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Hans-Jürgen "Dixie" Dörner ist im Alter von 70 Jahren verstorben.

© imago/Robert Michael

Update

Trauer um DDR-Fußballlegende: „Dixie“ Dörner im Alter von 70 Jahren verstorben

Hans-Jürgen Dörner gehörte zu den besten DDR-Fußballern und gewann mit Dynamo Dresden zahlreiche Titel. Nun erlag er einer schweren Krankheit.

Es ist kalt in Dresden an diesem Januartag, etwas Schnee liegt noch. Dieses Fotoshooting aber soll unbedingt im Freien stattfinden. Mit Corona hat das nichts zu tun, Hans-Jürgen Dörner mag den Großen Garten mit der kleinen Brücke am Carolaschlösschen einfach sehr. Und es ist auch nicht so, dass er sich um den Termin gerissen hätte. Die große Bühne abseits des Fußballplatzes ist nie seine gewesen, selbst zu aktiven Zeiten nicht. Auf dem Spielfeld dagegen – das wird in den 1970er-Jahren schnell klar – gehörte Dörner, den schon damals alle nur „Dixie“ nannten, zu den Besten der Welt.

Pünktlich ist er, gut gelaunt – und lässig gekleidet, erst recht für einen bald 70-Jährigen. Jeans, Kapuzen-Sweatshirt, dazu einen Schal und coole Stiefel. Das Thema ist ein anderes. Es geht um Dynamo, natürlich. Jeden Tag, sagt Dixie Dörner, beschäftige er sich mit dem Verein, der Leben und Leidenschaft für ihn bedeutet und dessen Rekordspieler er ist, auch 35 Jahre nach seinem Karriere-Ende.

Insgesamt 557 Pflichtspiele hat Dixie Dörner zwischen 1968 und 1986 im Trikot der Schwarz-Gelben bestritten, davon allein 65 im Europapokal. Zudem absolviert er 100 Länderspiele für die DDR-Nationalmannschaft. Seine Erfolgsliste – fünf Meistertitel, fünf Pokalsiege, Olympiagold 1976, dreimal Fußballer des Jahres in der DDR – hat nur ein Manko: Dass er die WM 1974 in der BRD wegen einer Gelbsucht verpasst.

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Mehr noch bleibt allerdings Dixie Dörners begeisternde Spielweise in Erinnerung: elegante Ballführung, technisch nahezu perfekt verbunden mit dem strategischen Blick für das Spiel und den Nebenmann. Torgefährlich ist er außerdem. Dixie Dörner, daran besteht kein Zweifel, erfindet die Position des Liberos, derjenige also, der die Abwehr zusammenhält, de facto neu.

Dynamo Dresden würdigt ihn als größten Spieler der Vereinsgeschichte. Er sei seiner Zeit voraus gewesen, sagen Experten rückblickend, und in den Medien wird er als „Beckenbauer des Ostens“ gefeiert. Es soll eine Würdigung sein für sein fußballerisches Wirken.

Dixie Dörner, das zeigt sich auch beim Fotoshooting wieder, kann mit dem Vergleich nichts anfangen. Wo sich Beckenbauer öffentlichkeitswirksam in Szene setzt, zieht sich Dörner lieber zurück. Keine großen Gesten, kein Pathos.

Mit dem Beckerbauer-Vergleich kann Dörner nichts anfangen

Sie seien, sagt er, zwei unterschiedliche Spielerpersönlichkeiten gewesen in verschiedenen Mannschaften und vor allem: in gegensätzlichen Systemen. „Bei uns“, erklärt der gebürtige Görlitzer und meint die DDR, „gab es keine Stars, die medial gepusht wurden.“ Das betont er in vielen Interviews der letzten zehn, zwanzig Jahre immer wieder, nur hören kann und will es niemand. Was auch an ihm selbst liegt, wie er weiß. Andere würden lautstark in Talkshows auftreten, sich ins Scheinwerferlicht stellen, Schlagzeilen produzieren.

So viel Aufhebens um seine Person ist Dörner sichtlich unangenehm. Seine fußballerische Leistung will er anerkannt wissen, das ist genug. „Ich bin nicht der Messias“, hat er mal gesagt. Als eher verschlossen beschreiben ihn frühere Mitspieler, „aber wenn das Lied ‚Mendocino' gespielt wurde, dann konnte er auch aus sich herausgehen.“

Dixie Dörner, die Lichtgestalt des DDR-Fußballs, will und kann das nicht. „Ich hatte nicht gelernt, mich zu verkaufen. Im Fußball ist viel Show, man muss sich präsentieren, hier ein Statement abgeben, dort Stellung beziehen. Das war ich nicht gewohnt, und das ist mir auf die Füße gefallen“, sagt er.

