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125 Kilometer Laufen, 540 Kilometer Radfahren und zwölf Kilometer Schwimmen: der Triple-Ultra-Triathlon.

© imago/PanoramiC

Triple-Ultra-Triathlon: 58 Stunden kein Schlaf, nur Sport

Triple-Ultra-Triathleten absolvieren die dreifache Strecke eines Ironmans – mit dabei: der Berliner Lars König. Ein extremer Lauftreff.

Ein Sportreporter, der nicht gerade im Kriegsgebiet unterwegs ist, braucht selten großen Mut. Es sei denn, er verabredet sich mit einem Ultra-Triathleten zum Laufen. Um genau zu sein, geht es um Triple-Ultra-Triathlon. Das ist das Dreifache einer Ironman-Distanz: gut 125 Kilometer Laufen, 540 Kilometer Radfahren und zwölf Kilometer Schwimmen. Allein die Laufstrecke entspricht einem dreifachen Marathon. Maximal 58 Stunden hat man dafür Zeit, also gut zweieinhalb Tage. Ohne Schlaf, ständig in Bewegung, praktisch ohne Pausen. In Deutschland machen das weniger als 50 Menschen, die sich ab diesem Freitag zum 25. Mal in Lensahn an der Ostsee zum Triple-Ultra-Triathlon treffen. Ein Wettbewerb der Extreme.

Lars König vom TuS Neukölln ist dabei. Der Berliner läuft zusammen mit seiner Freundin und der fünf Jahre alten Tochter, die am Kinder-Triathlon teilnimmt.

Der 46-Jährige steigt am Stadion am Ostpreußendamm in Lichterfelde aus seinem alten Golf. Die schwarze Funktionskleidung spannt an seinem stämmigen Körper, die rasierten Waden sind dick wie anderer Leute Bizeps. Aber Lars König wirkt entspannt, eine Woche vor dem Wettkampf, und gleichzeitig getrieben.

Lars König, sind Sie verrückt? „Verrückt, ja...“

Diesmal laufe er nur eine Stunde, beruhigt er den Reporter, die Distanz sollte zu schaffen sein. „Für mich ist das heute aktive Erholung, damit der Körper weiter Kalorien verbrennt“, sagt König, „was ich bisher nicht an Trainingsumfängen gemacht habe, könnte ich jetzt sowieso nicht mehr nachholen.“

Er tauscht die Brille gegen ein verspiegeltes Modell und läuft los, seine Stammstrecke am Kanal entlang, in der Mittagshitze, bei über 30 Grad Celsius. Die drängendste Frage muss zuerst gestellt werden, bevor die Luft ausgeht: Lars König, sind Sie verrückt? „Verrückt, ja...“ Er lacht und schnauft. „Andere sagen, ich bin verrückt. Und ich sage, ich will meinen Spaß haben.“ Ständig würden ihn Leute fragen: „Sag mal, wie machst du das?“ „Ich mach’s einfach“, antworte er dann nur.

Und überhaupt: „Es gibt Leute, die sind noch verrückter als ich.“ Er spricht vom Deca. Also dem Triple-Deca-Ultra-Triathlon. Dort absolvieren Menschen in der Schweiz an 30 Tagen hintereinander jeden Tag einen kompletten Ironman. „Das ist ihre Lebensphilosophie, die wollen das ausleben.“ Das würde König auch gerne machen, aber ihm fehlen die Zeit und das Geld für einen ganzen Monat Non-Stop-Triathlon. Nicht jeder kann sein ganzes Leben danach ausrichten.

Seine Beine schwingen wie ein Pendel, er ist ein Uhrwerk

Wenn Lars König läuft, dann schwebt sein Oberkörper fast in der Luft, die Beine darunter schwingen gleichmäßig wie ein Pendel. Der ganze Körper ist ein Uhrwerk, komplett gestellt auf Ausdauer. „Ich bin Einzelkind, die müssen sich immer beschäftigen und durchboxen“, sagt er. „Ich habe mich immer wieder reingesteigert.“ Fußball, Leichtathletik, Mittelstrecke, Langstrecke, Marathon, Triathlon, mit 18 der erste Ironman. Als er den Job als Telekommunikations-Techniker aufgab, qualifizierte er sich für Hawaii. Der Lebenstraum der meisten Triathleten. Er fragte sich: „Was gibt es da noch?“

Mittlerweile arbeitet König selbstständig, trainiert täglich, mindestens acht Stunden die Woche. Seine Freundin Miriam Rau lernte er über das Laufen kennen. Tochter Lucy meldete er mit drei Jahren erstmals beim Kinder-Triathlon an, mit bis zu 100 Metern Schwimmen, drei Kilometern Radfahren und 1,5 Kilometern Laufen. Alle kriegen Urkunden.

