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Lucien Favre

© dpa/Bernd Thissen

Triumph für Dortmund gegen Bayern: Die Lust aufs Gewinnen

BVB-Trainer Favre sieht trotz starker Leistung gegen Bayern noch Steigerungsbedarf. Und: Die Vereinsführung will sich gegen Abgänge nach München wehren.

Von David Joram

Lucien Favre lächelte sein feines Lächeln. Fast so, als hätte dieses nervenaufreibende Spitzenspiel gegen den FC Bayern nicht stattgefunden. Weil aber auch der Dortmunder Fußballtrainer der Realität nicht entschwinden konnte, versuchte er das 3:2 seines Teams gegen die Münchner am Samstagabend einzuordnen. „Dortmund eins, Gladbach zwei“, zählte Favre die neue Rangordnung im deutschen Fußball auf. Dann stockte er und fragte tatsächlich: „Wer ist Nummer drei?“ Favre meinte die Frage ernst. Ihm fiel zunächst nicht ein, dass die Bayern zu diesem Augenblick noch auf Rang drei der Tabelle rangierten. Wer will es ihm verübeln?

Der Meister und Rekordmeister ist im Moment eben nur noch ein x-beliebiger Bundesligist, eine x-beliebige Nummer. Dritter, Vierter, Fünfter, egal. Den Anspruch auf Platz eins, den hat jetzt Borussia Dortmund. Spätestens an diesem Abend wurde klar, dass nicht mehr der FC Bayern und sein Ballbesitzfußball der Fixpunkt in dieser Bundesliga-Saison ist, sondern der BVB mit seinem herausragenden Umschaltspiel.

Dass die Dortmunder diese schönste aller Positionen für sich reklamieren dürfen, beinhaltet gleichermaßen, dass die Bayern den Anspruch auf sie erstmal verloren haben. Schon in den vielen weniger guten Spielen gegen Hertha (0:2), Freiburg (1:1), Mönchengladbach (0:3) oder Augsburg (1:1) hatte sich das angedeutet. Da spielten die Münchner allerdings auch schluderig bis sehr schlecht. Gegen Dortmund spielten sie teilweise exzellent oder „verrückt“, wie Favre etwa das grandiose Spiel von Franck Ribéry nannte. „Positiv verrückt“, schob er nach. Doch obwohl der FC Bayern sogar zweimal führte – er verlor trotzdem.

Mehr noch als die Bayern verströmte der BVB die Lust aufs Toreschießen, aufs Gewinnen. Nach der Pause, etwa eine Stunde war gespielt, da sprinteten die Dortmunder, belebt auch vom zur zweiten Halbzeit eingewechselten Mahmoud Dahoud, ein ums andere Mal mit so hoher Geschwindigkeit aufs Gästetor zu, dass der Münchner Abwehrblock sich wie der Bahnhof in Wolfsburg vorkommen musste – vom rasenden Express schlicht ignoriert. Die bildschönen Tore zum 2:2 durch Marco Reus und zum 3:2 durch Paco Alcácer rundeten die wilde Fahrt ab.

Betagt gegen jung

Die Münchner hingegen scheinen eine ihrer früheren Stärken eingebüßt zu haben. Kamen sie sonst meistens zurück, wenn es darauf ankam, wackelten sie nun in entscheidenden Momenten – und waren gerade gegen Ende des Spiels zu langsam. Mats Hummels, der nach eigener Aussage schwer erkältet ins Spiel gegangen war, verbummelte gleich zweimal den Ball, Manuel Neuer verschuldete den Elfmeter, der zum 1:1 durch Marco Reus führte, und Thomas Müller agierte so teilnahmslos, als hätte er sich das Spiel von der Ersatzbank anschauen dürfen. Ihn anstelle des technisch besseren (aber zu spät zum Abschlusstraining erschienenen) James Rodriguez zu bringen, war eher kein Geistesblitz von Trainer Niko Kovac, wobei das Müllers Ehefrau Lisa vielleicht anders bewertete.

So aber liegen die betagten Bayern in der Tabelle nun schon sieben Punkte hinter den jungen Dortmundern zurück. Sieben Punkte nach elf Spieltagen auf einen Tabellenführer, der obendrein den frischeren, den effektiveren Fußball bietet. Die Frage drängte sich auf, wie die Bayern damit nun umgehen, mit dem Rückstand und der Erkenntnis, dass sie jetzt zu den Teams zählen, die Dritter, Vierter oder Fünfter sein können, so schnell aber nicht wieder Erster.

Hoeneß kündigt Umbruch für 2019 an

Tief im Bauch des Dortmunder Stadions redeten die Verantwortlichen die negativen Folgen der Niederlage zunächst klein – und verwiesen auf das tolle Spiel. Trainer Niko Kovac gab zwar zu, dass noch einiges zu tun sei. „Mit dieser Leistung können wir aber zufrieden sein. Das war das beste Spiel seit Schalke, spielerisch, kämpferisch, taktisch.“ Ähnlich hörte sich das auch beim Sportdirektor der Bayern an. „Wir haben das Spiel in der ersten Halbzeit dominiert, wir haben tollen Fußball gespielt“, sagte Hasan Salihamidzic. Erstklassig habe die Mannschaft gespielt, was für Hälfte eins sogar stimmte. Außerdem verwies Salihamidzic auf die frühe Phase der Saison. „Ganz ruhig, wir haben jetzt den elften Spieltag, 23 sind noch zu spielen. Es sind noch viele Punkte zu vergeben“, sagte er. Und: „Wir werden noch zurückkommen.“

Ob Präsident Uli Hoeneß genauso denkt? Am Sonntag schloss er zwar Neuverpflichtungen in der Winterpause aus: „Nein, wir werden sicherlich keine Aktivitäten am Transfermarkt machen“, sagte er im TV-Sender Sky. Gleichzeitig kündigte Hoeneß für 2019 aber einen Umbau des Kaders an: „Wir werden nächstes Jahr, wenn der zweite Schritt des Umbruchs kommt, sicherlich das Mannschaftsgesicht ziemlich verändern.“

Borussia Dortmunds Boss Hans-Joachim Watzke will sich jedoch dagegen wehren, dass sich die Bayern auch bei ihrem schärfsten Konkurrenten bedienen. „Dass im nächsten Jahr einer von unseren Jungs das Trikot von Bayern München trägt, würde ich ausschließen“, sagte er. „Wir haben da ein bisschen vorgesorgt. Bei uns gibt es keine Ausstiegsklausel.“

Es muss dies den Bayern vielleicht ein bisschen Angst machen – zumal Dortmunds Trainer auch noch Dinge erkannt hat, die er bei seiner Mannschaft verbessern möchte. „Es sind noch sehr viele Sachen zu korrigieren“, erklärte er, "kleine Details, aber sehr sehr wichtige". Was genau dies sein soll, darauf wollte Lucien Favre nicht eingehen. Er lächelte nur wieder sein feines Lächeln.

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