Tatsächlich endet seine Karriere, als andere so richtig beginnen: nach der Wende. Zunächst arbeitet Dixie Dörner im Trainerstab des Deutschen Fußball-Bundes, wo sie den studierten Sportwissenschaftler für seine Fachkompetenz schätzen. „Die Art und Weise“, so berichtet es der damalige Bundestrainer Berti Vogts, „wie er den jungen Spielern etwas vorgemacht hat, war außergewöhnlich.“ Am Beckenbauer-Vergleich kommt zwar auch er nicht vorbei, nur erzählt ihn Vogts anders: „Dixie Dörner war nach Franz Beckenbauer der beste deutsche Spieler seiner Zeit. Er hätte in der Bundesliga sehr viel Geld verdient.“

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Gereizt hat Dörner dies zu aktiven Zeiten nie. „Was den Fußball betrifft, war ich in Dresden immer zufrieden. Den Wunsch nach Veränderung hatte ich nie“, sagte er einmal. Erst als Trainer kann er dem Lockruf der Bundesliga nicht widerstehen, verlässt den DFB und wechselt im Januar 1996 zu Werder Bremen. Für ihn mehr Chance als Risiko, wie er betont: „Ich habe nicht lange überlegt und zugesagt. Schon als Spieler wollte ich Großes erreichen, und die Bundesliga ist nun mal das Größte für einen Trainer in Deutschland.“ Dass er in Bremen letztlich gescheitert ist, will Dixie Dörner so allerdings nicht stehenlassen. Zweimal hat er den Verein in den Europapokal geführt, ehe sie ihn im August 1997 entlassen haben. Danach folgen einige Trainerstationen: FSV Zwickau, Al-Ahly Kairo, VfB Leipzig, Radebeuler BC. Ein Angebot aus der ersten oder zweiten Liga bekommt er nie wieder.

Dafür zieht es ihn immer wieder nach Dresden zurück. 1967 war Dixie Dörner aus Görlitz gekommen, und aus seiner Heimatstadt stammt auch sein Spitzname, der inzwischen fast als Künstlername durchgeht. „Na komm, du kleener Dixie, kannst ruhig bei uns mitspielen“, haben ihn die älteren Jungs auf dem Bolzplatz zugerufen. Mit alten Autos oder dem Dixieland-Festival in Dresden hat der Name nichts zu tun.

„Dynamo Dresden ist anders“, hat Dixie Dörner vor drei Jahren in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zu seinem Entschluss erklärt, für immer bei den Dynamos zu spielen. 2013 wurde der Fan-Liebling mit den meisten Stimmen in den Aufsichtsrat von Dynamo gewählt, dem er bis zuletzt angehört hat. Später wurde er Ehrenspielführer. Auch in die "Hall of Fame" des deutschen Fußballs wurde Dörner aufgenommen.

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Seine große Leidenschaft aber war der Nachwuchs, immer wieder war er mit der Dynamo-Fußballschule unterwegs, zuletzt mussten die Camps jedoch coronabedingt ausfallen. „Das fehlt, weil ich sehr gerne mit der Jugend trainiere. Dadurch bin ich jung geblieben, die Bewegung hält mich fit.“ So spielte er bis zuletzt auch gerne für die Traditionsmannschaft.

Wie schnell die Zeit vergeht, wird Dörner zu seinem 70. Geburtstag vor einem Jahr einmal mehr bewusst, auch wenn er betont: „Ich habe kein Problem mit der Zahl.“ Zum Fotoshooting im Großen Garten am 18. Januar 2021 anlässlich seines Jubiläums sechs Tage später kommt er deshalb auch sehr gern.

Es ist einer von Dörners letzten öffentlichen Auftritten überhaupt. Ein Jahr später, in der Nacht zum Mittwoch, ist er nach langer, schwerer Krankheit gestorben. „Lieber Dixie“, kondoliert Dynamo auf der Vereinshomepage, „Du wirst uns unendlich fehlen und dennoch immer mit uns sein.“

Tino Meyer

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