„Ganz ehrlich, es ist wie eine Sucht“, sagt König. „Wenn ich eine Woche nicht trainieren würde, würde mir etwas fehlen. Glück erlebe ich in meinem Sport, draußen in der Natur. Bewegung ist meine Lebenserfüllung, je länger, je besser.“ Er stapft weiter über den Waldweg, schnaufend an Bäumen und Bächen vorbei. Immer bis zum nächsten Abschnitt, sagt er sich. „Wenn ich an die ganze Strecke denken würde, würde ich durchdrehen.“

Du bist im Tunnelblick, übermüdet, hast keine Kraft mehr

Lars König läuft konstant, gutes Jogger-Tempo. Im Wettbewerb würde er irgendwann langsamer werden. Zwei Tage in Höchsttempo halten auch Ultra-Triathleten nicht aus. Irgendwann sehen sie eher aus wie Geher als wie Läufer. Trippel-Triathlon wäre da fast treffender. „Lange Schritte macht die Muskulatur dann nicht mehr mit. Du bist im Tunnelblick, übermüdet, hast keine Kraft mehr, alles tut dir weh und du bewegst dich einfach irgendwie nur noch fort.“ Manchmal legt er sich auch eine halbe Stunde an den Streckenrand und hält ein Nickerchen. Aber danach fällt das Aufstehen schwer.

Durch Motivationslöcher helfen Familie und Freunde, die er als Team eingespannt hat, die ihn mit Snacks, Getränken und aufmunternden Worten versorgen. Und die anderen Läufer. „Da treffen sich jedes Jahr 50 Verrückte, die Spaß an der Langstrecke haben und sich gegenseitig unterstützen“, sagt König über Lensahn, einer Art Familientreffen der Szene.

Wenn man sich Internetvideos des Triple-Ultra-Triathlons anschaut, dann herrscht in dem Ostseedorf Volksfeststimmung. Die 5000 Einwohner stehen jubelnd an den Banden oder sitzen picknickend am Beckenrand, die Teilnehmer lächeln in die Kameras, klatschen sich ab, greifen in Eistonnen nach Getränken oder zu Bananen. König sagt, er habe schon Leute gesehen, die beim Laufen eine Pizza gemampft oder die Zuschauer am Rand nach einer Bratwurst gefragt hätten.

Sanitäter brachten König in eine Klinik, er wehrte sich tobend

Der Körper entwickelt unter extremen Belastungen gewisse Eigenheiten. Viele Ultra-Triathleten haben Blutwerte, die bei normalen Patienten auf einen nahenden Herzinfarkt hindeuten würden. Einmal, nach einem 24-Stunden-Radrennen bei 35 Grad, brachten Sanitäter König ins Krankenhaus. Er sähe blass aus. Die Werte gingen Richtung Nierenversagen, eine Woche hing er an Schläuchen. „Ich habe getobt und mich gewehrt“, sagt er.

Ein Anruf bei Sportmediziner Oliver Miltner, natürlich nicht während des Laufens. Wie gesund ist Ultra-Triathlon? „Das ist nichts für Normalsterbliche, diese Leute haben über Jahre Grundlagen ausgebildet“, sagt der Mannschaftsarzt der BR Volleys. Auch wenn es vielen um den Kick geht, süchtig nach Glückshormonen könne man nicht werden. Trotzdem pocht er bei den Extremsportlern auf eine enge sportmedizinische Betreuung, um Risiken auszuschließen. „Und bei solch hoher Laufbelastung können langfristig Schäden am Bewegungsapparat entstehen, durch Verschleiß.“

Dennoch bleiben viele Triathleten und Marathonläufer bis ins hohe Alter aktiv. Das Interesse an Ausdauersport ist hoch in der Bevölkerung. „Viele Menschen spüren ihren Körper im Büro doch gar nicht mehr“, sagt König. Er selbst will so lange laufen, wie er kann.

'Alles für einen Moment' ist die Devise

Wenn Lars König über andere Läufer redet, fallen Vokabeln wie „verrückt“ oder „gefährlich“. Wenn man nach ihm und seinen Risiken fragt, weicht er schnell aus und erzählt, wie viel ihm der Sport gibt. Die blauen Augen flackern dann oft wie bei Christoph Daum, als der Fußballtrainer versprach: „Visionen schaffen Fakten.“ So wirkt König gleichzeitig wie jemand, der sich gefunden hat und sich doch weiter sucht, sozusagen laufend. Das alles für diesen einen Moment. „Wenn ich durch das Ziel komme, bin ich erleichtert. Und ich kann sagen, ich bin einer von ganz wenigen Leuten, die sowas überhaupt können. Ich will Vorbild sein und Leuten sagen: Ihr könnt das!“

Der Reporter kann das nicht. Nach einer Stunde Laufen in der Sommerhitze ist die Belastungsgrenze spürbar erreicht. Wieder am Stadionparkplatz angekommen, wechselt Lars König die Brille und streift statt des Laufshirts ein anderes Laufshirt über. Ein Leben für den Sport. Für Lensahn haben sich er und seine Freundin ein Ziel gesetzt. Sie wollen die Strecke in unter 50 Stunden schaffen. Dann sind sie rechtzeitig im Ziel, um Tochter Lucy vom Kinder-Triathlon abzuholen.

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