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Fußball-Bundesligist Hertha BSC hat den Einstieg des US-Finanzinvestors KKR mit insgesamt 61,2 Millionen Euro als "bahnbrechende Vereinbarung für die Zukunft" bezeichnet.

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Update

US-Finanzinvestor KKR steigt bei Hertha BSC ein: Ins Schwarze geschossen

Hertha BSC ist auf einen Schlag einen Großteil seiner Schulden los. Der Finanzinvestor KKR steigt mit 60 Millionen Euro beim Berliner Bundesligaklub ein und schafft einen Präzedenzfall.

Wo sonst der Trainer über die Aufstellung des nächsten Spiels spricht, saßen am Freitag auf einmal Männer in dunklen Anzügen und redeten über Geld. Sehr viel Geld. Und dennoch wirkten der Präsident und die Geschäftsführer von Hertha BSC, als hätten sie gerade für ihren Verein einen ganz großen Titel gewonnen. Der für die Finanzen des Klubs zuständige Ingo Schiller sagte mit glänzenden Augen: „Heute ist der schönste Tag, seit ich bei Hertha BSC in der Verantwortung stehe.“

Noch vor wenigen Wochen hatte sich Ingo Schiller laut Gedanken darüber gemacht, wie der Verein, für den es sportlich gerade so gut läuft, seine Schulden in den Griff bekommen könnte. Zwei Lösungen waren ihm eingefallen: entweder durch außergewöhnliche Spielerverkäufe. Oder es schaut einmal ein großer Investor beim Hauptstadtclub vorbei. Letzteres ist nun tatsächlich passiert. Und das in einer Art und einer Größenordnung, die für den deutschen Profifußball einmalig sind.

Noch nie ist ein Finanzinvestor in einen Bundesligisten eingestiegen. Kohlberg Kravis Roberts & Co. L.P. (KKR) sowie die mit der KKR verbundenen Unternehmen investieren insgesamt 61,2 Millionen Euro. Hertha dürfte mit einem Schlag fast alle Schulden los sein. „Das ist eine finanzielle Trendwende, das ist eine bahnbrechende Vereinbarung für Hertha BSC“, sagte Vereinspräsident Werner Gegenbauer dem Tagesspiegel.

Man muss dazu wissen, dass turmhohe Schulden zu Hertha gehören wie der Funkturm zu Berlin. Am Ende eines jeden Geschäftsjahres stand bei Hertha bislang ein millionentiefes Minus. Insbesondere seit dem Wirken von Dieter Hoeneß und dem überraschenden Einzug in die Champions League kurz vor der Jahrtausendwende hat der Klub eine verhängnisvolle Finanzpolitik betrieben. Hertha hat stets sehr viel mehr Geld ausgegeben als eingenommen.

Mehr als zehn Jahre hat Hertha nach einem Investor gesucht

Profifußball, so hat es einmal der frühere Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV Bernd Hoffmann gesagt, ist das Streben nach maximalem sportlichen Erfolg bei gleichzeitiger Vermeidung der Insolvenz. Es ist also ein schmaler Grat, auf dem sich Bundesligaklubs bewegen, und Hertha BSC hat sich auf diesem Weg allerlei Tricks bedient. Sie sind legal, aber auch heikel: so genannte „Signing fees“ und „Sale-and-lease- back“-Geschäfte. So schloss Hertha mit Sponsoren und Ausrüstern langfristige Verträge. Ein Großteil der Gesamtsummen war als „Signing fee“ direkt nach Vertragsunterzeichnung gezahlt worden. Hertha bekam auf einen Schlag viel Geld – doch während der Vertragslaufzeit kam dann fast nichts mehr nach.

Ähnlich verhält es sich mit „Sale-and-lease-back“-Geschäften. So hatte Hertha 2003 die Rechte an Logen, Skyboxen und Business-Seats im Olympiastadion veräußert. Der Club nahm zwar 15 Millionen Euro ein, musste dafür aber jahrelang Leasing-Raten bezahlen, rund vier Millionen jährlich. Kritische Vereinsmitglieder warfen den Verantwortlichen vor, dass sie einen riskanten Vorgriff auf die Zukunft getätigt hätten. „Die Zukunft wurde verkauft“, hieß es auf einer Mitgliederversammlung.

