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Der russische Milliardär Roman Abramowitsch sucht nach eigener Aussage einen Käufer für den FC Chelsea.

© Martin Meissner/AP/dpa

Umdenken in der englischen Premier League: Harte Realität statt weiche Symbolpolitik

Der englische Fußball ist ein Meister der Symbolpolitik. Doch der Fall von Chelsea-Eigner Abramowitsch zeigt, dass diese nun nicht mehr reicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kit Holden

Der englische Fußball war schon immer ein Meister der Symbolpolitik. Seit Jahren tragen Spieler im November eine Mohnblume auf der Brust, um den gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs zu gedenken. Seit Monaten gehen vor jedem Premier-League-Spiel beide Mannschaften auf die Knie, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu demonstrieren. Am Wochenende gab es, ähnlich wie in Deutschland, zahlreiche ukrainische Flaggen auf den Rängen und den Plätzen der Insel.

Das ist alles schön und gut. Fußball ist ja schließlich auch Showbusiness. Doch in einer Liga, in der Klubs von russischen Oligarchen oder saudi-arabischen Staatsfonds finanziert werden, konnte das manchmal auch etwas heuchlerisch wirken. Menschenrechte, ja. Aber eben nicht auf Kosten des Geldes.

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Jetzt wird der englische Fußball aber von seinem eigenen Doppeldenken eingeholt. Roman Abramowitsch, der mit dem Kauf des FC Chelsea 2003 eine neue Ära des Reichtums im englischen Fußball einleitete, gab am Mittwochabend bekannt, dass er den Klub verkaufen wolle. In den Tagen zuvor hatte es Forderungen gegeben, unter anderem im britischen Parlament, auch Abramowitschs Vermögen im Rahmen der ökonomischen Sanktionen gegen Russland anzuvisieren.

Die Regierung steht zunehmend unter Druck, zu noch härteren Maßnahmen zu greifen, und auch im Fußball wird umgedacht. Der FC Everton hat sich von einem russischen Sponsor getrennt, dessen Besitzer als Putin-nah gilt. Und jetzt muss sich Chelsea sogar einen neuen Eigner suchen. In einer Zeit, in der die Macht der Investoren nach dem Super-League-Debakel ohnehin in Frage gestellt wird, könnte dies ein Wendepunkt sein im Selbstverständnis des englischen Fußballs. Es wäre auf jeden Fall zu begrüßen, wenn die Premier League endlich aus der weichen Symbolpolitik in die harte Realität käme. Traurig ist nur, dass es dazu einen Krieg auf europäischen Boden benötigt hat.

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