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Auch Inter Mailands Sportdirektor Giuseppe Marotta will bis Transferschluss noch einige Deals einfädeln.

© picture alliance / dpa

Transfermarkt der Serie A: In Italien werden alle letzten Deals in einem Hotel verhandelt

Für die letzten Tage des Transfermarktes gibt es in Italien eine offizielle Wechselbörse in Mailand. Natürlich schaute auch die Polizei schon vorbei.

Das Hotel Sheraton San Siro hat sich herausgeputzt. Vor kurzem erst wurde es nach großen Renovierungen neu eröffnet, blitzblank ist die Inneneinrichtung. Und vor der Glastür steht ein Aufsteller mit der Aufschrift „Calciomercato“ – Fußballmarkt. So etwas gibt es nur in Italien.

Seit den 50er Jahren treffen sich Spielerberater und Sportdirektoren der Vereine in einem Mailänder Hotel, um in den letzten Tagen kurz vor Transferschluss noch den großen Coup zu landen. Die Berater wollen ihre Schützlinge bei einem besseren Klub unterbringen, die Sportdirektoren nach dem Saisonstart noch schnell den Kader verbessern. Bis Montagabend 22 Uhr haben alle Zeit dafür.

Nun kam sogar Giuseppe Marotta. Der 62-Jährige machte mit seinen Spielerkäufen erst Juventus Turin groß und ist seit diesem Jahr Sportdirektor bei Inter Mailand. Da hat er viel zu tun. Vor allem musste er den ehemaligen Kapitän Mauro Icardi loswerden, der vom Klub Schadensersatz wegen Mobbings will. Offenbar hat Marotta den Argentinier mit einem Leihgeschäft bei Paris Saint-Germain untergebracht. Zuvor holte er sich am Wochenende aber brav seine Akkreditierung am Hotel-Tresen ab. Leutselig schüttelte er Hände. Fernsehkameras umringten ihn. Sogar ein temporäres Pressezentrum gibt es hier, damit noch in Echtzeit von den Deals berichtet werden kann.

Marotta kam aber nicht wegen eigener Deals. Als Präsident des Verbandes der Spielerberater, der die Wechselbörse organisiert, schwärmte er lieber von den alten Zeiten. „Das ist mein 43. Sommertransfermarkt“, erzählte er. Launig erinnerte er sich, wie im Juli 1978, seinem zweiten Transfermarkt, die Polizei die Zentrale besetzte. Der rechtliche Status der Spielervermittler war nicht geklärt, die Spielervertretung hatte den Staatsanwalt bemüht. Und der hatte die Polizei geschickt, die kurzerhand Zeit alle Transfers unterbrach.

Diese Situation ist der heutigen gar nicht so unähnlich. Die Carabinieri ritten zwar nicht in das Hotel ein. Im rechtlichen Niemandsland befindet sich die Beraterszene aber doch. Bei der obligatorischen Prüfung, die Italiens Sportdachverband Coni im Frühjahr organisierte, erreichten nur acht von 815 Spieleragenten die notwenige Punktzahl. Alle anderen fielen durch. Mit einer Sonderregelung wurden die meisten aber dennoch zugelassen.

Die Beraterzahlungen der Klubs stiegen enorm

Ursache für das Durcheinander ist die Liberalisierung des Beratermarkts, die 2015 vom damaligen Fifa-Präsidenten Joseph Blatter veranlasst wurde. „Es gibt keine Klarheit in unserer Branche“, klagt Alessandro D’Amico, Spielerberater seit 25 Jahren, gegenüber dem Tagesspiegel. „Früher musste man eine Prüfung ablegen. 2015 wurde alles annulliert. Mit einer Garantiesumme von 500 Euro konnte sich jede x-beliebige Person als Berater anmelden“, sagt D’Amico. „Das wurde zu einem Chaos, wie ich es noch nicht gesehen habe. Und jetzt haben sie zwar versucht, die Situation zu verbessern. Sie haben die Prüfung aber so schwer gemacht, dass sie kaum jemand bestehen konnte.“

Mit der Blatterschen Deregulierung schossen die Einnahmen die Berater übrigens in die Höhe. So schätzte das Internationale Zentrum für Sportstudien im Schweizer Neuchâtel für die Saison 2010/2011 die Einnahmen der Berater aus den Transfers in der Serie A noch auf 57,9 Millionen Euro, so waren es 2015 schon 84,4 Millionen. 2016 wurde die Rekordbilanz von 193 Millionen Euro erreicht. Im vergangenen Jahr wurden noch 171 Millionen Euro von den Serie A-Klubs an die Berater gezahlt. Die Zahlen ab 2015 stammen vom italienischen Fußballverband. Nur 9,2 Millionen Euro machte übrigens das alte Kerngeschäft der Berater aus: So wenig zahlten laut Verband die Serie-A-Profis für die Beratungstätigkeit an ihre Agenten. Dass die Berater also bis zuletzt im Sheraton San Siro an großen Deals mit den Vereinen arbeiten, liegt da nur auf der Hand.

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