Seit mehr als einem Jahrzehnt hat Hertha parallel nach einem Investor gesucht. Und das war auch einer der Gründe, weshalb 2001 der Profibereich der Fußballabteilung in eine Kapitalgesellschaft auf Aktien – der Hertha BSC GmbH & Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien, kurz Hertha BSC KGaA – ausgegliedert worden war. Bis heute ist der Stammverein (Hertha BSC e.V.) zu 100 Prozent an der KG beteiligt. Jetzt erhält KKR 9,7 Prozent der Anteile – eine Minderheitsbeteiligung also.

Der neue Investor, ein weltweit agierendes Private-Equity-Unternehmen, will sich langfristig bei Hertha engagieren. Von sieben Jahren ist die Rede. „Wir setzen gemeinsam mit KKR auf Wachstum“, sagte Ingo Schiller. Und Johannes P. Huth, Europachef von KKR, sagte: „Wir freuen uns darauf, Hertha BSC als Partner unterstützen zu können und sehen deutliches Potenzial darin, den Verein national und international stärker zu etablieren.“ Was Finanzinvestoren eben so sagen.

Müntefering hatte KKR mit "Heuschrecken"-Kritik im Blick

Der Investor, so hieß es gestern, werde keinerlei Einfluss auf sportliche Entscheidungen nehmen. Das wurde auch deshalb betont, weil der Fußball mit Geldgebern einige schlechte Erfahrungen gesammelt hat. Zum Beispiel in England, wo sich Scheichs und Oligarchen eingekauft haben und gleich auch noch über den Trainer und seine Entscheidungen mitbestimmen wollen.

Herthas Investor geht es nicht um Macht, nicht ums Mitspielen im beliebtesten Sport der Welt. Es geht KKR um Rendite. Die Zeiten, als noch stattliche 25 Prozent üblich waren, sind vorbei. Für gewöhnlich dauert das Engagement von Finanzinvestoren maximal sechs oder sieben Jahre, dann wird nach nicht selten drastischen Sanierungsarbeiten, verbunden mit dem Abbau von Arbeitsplätzen, möglichst gewinnbringend weiterverkauft. Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering bezeichnete Finanzinvestoren vor Jahren deshalb verärgert als „Heuschrecken“.

Im Mittelstand haben Finanzinvestoren, bekannt auch als Private Equity, keinen guten Ruf. Firmen wie KKR sind gleichwohl in Deutschland schon lange unterwegs. Das 1976 in New York gegründete Unternehmen gehört zu den ganz Großen der Branche.

1999 war KKR beim Geldautomaten-Hersteller Wincor Nixdorf dabei, übernahm später die frühere Telefonsparte von Bosch, die schließlich zerschlagen wurde, wobei rund 40 Prozent der Arbeitsplätze auf der Strecke blieben. Demag, MTU Energies, die Gabelstapler-Sparte von Linde (heute Kion) oder ProSiebenSat1 Media gehörten ebenfalls zu den Firmen, denen sich KKR annahm.

Hertha hat sich auf ein Spiel eingelassen, das kaum ohne Bilanztricks auskommt

Grund zum Jubel? Jedenfalls mehr Geld für Hertha.
Grund zum Jubel? Jedenfalls mehr Geld für Hertha.

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Die gut 60 Millionen Euro, mit denen KKR bei Hertha einsteigt, sind für die Amerikaner „Peanuts“. In der Regel geht es bei den Geschäften des Investors um ansehnliche dreistellige Millionen-Beträge, wenn nicht um Milliarden. Vor wenigen Tagen hat KKR in der Finanzdienstleistungssparte zugeschlagen: Für 2,4 Milliarden Dollar erwarben die Amerikaner die Mehrheit der US-Firma Sedgwick, ein Unternehmen, das Versicherungsforderungen verwaltet.

