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Hopper. Theo bei einer Begegnung der zehnten Liga im Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion in Bad Freienwalde.

© NWH

Über 100 Fußballplätze besucht: Der zweijährige Nachwuchshopper

Bei seinem ersten Besuch eines Fußballspiels war Theo fünf Wochen alt. Inzwischen ist er mit seinem Vater sehr oft unterwegs. Auch schon im Ausland.

Das Testspiel zwischen Hertha 03 Zehlendorf und Eintracht Mahlsdorf in der Sachtlebenstraße beginnt gleich. Theo ist ganz nah dran. Er läuft zum Spielfeld. An der Seite liegen gelbe und grüne Hütchen als Begrenzung. Theo setzt sich einen auf. An dieser Stelle schreitet Sebastian ein, nimmt ihm das Hütchen vom Kopf und legt es wieder hin.

Theo hat bislang Fußballspiele auf über 100 Plätzen besucht, vor allem in Berlin und Brandenburg. Aber auch in Hessen beim SV Bauerbach, in Sachsen-Anhalt bei Saxonia Tangermünde und in Tschechien und Polen. Theo ist zweieinhalb Jahre alt und der Sohn von Sebastian. Auf Wunsch der Eltern erscheinen nur die Vornamen. Der 38-Jährige ist Fan von Tennis Borussia und darüber hinaus einfach Fußball-Fan. „Ich lerne gerne neue Städte, neue Länder und neue Stadien kennen“, sagt er. Groundhopper lautet die landläufige Bezeichnung. Stadien abhaken, Ligen komplettieren, alles archivieren, das treibt Hopper an. So eng sieht Sebastian die Sache nicht, seine genaue Anzahl an besuchten Stadien kann der Rechtsanwalt nur schätzen. Die Zahl liegt auf jeden Fall „im hohen dreistelligen Bereich“.

Früher war er häufig komplette Wochenenden unterwegs, meist in Tschechien. Er hat zur besseren Verständigung sogar die Sprache gelernt. Inzwischen besucht er so oft es geht Spiele mit seinem Sohn. Es geht oft. Allein im klassischen Sommerpausenmonat Juni waren die beiden auf zehn Plätzen. Das weiß der Vater genau. Für den Sohn hat er eine handschriftliche Liste angelegt.

In den sozialen Medien gibt es regelmäßig Fotos und Spielberichte aus Theos Sicht unter „Der Nachwuchshopper – die Abenteuer von Berlins wahrscheinlich jüngstem Groundhopper“. Er macht Mut im Abstiegskampf („Alles Gute für die restlichen Spiele“) und freut sich über Aufstiege („Der Nachwuchshopper gratuliert recht herzlich“). Manche Texte erreichen via Facebook mehr als 6000 Leute.

Theo bei anderen Groundhoppern bekannt

Fällt zu Hause das Wort „Fußball“, zieht der Nachwuchshopper direkt seine Schuhe an. „Samstag ist unser gemeinsamer Tag“, sagt Sebastian, dessen Freundin Juliane ein Wochenendstudium in Wirtschaftsrecht absolviert. „Andere gehen mit ihren Kindern in den Wald, ich gehe mit Theo zum Fußball. Wir sind draußen. Er hat Spaß und ich auch.“ Wird Theo müde oder unleidlich, endet der Ausflug vorzeitig. Doch das passiert sehr selten.

Dinge, die einen Zweijährigen faszinieren, gibt es schließlich überall. Die Trommel eines Fans bei Freya Marienwerder, Rasenmäher und Feuerkäfer bei der U 21 des FK Teplice oder eine grasbewachsene Anhöhe beim Berlin-Ligisten SV Empor. Vor allem im Berliner Umland sei es großartig, sagt Sebastian: „Selbst für 20 Zuschauer wird der Grill angeworfen, alle sind sehr nett und freuen sich über Theo.“ Auch bei anderen Groundhoppern ist der junge Stadionsammler längst bekannt.

Auf längere Touren wie ins Arthur-Lambert-Stadion von Victoria Wittenberg kommt auch Theos Mutter öfter mit, dann wird vorher zum Beispiel ein Tierpark besucht. Oma, Opa und der Patenonkel schließen sich den Stadionbesuchen ebenfalls gelegentlich an.

Hoch hinaus. Vater und Sohn bei einem Spiel der Füchse Berlin am Wackerweg.
Hoch hinaus. Vater und Sohn bei einem Spiel der Füchse Berlin am Wackerweg.

© NWH

Ein Spiel sucht Sebastian nach mehreren Kriterien aus: Nicht zu voll, höchstens anderthalb Stunden Anreise, schön gelegen und möglichst eine Anlage, die er selbst noch nicht kennt. Immer klappt das nicht. Aber die Sachtlebenstraße beispielsweise ist auch mehr als einen Besuch wert. Das Spiel an einem Mittwochabend Anfang Juli läuft, der Vater steht auf der Gegengeraden mit ihren betagten Steinstufen. Der Sohn interessiert sich wenig für den Oberligisten Hertha 03 und Mahlsdorf aus der Berlin-Liga, er klettert die Stufen hoch oder rennt mit einem Stock in der Hand umher. Ab und zu läuft sein Vater hinterher, „aber hier kann ja nicht viel passieren“. Zudem ist der Abstand zwischen Zuschauerrängen und Spielfeld groß. Enge Plätze werden gemieden. Da wäre die Versuchung für den Nachwuchshopper zu groß, ein bisschen mitzukicken.

Mahlsdorf geht 1:0 in Führung, Theo ist derweil zu einem Hund unterwegs, der nah der Eckfahne liegt. Danach zieht es ihn weit weg vom Rasen, das Spielgeschehen ist nun durch hohe Hecken fast verdeckt. Sebastian nimmt es gelassen: „Natürlich kann ich mit ihm nicht 90 Minuten zugucken.“ Theo entdeckt nun einen niedrigen Tisch als neue Spielwiese und Mahlsdorf schießt nach gut einer Viertelstunde ein weiteres Tor.

Fünf Wochen alt beim ersten Spiel

Bei seinem ersten Spiel im Januar 2017, einem Testkick zwischen dem SD Croatia und dem Friedenauer TSC in der Tempelhofer Markgrafenstraße, war Theo fünf Wochen alt. Es war Winter. Ob damals dick eingepackt oder neulich bei 30 Grad im Schatten, Theo nimmt alles mit. Durchgehend schlafend zu Anfang, mittlerweile ständig auf Erkundungstour. Diese wird in Zehlendorf kurz unterbrochen. Ein Windelwechsel ist nötig.

Halbzeit, Mahlsdorf führt 2:1. Es ist 20 Uhr, normalerweise würde der Nachwuchshopper langsam die Heimreise antreten. Aber momentan sind Kita-Ferien und Theo ist gut drauf. Die zweite Halbzeit verbringt er größtenteils auf einem Sandhügel. Hertha 03 gewinnt noch 3:2. Den Abpfiff erlebt Theo auf „Field B“, einem Baseballfeld nebenan. Die Aufforderung, sich zum Kinderwagen zu begeben, quittiert er mit kurzen Unmutsäußerungen. Den ersten an diesem Abend. Dann rennt er zum Kinderwagen, steigt ein, lässt sich zum Ausgang schieben und verspeist zufrieden eine kleine Salzbrezel.

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