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Es bleibt nicht in der Kabine. In der DEL haben sich außergewöhnlich viel Geimpfte angesteckt.

© Passion2Press/Imago

Viele Coronafälle im deutschen Eishockey: Das Virus legt eine Liga lahm - nun will die DEL die Maßnahmen verschärfen

Spielausfälle trotz verschärfter Hygienemaßnahmen und doppelt geimpfter Profis: Wie die Deutsche Eishockey-Liga auf ihre vielen Corona-Fälle reagieren will.

Gernot Tripcke wirkt angespannt, wie jemand, der unverschuldet in eine kleine Katastrophe geschlittert ist. Der Geschäftsführer der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) sagt, dass er mit den Klubvertretern seit Tagen „ständig konferiere“. Gemütlich ist die Situation in der Liga nicht eben, von 15 Teams sind drei in Quarantäne – nach erstaunlich vielen Infektionen und das, obwohl in der Liga quasi alle Teams „zu 100 Prozent geimpft“ seien, wie Tripcke dem Tagesspiegel sagt. „Das ist Pech, Fakt ist aber auch, dass wir etwas machen müssen. Wir sind dabei zu überlegen, wie wir die Hygienemaßnahmen noch verschärfen können.“

Dass Eishockeyspieler per se Superspreader seien, glaubt der Chef der Liga nicht. Auch hält er manche Maßnahme für übertrieben. Bei der Düsseldorfer EG seien „sechs oder sieben Spieler“ positiv getestet, das ganze Team aber vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt worden. „Also auch Spieler, die geimpft, negativ getestet und symptomfrei sind. Das macht doch keinen Sinn.“

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Vieles scheint zur Zeit weniger Sinn zu machen rund um die Liga und in der Liga. Am Dienstagabend soll der EHC Red Bull München in den Spielbetrieb zurückkehren. Vier Partien des Klubs zwischen dem 17. und dem 24. Oktober mussten verschoben werden, weil das Team aus München 22 Coronafälle bei Profis, Trainern und Betreuern zu verzeichnen hatte, inklusive zahlreicher Impfdurchbrüche. Mit dem Heimspiel gegen Aufsteiger Bietigheim geht es nun weiter für München mit einer Rumpftruppe, weil die meisten Spieler noch in Quarantäne sind. Beim Team von Trainer Don Jackson, der gegen Bietigheim vertreten wird, haben am Montag neun Feldspieler, zwei Torhüter und einige Youngster aus der Nachwuchsakademie der Organisation trainiert. Das hat natürlich nichts mit einem normalen Eishockeykader zu tun, der in der Liga bei einem Punktspiel aus 19 Feldspielern und zwei Torhütern besteht.

Gerade an den Standorten, die perspektivisch in den Abstiegskampf verwickelt sein dürften, geht nun die Angst vor Wettbewerbsverzerrung um. Für Bietigheim dürfte es am Dienstagabend aufgrund der Voraussetzungen einfacher werden gegen München zu punkten als für die Nürnberg Ice Tigers, die ihr Nachholspiel erst in einigen Tagen bestreiten werden – wenn die Münchener wieder mit einer ganz anderen Stärke antreten können.

Und das ist bei weitem nicht das einzige Problem der Liga dieser Tage. Aufgrund der Olympischen Spiele im Februar und der Weltmeisterschaft im Mai ist der Spielplan ohnehin eng getaktet. Jeder Ausfall bringt das System mehr zum Wanken. Es wurden ja nicht nur die Partien der Münchener verschoben. Auch die Düsseldorfer EG und die Iserlohn Roosters müssen Nachholspiele absolvieren. Und es ist zu befürchten, dass im Winter noch weitere Fälle folgen werden. Laut Tripcke erwägt die Liga bereits, während Olympia weiterzuspielen. Viele deutsche Nationalspieler seien ja im Ausland beschäftigt. „Das betrifft ohnehin nur etwa zwölf Spieler aus der DEL und manche Klubs gar nicht“, sagt er.

Die vielen Impfdurchbrüche in München sind ein Rätsel

Darüber zu spekulieren, wie es zu den massiven Ausbrüchen an gleich drei Standorten kommen konnte, verbietet sich. Aber natürlich verwundert es, dass die DEL in der Vorsaison nach dem zweimal verschobenen Saisonstart ohne größere Infektionsgeschehen durch die verkürzte Spielzeit gekommen ist und ausgerechnet jetzt, da viele Profis und Vereinsmitarbeiter geimpft sind, derart viele Fälle bekanntwerden.

97,5 Prozent aller Spieler, Trainer und Betreuer sind in München aktuell vollständig oder zumindest teilweise geimpft, wie der Klub jüngst mitteilte. Und gerade die Münchener gelten als sehr vorsichtig. Ein „Tatortreiniger“ wurde gar engagiert, um das Umfeld der Profis zu desinfizieren. „Das fühlte sich fast so steril an wie in einem Krankenhaus“, sagt ein Mitarbeiter der Eisbären Berlin. Aber gerade die Kabine gilt als ein Ort, an dem sich Viren prinzipiell gut verteilen können, wie der Gesundheitsökonom Florian Kainzinger, der zahlreiche Hygienekonzepte für Großveranstaltungen entwickelte, jüngst in der „Süddeutschen Zeitung“ sagte. Beim Eishockey tummeln sich mit Team und Betreuerstab rund 30 Personen in der Kabine – weit mehr als beim Basketball oder Handball.

Die Eisbären Berlin, im vergangenen Jahr im Team ebenfalls schwer von Corona getroffen, haben seit Freitag auch einen Corona-Fall: Angreifer Mark Zengerle wurde positiv auf das Virus getestet. Der Klub hat – angeblich unabhängig davon – seine Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Schon bevor die Coronawelle über die Konkurrenz hereinbrach, wurde die Testfrequenz erhöht. Die Berliner setzen auch wieder auf PCR-Analysen, weil diese ein zuverlässigeres Ergebnis liefern. In Iserlohn wurden nämlich bei einem Schnelltest vergangene Woche alle Spieler negativ getestet, nach dem PCR-Test sahen die Ergebnisse dann ganz anders aus. DEL-Geschäftsführer Tripcke spricht „von einigen Infektionen“, die inzwischen festgestellt wurden.

Thomas Bothstede, Geschäftsführer der Eisbären sagt: „Wir wissen um unsere Verantwortung und wir wollen gute Vorbilder sein. Bei uns ist die ganze Organisation durchgeimpft. Und zwar nicht nur die Profis, sondern auch alle Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle.“ Das allein sorgt aber für keine Sicherheit, wie die Fälle in der Liga zeigen.

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