zum Hauptinhalt
Philipp Weber setzt sich gegen die polnische Abwehr durch. Dennoch ist das deutsche Team kaum eingespielt.

© imago images/camera4+

Update

Umstrittene Handball-EM: Die Suche nach dem Sinn eines Turniers inmitten der Omikronwelle

Die deutsche Mannschaft meldet am Mittwoch weitere Coronafälle. Doch die Zwänge, eine solche EM durchzuführen, sind offenbar zu groß. Ein Kommentar.

Es waren absurde Begebenheiten, von welchen die Nationalspieler am Dienstagabend berichteten. Einige der deutschen Handballer hatten sich vor dem Spiel gegen Polen erst im Bus gesehen, viele vor dem Anpfiff nicht miteinander gesprochen gehabt, andere kannten sich noch nicht einmal, bevor sie zusammen aufliefen.

Eine derartige Situation hat sicher noch kein Spieler vor dieser Europameisterschaft erlebt. Und trotzdem eint sie der Wille, im weiteren Turnier für die deutsche Nationalmannschaft aufzulaufen.

„Wir sind hier sicherer als zuhause”, heißt es immer wieder, und wenn man sich die 7-Tages-Inzidenz in der Slowakei mit einem Wert von 351 anschaut, stimmt das rein mathematisch auch. Selbst Ungarn liegt mit 561 unter den deutschen Begebenheiten von 584,4 am Mittwoch. Dazu kommen umfassendere Sicherheitsmaßnahmen als sie in der Heimat gängig sind.

Die aktuellen Ansteckungszahlen bei der Europameisterschaft mögen alarmierend sein, aber sind die Berichte vom Fußball, Basketball und Eishockey das nicht auch? Grundsätzlich stellt sich ja die Frage, ob ein Hygienekonzept überhaupt fähig ist, der Omikronwelle entgegenzuwirken.

Ist es Zeit für eine neue Realität?

Wenn nicht: Müssen wir dann wirklich alle Veranstaltungen absagen oder wird es nicht langsam Zeit, sich der unangenehmen Realität zu stellen, dass das Virus zu einem Teil unserer neuen Normalität geworden ist, mit der wir leben müssen?

Das Argument, dass durch die enge Taktung bei einem Turnier die Infektionsketten schwerer unterbrochen werden können, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Auch dass die Europäische Handball Föderation (EHF) erst denkbar spät eine Maskenpflicht in Ungarn forciert hat und dort ebenso eine volle Hallenauslastung erlaubt ist, wirkt verstörend. Genauso steht es um die Quarantäneregeln und jene, die die Kontaktpersonen betreffen. Unzählige Spieler können zudem nachnominiert werden.

Paul Drux von den Füchsen Berlin zählt zu den Nachrückern.
Paul Drux von den Füchsen Berlin zählt zu den Nachrückern.

© REUTERS

Die EHF versucht mit allen Mitteln, die Veranstaltung durchzuführen – nicht zuletzt, weil es um eine Menge Geld geht. Sponsoren-Verträge und Fernseheinnahmen sind von dem Turnier abhängig, das betrifft die EHF im Ganzen aber auch die Verbände im kleineren Rahmen, die bei einem Rückzug zusätzlich mit Sanktionen rechnen müssten. Die Pandemie und der Schutz der Handballer geraten dabei in den Hintergrund.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Die Sportler stehen trotzdem bereit und wollen antreten. Sie sind es gewohnt ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Es gehört in jedem Training, in jedem Spiel zu ihrem Job.

Momentan stellt sich allerdings die Frage nach dem Sinn. Für einen Titel, der schon jetzt von zahlreichen Außenstehenden ob seiner sportlichen Aussagekraft diskreditiert wird? Dafür, dass der Handball weniger im Fokus steht als die täglichen Fallzahlen? Es wird letztlich die Mannschaft die Trophäe mit nach Hause nehmen, die am wenigsten vom Coronavirus betroffen wurde.

Ein Rückzug steht noch im Raum

Gleichzeitig zeigen die hochklassigen Nachnominierungen der deutschen Mannschaft aber, dass genauso eine Nation triumphieren könnte, die in der Breite die besten Handballer ausgebildet hat.

Doch was bringt das alles, wenn sich ein großer Teil der Sportler infiziert? Man mag sich gar nicht ausmalen, wenn entgegen der Norm ein Turnierteilnehmer keinen milden Verlauf erlebt, sondern langwierige Folgen davonträgt.

Bezüglich der deutschen Mannschaft und allen anderen Teams ist zu hoffen, dass die Infektionskette unterbrochen werden kann. Am Mittwoch sah es zunächst nicht danach aus, der DHB vermeldete mit Christoph Steinert, Djibril M’Bengue und Sebastian Heymann drei weitere Coronafälle. Dazu ist auch ein Mitglied des Funktionsteams betroffen. Angesichts dessen sollte man sich Gedanken über einen Rückzug aus dem Turnier machen. Den Finanzen zum Trotz und zum Wohle der Sportler.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false