. „Nur durch maximale Transparenz und Mitspracherechte kann das Vertrauen in das weltweite Anti-Doping Regime gestärkt werden.“

Russland kündigt Einspruch gegen Wada-Urteil an

Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew kritisierte die Strafen gegen sein Land als „antirussische Hysterie“ von chronischem Ausmaß. Die Sperrung sei Teil einer gegen das Land gerichteten Kampagne, sagte Medwedew der Agentur Interfax.

Trotz der vielen Schlupflöcher, die der Wada-Beschluss bietet, kündigte Russland Einspruch an. Russland werde für seine Sportler kämpfen, sagte die Parlamentsabgeordnete Swetlana Schurowa. Der russische Präsident Wladimir Putin schließt nicht aus, gerichtlich gegen die verhängten Strafen vorzugehen. „Wir müssen uns diese Entscheidung zunächst sehr genau anschauen“, sagte Putin. Es sei aber offensichtlich, dass es keine juristische Grundlage für die Entscheidung gebe und auch nicht der Satzung der Olympischen Spiele entspreche. „Wir haben allen Grund, Klage beim Cas einzureichen.“

Ein finales Urteil durch den Cas könnte sich hinziehen. Womöglich bestünde erst nach den Olympischen Spielen im nächsten Jahr in Tokio Klarheit. Sollte der Cas den am Montag gefällten Wada-Beschluss bestätigen, würde die Sperre wohl ausgeweitet bis auf das Jahr 2024 – dann fänden auch die Olympischen Spiele in Paris mit den neutralen russischen Athleten statt. (mit dpa)

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