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Leichtathletik-WM 2009

© ddp

Viel Potenzial: Die WM - ein sportliches Fazit aus deutscher Sicht

Nicht nur die traditionell starken deutschen Werfer haben bei den Heim-Weltmeisterschaften überzeugt. Und das deutsche Leichtathletik-Team besitzt noch Potenzial für mehr.

Jürgen Mallow wohnt in Zimmer 1209, sein Platz im Stadion trägt die Nummer 9, jetzt ist das Jahr 2009, ein wenig zu oft die neun, das kann ja kein Zufall sein. So sieht das Mallow, der Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbands. Doch diese Serie passt auch zu seiner Haupt-Botschaft: „Wir wollen bei der WM neun Medaillen“, hatte er vor einer Woche verkündet. Und, siehe da: Es wurden tatsächlich neun, zwei mehr als bei der WM 2007. Mallow also ist hochzufrieden.

Die Gewinner

Wie in den vergangenen Jahren war die Abteilung Kraft die große Stärke der Deutschen. Trotzdem gab es in den Details Überraschungen. Wer hatte schon mit einer Speerwurf-Weltmeisterin Steffi Nerius gerechnet? Ralf Bartels, Nadine Kleinert, Betty Heidler, sie alle galten als Medaillenkandidaten, überzeugend aber ist ihr Timing. Sie alle erzielten persönliche Bestleistung. Am höchsten einzuschätzen aber ist – rein sportlich gesehen – das Gold von Diskuswerfer Robert Harting. Durch seine absonderlichen Kommentare zu den Dopingopfern hatte er sich selbst unter einen solchen Druck gesetzt, dass er „im Finale absolut weiche Knie hatte“. Für ihn war dieses Finale „der schwerste Wettkampf meines Lebens“. Dass er dennoch die Nerven besaß, im letzten Versuch mit 69,43 Metern persönliche Bestleistung zu werfen, dafür verdient der Sportler Harting höchsten Respekt. Der Mensch Harting muss sich Respekt dagegen erst wieder erarbeiten. Gewonnen hat auch Ariane Friedrich, in jeder Hinsicht. Sie hat Bronze gewonnen, eine starke Leistung, weil sie ebenfalls unter ungeheurem Druck stand, sie hat durch ihre Fairness die Herzen vieler Zuschauer gewonnen. Auch die Frauen der 4-x-100-Meter-Staffel gehören mit Bronze zu den Siegern. André Höhne hat zwar keine Medaille erhalten, aber Platz fünf über 50 Kilometer Gehen in diesem starken Feld, in neuer persönlicher Bestzeit, ist eine starke Leistung.

Die Überraschungen

Nicht ein einziges Mal hat Raul Spank im Hochsprungfinale beim Anlauf seine Marke getroffen, trotzdem schraubte er sich über 2,32 Meter und gewann Bronze. Und Mehrkämpferin Jennifer Oeser steht für den enormen Kampfgeist, den viele Athleten im deutschen Team haben. Sie stürzte beim abschließenden 800-Meter-Lauf, rappelte sich wieder hoch und lief noch zu Silber – in persönlicher Bestzeit.

Die Hoffnungsträger

Trotz der Erfolge hat das deutsche Team weiteres Potenzial. Dass nicht alle genügend Nervenstärke haben, dass sie mitunter noch überfordert waren (David Storl/Kugel, Melanie Bauschke/Weitsprung, Malte Mohr/Stabhochsprung), das gehört zum Wesen des Sports. Das ändert nichts an ihrem Status. Andererseits lief der Sprinter Robert Hering, gerade mal 19 Jahre alt, mit einer bemerkenswerten Unbekümmertheit ins Halbfinale über 200 Meter. Auch Verena Sailer (Sprint), Silke Spiegelburg und Anna Battke (beide Stabhochsprung), Sergej Litvinov, Kathrin Klaas (beide Hammerwurf), Meike Kröger (Hochsprung) gehören zu den hoffnungsvollen Athleten. Weitspringer Sebastian Bayer, 23 Jahre alt, sowieso. Die deutschen Leichtathleten haben Leute, die bis zu den Olympischen Spielen 2012 großes Format zeigen können.

Die Enttäuschten

Unvergessen die Tränen des Hammerwerfers Markus Esser. Ausgerechnet bei seiner Heim-WM hatte er völlig versagt. Gründe: unbekannt. Franka Dietzsch hatte nicht geweint, aber frustriert war sie auch. Sie ist 41, sie war Titelverteidigerin, sie wollte eine Medaille. Und blieb in der Qualifikation hängen. Und Christina Obergföll (Speerwerfen) tauchte nach ihren 64,34 Metern (Rang fünf) ganz ab. Tobias Unger war mit 10,18 Sekunden Deutscher Meister geworden, jetzt überstand er in einer miserablen Zeit nicht mal den Vorlauf. Bianca Kappler und Nils Winter (beide Weitsprung) blieben ebenfalls weit hinter ihren Bestleistungen. Den miserabelsten Eindruck aber hinterließ Dreispringer Charles Friedek. Er hatte keine WM-Norm, ist in seiner Karriere wahrscheinlich öfter übergetreten als er je den Balken getroffen hat und durfte nur zur WM, weil er seine Karriere beendet. In Berlin verabschiedete er sich standesgemäß – mit drei ungültigen Versuchen.

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