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Ingo Schiller lacht, obwohl er aktuell mit vielen Unbekannten planen muss.

© imago/Matthias Koch

Trotz Einbußen durch Corona: Hertha BSC steht vergleichsweise gut da

Am Sonntag hält Hertha BSC die turnusmäßige Mitgliederversammlung ab. Geschäftsführer Ingo Schiller kann dann auch positive Zahlen verkünden.

Ingo Schiller sprach einen Satz, wie ihn im Moment wohl alle Führungskräfte aus der Fußball-Bundesliga sprechen könnten. „Unsere finanzielle Leistungskraft ist eine völlig andere als vor einem Jahr“, sagte der Geschäftsführer von Hertha BSC. Die meisten Klubs müssen gerade schauen, wie sie über die Runde kommen. Einigen drohte vor der Fortsetzung des Spielbetriebs sogar die Insolvenz. Bei Hertha hingegen haben sich die Dinge in den vergangenen zwölf Monaten deutlich zum Positiven entwickelt.

Hertha BSC, das einstige Sorgenkind, steht trotz der Coronakrise vergleichsweise gut da. „Das hat ganz viel mit der strategischen Partnerschaft mit der Tennor-Gruppe zu tun“, erklärte Schiller. Das Unternehmen von Lars Windhorst hat im vergangenen Sommer in zwei Tranchen für insgesamt 224 Millionen Euro 49.9 Prozent an der Hertha BSC Kommanditgesellschaft auf Aktien (KgaA) erworben.

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Durch Windhorsts Einstieg ist das Eigenkapital der KgaA vom 31. Dezember 2018 zum 31. Dezember 2019 von 12,6 Millionen Euro auf 182,5 Millionen gestiegen. Im selben Zeitraum hat Hertha das Barvermögen von 3,2 Millionen Euro auf 109 Millionen erhöht. Das Geld ist so auf verschiedene Konten verteilt, dass der Verein keine Strafzinsen zahlen muss. „Ein solches Thema hatten wir auch noch nie“, sagt Schiller.

An diesem Sonntag wird der Berliner Bundesligist seine turnusmäßige Mitgliederversammlung abhalten, angesichts der Coronavirus-Pandemie jedoch nur digital. Und normalerweise stellt Schiller bei dieser Gelegenheit seine Planungen für die neue Saison vor. Aber auch das ist aktuell nicht möglich, erläuterte Herthas Finanzgeschäftsführer am Freitag in einem Mediengespräch.

Durch das Derby gehen Hertha zwei Millionen Euro verloren

Selbst für die laufende Spielzeit hat Schiller nach eigenen Angaben „massive Änderungen“ an der Planung vornehmen müssen. In allen Bereichen (Zuschauereinnahmen, Werbung, Medienerlöse) ist mit Einbußen zu rechnen. Dass bis zum Saisonende vier Heimspiele ohne Publikum stattfinden, hat für Hertha eine Mindereinnahme in siebenstelliger Höhe zur Folge. Allein das ausverkaufte Derby gegen den 1. FC Union an diesem Freitag hätte dem Klub eine Einnahme von zwei Millionen Euro beschert. Alles in allem kalkuliert Schiller einen „deutlich zweistelligen Millionenbetrag“ als Verlust ein.

Als Hertha im Februar bei der Deutschen Fußball-Liga den Antrag für die Lizenz zur neuen Saison eingereicht hat, war die aktuelle Entwicklung durch die Coronavirus-Pandemie noch nicht abzusehen. Die Planung, die Schiller damals erstellt hat, ist längst obsolet. Und auch wenn alle Erst- und Zweitligisten die Lizenz erhalten haben, müssen sie bis September noch aktuelle Zahlen nachreichen.

„Wir hätten mit einem operativen Gewinn geplant“, sagt Schiller. Unter den aktuellen Bedingungen sei das allerdings nicht möglich. Derzeit rechnet er damit, dass Hertha auch in der Hinrunde der neuen Saison in einem leeren Olympiastadion wird spielen müssen und dies zu einer Einbuße von sieben Millionen Euro führt. Auch bei den Transfereinnahmen geht Herthas Finanzgeschäftsführer „von einer sehr deutlichen Reduktion“ aus, wenngleich die Entwicklung auf dem Transfermarkt die am schwierigsten vorherzusehende sei.

Hertha hat über Umzug ins Amateurstadion nachgedacht

Womöglich profitiert Hertha dank des Einstiegs von Windhorst sogar davon. Als Gewinner der Situation will sich Schiller zwar nicht bezeichnen, er glaubt aber, „dass wir auf der Chancenseite unterwegs sind“ – dass Hertha also Spieler verpflichten könnte, die im vergangenen Jahr noch unerschwinglich gewesen wären.

Da trifft es sich gut, dass Windhorst vor kurzem seine Bereitschaft erklärt hat, noch einmal bis zu 150 Millionen Euro zu investieren. „Dass jetzt ein guter Zeitpunkt wäre, das ist unstrittig“, sagte Schiller. „Das heißt aber nicht, dass man kurzfristig zusammenkommt.“

Noch nicht geklärt ist auch die Frage, ob Herthas Miete für das Olympiastadion gemindert wird. Man befinde sich mit der Stadiongesellschaft und dem Senat im Austausch, sagte Schiller, aber es gebe weiterhin unterschiedliche Ansichten, was unter den gegebenen Bedingungen eine angemessene Miete sei.

Hertha hat sogar Überlegungen angestellt, für die Geisterspiele ins deutlich kleinere Amateurstadion auszuweichen. Ein Umzug habe sich allerdings als nicht realisierbar herausgestellt. „Das Bild ist ein anderes“, sagte Schiller. Das Amateurstadion sei letztlich eben doch nur „ein Trainingsplatz mit fünf Stufen“.

Solche Probleme hätte der Klub nicht, wenn er in seiner eigenen Arena spielen könnte. Die Vorbereitungen für einen Neubau liefen im Hintergrund weiter, erklärte Schiller. Allerdings habe sich die Planung durch die Coronakrise noch mal verzögert. Eigentlich sollte am 25. Juli 2025 die Eröffnung des Stadions stattfinden. Der Termin steht weiterhin, aber, sagt Ingo Schiller, „er ist nicht wahrscheinlicher geworden“.  

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