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Sehr, sehr schlank und ausgesprochen erfolgreich: Therese Johaug.

© REUTERS

Untergewicht im Langlauf: Das Bleistifte-Rennen muss aufhören

An den Langläuferinnen in Oberstdorf wird deutlich: Sport kann selbstzerstörerisch sein. Es braucht hier Regelungen wie im Skispringen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Martin Einsiedler

Wenn es die Regeln erlauben, kann der Leistungssport selbstzerstörerische Kräfte entfalten. Und zwar dann, wenn der Kampf gegen den eigenen Körper paradoxerweise der Leistung zuträglich ist. Zu beobachten war dies zum Beispiel bis in die Jahrtausendwende bei den Skispringern. Viele von ihnen hungerten sich wie der Deutsche Sven Hannawald bis in die Magersucht, um wie Federn in der Luft schweben zu können. Seit 2004 gibt es ein Mindestgewicht (genauer: Body Mass Index, Körpergewicht dividiert durch die Größe im Quadrat), das die Springerinnen und Springer auf die Waage bringen müssen. Bis heute sind noch keine Klagen darüber bekannt geworden.

Die selbstzerstörerische Kraft des Sports wird in diesen Tagen auch bei der Nordischen Ski-WM in Oberstdorf deutlich. Läuferinnen und Läufer, dünn wie Bleistifte, jagen in atemberaubendem Tempo über die Loipen. Die überragende Norwegerin Therese Johaug soll bei einer Größe von 1,62 Meter knapp unter 46 Kilogramm wiegen.

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Die nicht minder laufstarke Frida Karlsson war vom schwedischen Verband in der Vergangenheit schon für ein paar Wochen gesperrt worden, weil sie den vom Internationalen Olympischen Komitee geforderten Gesundheitscheck nicht bestanden hatte – es heißt, wegen ihres zu geringen Gewichts. Karlsson selbst erzählte in mehreren Interviews, dass es ihr durch das viele Training schwerfalle, genügend Nahrung aufzunehmen.

Nun wird es so manchen in der Branche geben, der den deutschen Langlauftrainer Peter Schlickenrieder für einen schlechten Verlierer hält. Seine Athletinnen laufen hinterher, und er fordert jetzt die Einführung einer Body-Mass-Index-Grenze wie im Skispringen. „Wir haben ein paar sehr schlanke Athleten im Spiel. Ich meine, eine Tendenz zu erkennen“, sagte Schlickenrieder am Rande der Wettbewerbe in Oberstdorf und meinte wohl auch die Top-Läuferinnen aus Schweden und Norwegen.

Schlickenrieder weiß, dass er mit seinen Läuferinnen und Läufern derzeit nur dann großen Erfolg haben kann, wenn er zusieht, wie diese ihrem eigenen Körper nachhaltigen Schaden zufügen. Von daher spricht aus ihm kein schlechter Verlierer, sondern jemand, der seinen Beruf verantwortungsvoll interpretiert.

Ob nun ein bestimmter Body-Mass-Index oder ein sehr viel strengerer Gesundheitscheck als bisher Voraussetzung für die Starterlaubnis sein sollte, kann noch diskutiert werden. Wichtig aber ist, dass sich schnell etwas tut im Langlauf. Das Bleistifte-Rennen muss aufhören.

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