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Kurve um Kurve. Bei den „Neun Stunden von Kyalami“ siegte der Porsche 911 des „Frikadelli Racing Teams“.

© Jürgen Tap

Traum von der Formel 1: Wie sich Südafrika den großen Motorsport zurückholen will

In Südafrika träumen einige von der Formel 1. Doch ob sich dort internationaler Motorsport überhaupt etablieren kann, ist fraglich.

Von Sabine Beikler

Kyalami steht für eine andere Motorsport-Zeit. Eine Zeit, als der Motorsport noch gefährlich war – und die Fahrer einen exzessiven Lebensstil pflegten. Zwischen 1967 und 1993 wurden in Kyalami insgesamt 20 Formel-1-Rennen gefahren. Hier feierten Fans wilde Parties, hier prügelte sich Formel-1-Pilot James Hunt mit Hollywood-Legende Richard Burton um Hunts Ehefrau Susan Miller, die Burton ihm abspenstig gemacht hatte. Das Wort Kyalami bedeutet auf Zulu „mein Heim“ – und dieses „Heim“ liegt in der Nähe der größten Metropole Südafrikas, Johannesburg.

Nach 26 Jahren kehrte am vergangenen Wochenende der große Motorsport mit den „Neun Stunden von Kyalami“ als Finale der Intercontinental GT Challenge zurück nach Südafrika. Aber wird der Motorsport wieder eine Zukunft haben in einem Land, das sich in einer der schwersten wirtschaftlichen und politischen Krisen seit 30 Jahren befindet?  

Formel-1-tauglich. Der Kurs in Südafrika stünde bereit.
Formel-1-tauglich. Der Kurs in Südafrika stünde bereit.

© Jürgen Tap

Jody Scheckter, ehemaliger Formel-1-Weltmeister und einer der prominentesten südafrikanischen Rennfahrer, verbindet Kyalami mit Nostalgie. „Hier habe ich als junger Bursche die ersten Rennen erlebt, hier habe ich die ersten Runden auf dem Rennkart gedreht, hier habe ich den Großen Preis von Südafrika 1975 in der Formel 1 gewonnen“, wird der 69 Jahre alte frühere Ferrari-Champion zitiert, der mittlerweile als Biobauer in Südengland lebt.

So glamourös Kyalami einst war, nach 1993 geriet es für den internationalen Rennsport in Vergessenheit. Auf der Strecke trafen sich nur noch Fahrer aus nationalen Serien. Die Superbike-WM gastierte erstmals wieder 2009 in Kyalami. Doch kurz danach wurde der Vertrag wieder aufgelöst.

Die direkte Umgebung der Rennstrecke wurde in einen Business-Park umgewandelt, die 4,5 Kilometer lange Strecke drohte zu verrotten, die damaligen Eigentümer meldeten Insolvenz an. Bis dann 2014 Toby Venter, Chef von Porsche Südafrika und Großimporteur, auf einer Auktion die Strecke für 205 Millionen Rand, rund 13 Millionen Euro, ersteigerte. Der 64 Jahre alte Südafrikaner ist motorsportbegeistert und investierte rund 37 Millionen Euro in die Modernisierung der Strecke. 65 Prozent des Grand-Prix-Kurses wurden erhalten, die Zielgerade verlängert, vier neue Kurvenpassagen eingefügt und das Fahrerlager neu gebaut.

Ohne Hilfe der Regierung gibt es keine Formel 1

„Wir haben hier viele Jahre keinen Motorsport gehabt und eine Generation von jungen Leuten verloren, die motorsportbegeistert sind“, sagt Venter. Er verfolgt einen Traum: den internationalen Motorsport wieder zurück nach Südafrika zu holen. Venter hatte bereits Besuch vom Formel-1-Besitzer, dem Ecclestone-Nachfolger Chase Carey. Auch Jean Todd, Präsident des Motorsport-Weltverbandes Fia, schaute in Kyalami vorbei. Sie seien „sehr interessiert“, sagt Venter.

Doch die Millionensummen, die die Formel 1 für Antrittsgelder verlangt, sind nur mit Hilfe der Regierung aufzubringen. Obwohl Präsident Cyril Ramaphosa ein Motorsportfan ist – und seine Frau Porsche fährt – dürfte die Motivation der Regierungspartei ANC für Investitionen in den Motorsport angesichts der wirtschaftlichen Rezession nicht allzu groß sein.

