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Mehr als eine prominente Einwechseloption. Thomas Müller (links) und Mats Hummels sollen bei der EM nach den Vorstellungen des Bundestrainers eine Führungsrolle in der Nationalmannschaft spielen.

© imago/Eibner

Überraschungen im Kader für die EM 2021: Hummels und Müller sind zurück – was macht das mit dem DFB-Team?

Bundestrainer Joachim Löw holt Mats Hummels und Thomas Müller in die Nationalmannschaft zurück. Das hat Folgen für das Gefüge des Teams.

Jonas Hofmann war durchaus angetan von dem neuen Format. Eine Pressekonferenz, nur ohne Journalisten, stattdessen mit normalen Menschen aus dem Volk, die digital zugeschaltet sind. Endlich gebe es auch mal kreative Fragen, sagte Hofmann.

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Der Offensivspieler von Borussia Mönchengladbach hat es nicht nur etwas überraschend in den Kader von Bundestrainer Joachim Löw für die Europameisterschaft in diesem Sommer geschafft; er war auch zugeschaltet zur mutmaßlich größten Pressekonferenz in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes. 6500 Interessierte hatten sich laut DFB zu der digitalen Veranstaltung eingewählt, mehr als 2200 Fragen wurden in der Chat-Funktion an den Bundestrainer gestellt.

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Aber so groß sind die Unterschiede zwischen gemeinem Fan und gemeiner Presse gar nicht. Die erste Frage, die Löw beantworten musste, weil sei die meisten, nämlich fast 600 Likes bekommen hatte, diese Frage hätte gut auch von den Journalisten kommen können. War es ein Fehler, Mats Hummels und Thomas Müller im Frühjahr 2019 aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auszuschließen?

Hummels und Müller, Müller und Hummels. Zwei Jahre ging das so. Manchmal hatte man den Eindruck, die Länderspiele wären nur das störende Rahmenprogramm für die immergleichen Fragen zu Müller und Hummels gewesen. Nachdem der Bundestrainer der öffentlichen Inquisition lange und mit bewundernswerter Ruhe getrotzt hatte, folgte nun, wie allgemein erwartet, die schon gar nicht mehr so spektakuläre Kehrtwende. „Jetzt ist Turnier. Über allem steht, eine erfolgreiche EM zu spielen“, sagte Löw. „Deshalb ist es zum jetzigen Zeitpunkt das Richtige.“

Mats Hummels, 32, und Thomas Müller, 31, sind also dabei, wenn sich die Nationalmannschaft in etwas mehr als einer Woche in Seefeld (Tirol) zur Vorbereitung auf die EM trifft, anders als Jerome Boateng, der vor zwei Jahren ebenfalls zu den Aussortierten gehört, in der öffentlichen Debatte aber nur noch eine Nebenrolle gespielt hatte.

Auch Günter und Volland kehren zurück

Dafür finden sich im deutschen Kader zwei weitere – allerdings weit weniger prominente – Rückkehrer: Christian Günter und Kevin Volland sind ebenfalls unter Löws 26 Auserwählten für die Europameisterschaft. Günter, Linksverteidiger aus Löws Heimatort Freiburg, ist im Mai 2014 ein einziges Mal für die Nationalmannschaft aufgelaufen: Bei einem besseren B-Länderspiel gegen Polen wurde er für die letzten acht Minuten eingewechselt. Volland, inzwischen bei AS Monaco tätig, kommt auf immerhin zehn Länderspiele, das bisher letzte im November 2016.

Wenn ein Bundestrainer sein Aufgebot für ein großes Turnier bekannt gibt, geht es naturgemäß nicht nur darum, wen er nominiert hat, sondern auch darum, auf wen er im Gegenzug verzichtet. Philipp Max, zuletzt regelmäßig zu den Länderspielen berufen, fehlt ebenso wie Julian Brandt und vor allem Julian Draxler, Weltmeister von 2014 und über viele Jahre erklärter Lieblingsspieler des Bundestrainers. „Der Julian hat extrem gute Fähigkeiten“, sagte Joachim Löw. „Aber er hat sein Potenzial in Paris nicht immer so gezeigt.“

Doch selbst diese Personalie ist im Trubel um Müller und Hummels ein wenig untergegangen – weil ihre Reaktivierung massive Auswirkungen auf die Mannschaft und ihr Gefüge haben wird. Sie betrifft die Hierarchie im Kader, die künftig wieder eine andere sein wird. Es ist ja nicht so, dass plötzlich zwei Neue oder Fremde hinzukommen, die sich erst einmal brav hintenanstellen. Müller und Hummels hatten bis zu ihrer Ausbootung klare Rollen innerhalb der Mannschaft. Mitläufer waren sei definitiv nicht.

Löw erwartet Führung und Verantwortung

So wie bei der WM 1994, als Bundestrainer Berti Vogts den bereits aus der Nationalmannschaft zurückgetretenen Rudi Völler reaktivierte, wird es mit Müller und Hummels ganz sicher nicht laufen. Völler stellte damals keine Ansprüche und setzte sich in der Vorrunde klaglos auf die Ersatzbank, ehe er im Achtelfinale zum ersten Mal von Anfang an spielte.

Müller und Hummels haben mit ihren Klubs eine überzeugende Saison gespielt, „beide haben genug Selbstbewusstsein getankt“, sagte Löw, sie kommen als Meister respektive Pokalsieger. „Das sind Spieler, auf die wir logischerweise setzen“, antwortete er auf die Frage, ob beide eine Stammplatzgarantie hätten. Die haben sie natürlich nicht, weil es eine Stammplatzgarantie per se nicht gibt. Aber als namhafte Einwechseloptionen sind Müller und Hummels eben auch nicht vorgesehen. „Ich erwarte von ihnen das, was uns gefehlt hat: dass sie Führung und Verantwortung übernehmen“, sagte Löw. „Ich habe diese Entscheidung aus absoluter Überzeugung getroffen.“

Der Bundestrainer glaubt nicht, dass dies im Binnenverhältnis der Mannschaft zu Komplikationen führen wird. „Beide sind sehr integrativ in ihrer Persönlichkeit“, sagte Löw über die Rückkehrer, sie könnten sich schnell wieder einfinden, kennten auch die Denkweise und Philosophie des Teams. Trotzdem hat er mit einigen seiner Spieler rund um die letzten Länderspiele Ende März über das Thema gesprochen. Vorbehalte scheint es demnach nicht gegeben zu haben.

Trotzdem: Es geht um mehr als um die Frage, ob Müller und Hummels ihre angestammten Rückennummern, die 13 und die 5, zurückerhalten werden. Eine Frage, die Löw nicht mal beantworten konnte. „Keine Ahnung“, sagte er. „Mit so was beschäftige ich mich nicht.“

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