Wie passt da nun Hertha BSC ins Portfolio? Die Entscheidung des Investors ist nicht schwer nachzuvollziehen. Hertha ist angeschlagen, spielt in einer expandierenden Liga und in der größten deutschen Stadt. Das verspricht bei einem gut organisierten Investment eine äußerst günstige Entwicklung.

Hertha könnte im Olympiastadion in einigen Jahren wieder internationale Gäste empfangen, nicht nur die Konkurrenten aus der Bundesliga. Überhaupt hat die Fußball-Bundesliga in den vergangenen Jahren als Marke dazugewonnen. Das liegt nicht allein am Champions-League-Sieger FC Bayern München. Im Achtelfinale der Champions League stehen nun gleich vier deutsche Klubs. Das zieht. Und es verspricht auch Umsätze bei der Vermarktung im Ausland, die bisher von anderen großen Ligen wie England und Spanien dominiert worden war.

Herthas Schulden sanken von 42 auf 36,8 Millionen Euro

Hertha eröffnen sich neue Perspektiven. Ein Großteil des Investments fließt in die Rückführung der Schulden. Ein anderer Teil in den Rückerwerb von Rechten, die die klamme Hertha gegen Geld umgesetzt hatte. Allein im vergangenen Geschäftsjahr , das Hertha offiziell mit einem Minus von 7,8 Millionen Euro abgeschlossen hatte, sind Rechte am Stadioncatering für die Jahre 2014 bis 2020 für zehn Millionen Euro an einen Investor verkauft worden. Die Schulden sanken dadurch von 42 auf 36,8 Millionen Euro.

Ähnlich wie andere Profi-Fußballklubs haben sich auch die Berliner auf ein Spiel eingelassen, das fast nicht mehr ohne Bilanztricks auskommt, die für Laien schwer zu durchschauen, aber rechtlich kaum zu beanstanden sind. So hat die KGaA Vermarktungs- und Verwertungsrechte im Wert von 38 Millionen Euro in zwei eigens gegründete Tochtergesellschaften ausgegliedert.

Auf die Frage, warum Hertha das getan habe, antwortete der Geschäftsführer Ingo Schiller einmal: „Wir haben dadurch stille Reserven des Vereins gehoben und gleichzeitig die damalige Kapitalauflage der Deutsche Fußball-Liga erfüllt.“ Der Vorteil: Eigentlich stille Reserven konnten auf diese Weise auf der Habenseite in die Bilanz eingestellt werden. Geld ist dabei nicht geflossen.

Dieses Buchungsmanöver war unter anderem deshalb notwendig, um eine Auflage der DFL zu erfüllen: Herthas negatives Eigenkapital durfte nicht anwachsen, sonst hätte der Klub keine Lizenz bekommen. Demselben Zweck diente vor zwei Jahren die Auslagerung der kommerziellen Rechte am Vereinslogo an die Rechte GmbH, einer 100-prozentigen Tochter der KGaA, in Höhe von 20 Millionen Euro. Ein schlichtes Buchungsmanöver, das in der Bilanz dem Ziel diente, das negative Eigenkapital zu verringern. Auch hier ist kein Geld geflossen.

Wenn Hertha nun diverse Rechte zurückkauft und keine Zinsen in bisheriger Höhe zahlen muss, dürfte sich die Ertragssituation umgehend deutlich verbessern. Insider rechnen hier mit bis zu sieben, acht Millionen Euro jährlich.

Präsident Gegenbauer wollte vor allem Ängste nehmen als er sagte, Hertha BSC werde „auch in Zukunft der Verein bleiben wird, der er heute ist“. Allerdings auf wirtschaftlich solideren Füßen. Und so haben sie am Freitag doch noch über ein Tor gesprochen, die Herren in den Anzügen. Sie nannten es das Tor zur Zukunft.
Mitarbeit: D. Bardow und R. Obertreis

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