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Das Gerät im Blick. Marcel Nguyen konzentriert sich auf seine Übung.

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Turnen: Salto auf die Matte

Beim Finale der Deutschen Turn-Liga in Berlin versagen sogar den ganz Großen die Nerven. Ein Besuch bei einem Wettkampf mit Olympiaglanz.

Schwaben gegen Ostdeutsche – dieses Duell kennt man in Prenzlauer Berg nur allzu gut. Während im Kampf um Wohnungen und Ladenflächen die Konkurrenz aus dem Süden die Alteingesessenen im Berliner Szenebezirk schon verdrängt hat, war im Finale der Deutschen Turn- Liga in der Max-Schmeling-Halle noch alles offen. Beim Finale der besten vier aus Männer- und Frauen-Turnliga traten zwei Mannschaften aus dem Schwabenländle gegen zwei ostdeutsche Vereine an. Bei den Frauen kämpften die Stuttgarterinnen gegen die Chemnitzerinnen um den Titel. Außerdem forderten die Männer vom SC Cottbus den TV Schwäbisch Gmünd- Wetzgau im kleinen Finale zum Kampf um Platz drei heraus. Es sollte spannend werden.

Anfangs sah es noch gut aus für die Cottbuser, die ohne ihren schwer angeschlagenen olympischen Leistungsträger Philip Boy auskommen mussten. Zur Halbzeit, nach Boden, Reck und Ringen, stand es noch 23:18. Doch dann kam der Sprung von Steve Woitalla. Schon beim Anlauf zögerte er, bekam nicht die richtige Distanz zum Brett, sprang halbherzig über das Pferd und landete mit seitlich abgespreiztem Bein auf der Matte. Woitalla stand auf – nichts passiert. Oder?

Durch den verpatzten Versuch wurden dem Gegner zehn Punkte gutgeschrieben. Im taktischen Spielchen des Männerwettkampfs, bei dem die Trainer spontan die Einzelgegner aufstellen können, lag der psychologische Vorteil nun bei den Schwäbisch Gmündern. Was folgte, kann man getrost als Zerstörung bezeichnen. Die Cottbuser mussten sich am Ende mit 31:46 sogenannten „Scorepoints“ geschlagen geben. Während Steve Woitalla als letzter Athlet des kleinen Finals am Reck umherwirbelte und sogar noch drei Punkte für seine Mannschaft holte, feierten die Schwaben bereits Bronze. Woitalla zeigte sich am Ende geknickt: „Das ist bitter, dass meine Mannschaft meinetwegen zehn Punkte verliert.“ Bei den Damen siegten derweil die Mannheimerinnen mit einer überragenden Elisabeth Seitz.

Saarländer entthronen den Olympia-Zweiten

Und dann kam er endlich: der Star, auf den alle gewartet hatten. Die Ränge waren mittlerweile dicht besetzt mit Turnfans, von denen einige Stifte und T-Shirts mitgebracht hatten, um sich ein Autogramm vom zweifachen Olympia-Silbermedaillengewinner abzuholen. Marcel Nguyen hatte vorher auf Facebook gepostet: „Bisschen nervös bin ich schon, muss ich zugeben.“ Unter Fanfaren und tanzenden Lichtkegeln marschierten die Turnerinnen vom MTV Stuttgart und des TuS Chemnitz-Altendorf sowie die Herren vom KTV Straubenhardt mit Nguyen und der TG Saar ein. Bis zur Pause lieferten sich die Mannschaften knappe Wettkämpfe. Die Herren schenkten sich auch in der zweiten Pause am Sprung keine Punkte und zwangen die Kampfrichter mehrere Male zum Urteil „Unentschieden“.

Die Favoritinnen vom MTV Stuttgart zitterten in der Zwischenzeit mit ihrer Jüngsten: Tabea Alt, zwölf Jahre jung, stand nach einem Salto mit Seitwärtsdrehung wankend auf dem Balken und ruderte mit ihren Ärmchen gegen den Verlust ihres Gleichgewichts an. Zwei Mal fiel sie auf die Matte, aber unter dem Applaus der Zuschauer kletterte sie wieder auf den Schwebebalken und beendete ihren Abschlusssprung sauber, ebenso wie ihre kokett getanzte Bodenkür. Ihre Teamkollegin Kim Biu turnte ihre Mannschaft anschließend mit einer perfekten Bodenübung souverän zum Sieg. 2:0 im Duell Schwaben gegen Ostdeutsche.

Bei den Männern blieb es dagegen spannend bis zur letzten Disziplin. Die Straubenhardter Titelverteidiger hinkten den Konkurrenten aus Saar wenige Punkte hinterher, obwohl Nguyen mit fast perfekt geturnten Übungen den Rückstand der Schwarzwälder nie hatte einreißen lassen. Vor dem Showdown am Reck stand es 27:25. Als Erster trat Eugen Spiridonov an und heimste drei Punkte ein. „Dass ich als Erster angetreten bin, war gut, weil es meine Teamkollegen motiviert hat“, erklärte er die Taktik der Saarländer. Die schickten als nächsten Turner Nguyen ans Reck – eigentlich ein Garant für Punkte.

Doch dann kam sie wieder, die Nervosität. Der 25-Jährige verfehlte nach einem Salto das Reck und landete auf der Matte. Nguyen suchte den Grund bei der hohen Belastung. „Nach Olympia war mir gar nicht bewusst, dass es noch mal so krass wird“, sagte er. Nach dem Patzer ihres Leistungsträgers kamen die Straubenhardter nicht wieder in den Wettkampf. Mit einem Endstand von 37:30 mussten sie sich den jubelnden Saarländern geschlagen geben, die von ihren Fans lauthals gefeiert wurden. „Das ist das beste Gefühl, das es gibt“, sagte Vorturner Spiridonov.

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