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Außer Rand und Band. Auch auf den Fanmeilen kann wieder ausgelassen gefeiert werden wie bei der WM 2014.

© imago/MIS

Trotz Fifa, Putin und DFB-Affäre: Wir können uns auf die Fußball-WM in Russland freuen

Das Spiel ist immer noch größer als Kommerz und Korruption. Um die WM nicht zu Putins Festspielen zu machen, sollten Politiker allerdings gar nicht erst hinreisen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Bald werden sie wieder flattern, die schwarzrotgoldenen Wimpel und Fähnchen, von Balkonen, an Autos oder Fahrrädern. Es ist, seit dem Sommermärchen 2006, die zivilste, beschwingteste Volkskundgebung. Ohne politische oder nationalistische Aufladung. Wir sind ein Volk – das Volk der Fans.

Und andere Fans, aus anderen Teilnehmerstaaten der demnächst beginnenden Fußball-Weltmeisterschaft, sollten nicht nur auf den WM-Meilen willkommen sein. Solange aus Fans nicht (aggressive) Fanatiker werden, herrscht demnächst wieder der heiterste Ausnahmezustand.

Den ersten Staatsakt hierzu, die Verkündung des endgültigen Kaders der Nationalmannschaft, hat der Bundestrainer jetzt wieder gewohnt unstaatsmännisch vollzogen, im T-Shirt und allein mit seinem Espresso bewaffnet. Etwas tragikomisch wirkte allenfalls, dass Joachim Löw auch „den Angehörigen“ der vier nach Hause geschickten Spieler sein Beileid aussprach. Doch das war halt freundlich gemeint und kein Trauerfall. Fußball ist zwar für manchen das halbe Leben. Aber es bleibt: nur ein Spiel.

Allerdings das größte der Welt. Gewachsen sind deshalb auch der Kommerz, die Korruption und vor allem innerhalb des Weltfußballverbands Fifa der Größenwahn. Und dennoch ist das Spiel schöner, aufregender und letztlich größer als die dahinter oder daneben stehenden Funktionäre. Der deutsche WM-Sommer von 2006 war ja nicht weniger real und für alle Welt so märchenhaft sympathisch, nur weil es, wie man inzwischen weiß, bei der WM-Vergabe zuvor wohl nicht allein mit sauberen Mitteln zuging.

Mehr als solch ein Schatten liegt nun auch über dem aktuellen Gastgeber Russland – und in vier Jahren über dem Ölemirat Katar. Da geht es nicht allein um Geld und Günstlinge. Die WM findet 2018 und 2022 in Ländern statt, in denen Demokratie und Menschenrechte bloß eingeschränkt existieren.

Und wie ein Menetekel kehrt jetzt, nach vierzig Jahren, die Erinnerung wieder an die WM 1978 in Argentinien: Als damals Fußball gespielt wurde, während zur selben Zeit im selben Land unter einer Militärdiktatur gefoltert und gemordet wurde.

Den Autokraten nicht hofieren

Dass Russland in Syrien einen Tyrannen unterstützt, die Krim völkerrechtswidrig annektiert hat und die Verantwortung etwa für Flugzeugabschüsse oder die Ermordung kritischer Journalisten stur von sich weist, daran ändert eine Fußball-WM so oder so nichts.

Ein Boykott der längst vergebenen WM hätte niemandem geholfen. Aber Politiker, die zu Recht Fußballer rügen, wenn sie – wie im Fall Özil und Gündogan – mit einem Halbdiktator posieren, sie sollten diesen Maßstab für eine unnötige, eitle oder zumindest geschmacklose Verbindung von Sport und Politik auch für sich selbst gelten lassen.

Ein Bundespräsident, eine Kanzlerin oder ein Minister, der sich auf der Tribüne vor Millionen Fernsehzuschauern in die Nähe von Putin und Co. begibt, wirbt in diesem Moment nicht für den Fußball und nicht für Völkerverständigung. Sondern hofiert den Autokraten. Für derlei Politik aber sollte gerade diese WM kein Schau- und Showplatz sein.

Die Vorfreude und die Spannung gilt dem Sportlichen. Deutschland ist zwar noch Weltmeister, aber angesichts von Spanien, Brasilien und den unfassbar begabten jungen Franzosen nicht der Favorit. Das öffnet den Raum für positive Überraschungen. Den Titel gewinnen kann ja auch ein Außenseiter. Wie 2014.

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