Mehr als ein Viertel der 26 Millionen wirtschaftlich aktiven Südafrikaner findet keinen Job, die Hälfte der Jugendlichen ist arbeitslos. Das jährliche Wirtschaftswachstum liegt unter einem Prozent. Nach Ansicht der Weltbank bräuchte Südafrika Wachstumsraten von mindestens sieben Prozent, um die hohe Armut unter den 57 Millionen Südafrikanern ansatzweise zu minimieren. Und die Korruption ist inzwischen so weit verbreitet, dass Maßnahmen dagegen kaum Wirkung zeigen.

„Die Krise hat die obere Mittelschicht erreicht“, sagt David, ein Banker, der als Zuschauer nach Kyalami gekommen ist und seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte. Nach den hohen Steuern, die die wohlhabenden Südafrikaner zu zahlen haben, erwägt die Regierung jetzt auch noch Luxussteuern auf Fahrzeuge im oberen Preissegment. „Wer Motorsport liebt und aktiv fahren will, muss viel Geld haben. Und wer jung ist und dazu noch Talent hat, geht nach Europa“, sagt er. Motorsport sei auch nach der Apartheid noch ein „weißer Sport“.

Rennen um Rennen. Auch ohne Formel 1 wird die Strecke frequentiert befahren.
Rennen um Rennen. Auch ohne Formel 1 wird die Strecke frequentiert befahren.

© Jürgen Tap

Der Großteil der schwarzen Bevölkerung ist zwar autoverrückt wie der Shuttlebus-Fahrer John, der die Zuschauer rund um die Strecke von Kyalami chauffiert. „Aber wir können uns noch nicht einmal ein gutes Auto leisten“, sagt er. Dass sich neben Rugby, Fußball und Cricket auch der Motorsport wieder in Südafrika etablieren könnte, sehen viele Zuschauer, die am Sonntag zum Neun-Stunden-Rennen gekommen sind, eher skeptisch.

Mit der Ausrichtung des Finales der International GT Challenge 2019 war Venter ein erster Coup geglückt: Die Serie umfasst fünf Langstreckenrennen auf fünf Kontinenten in Australien, den USA, Japan und Belgien – und nun auch erstmals in Kyalami. In dieser Rennserie für GT3-Fahrzeuge starten die Hersteller nicht mit Werksteams, sondern unterstützen Kundenteams.

In dieser Rennserie für GT3-Fahrzeuge starten die Hersteller nicht mit Werksteams, sondern unterstützen Kundenteams. Bei dem Rennen traten 28 Teams und zehn Marken an: Aston Martin, Audi, Bentley, BMW, Ferrari, Honda, Lamborghini, Mercedes, Nissan und Porsche.

Gewinner. Toby Venter freut sich über den gelungenen Neustart.
Gewinner. Toby Venter freut sich über den gelungenen Neustart.

© Jürgen Tap

Die besten Chancen auf den Titelgewinn in der inoffiziellen GT-Weltmeisterschaft hatte Mercedes-Pilot Maxi Buhk, der das Gesamtklassement anführte. Doch schon nach einer knappen halben Runde musste Buhk wegen eines technischen Defekts den AMG-Boliden abstellen. Der Traum vom Titelgewinn war geplatzt. In den nächsten Stunden kämpfen Porsche und Mercedes um die Markenwertung. Ein Wendepunkt des Rennens kam nach sieben Stunden, als nach Gewitterschauern das Safety Car für fast eineinhalb Stunden auf die Strecke geschickt wurde.

Am Ende siegte das „Frikadelli Racing Team“ mit den Porsche-Piloten Nick Tandy, Mathieu Jaminet und Dennis Olsen. Der Norweger Olsen gewann dann auch den Fahrertitel, und Porsche siegte in der Herstellerwertung deutlich vor Mercedes.

So strahlte später neben den Gewinnern auch Toby Venter. Er freute sich über den gelungenen Neustart und hofft, dass sein „Fünfjahresplan im Kopf“ für Kyalami auch Realität wird. 2020 wird die Rennserie dort wieder Station machen. Aber ob die goldenen Formel-1-Zeiten noch einmal nach Kyalami zurückkehren, bleibt fraglich.

Die Reise nach Kyalami fand auf Einladung von Porsche statt.

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