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Bei Olympia wird Laurel Hubbard in der Klasse Superschwergewicht antreten.

© REUTERS/ /Paul Childs

Trans Gewichtheberin bei Olympia: Das rückständige System ist das Problem – nicht Personen wie Hubbard

Die trans Athletin Laurel Hubbard polarisiert bei den Olympischen Spielen wie keine andere. Das Fairness-Argument entlarvt sich dabei selbst. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Inga Hofmann

Endlich ist es soweit: Der Moment, auf den Laurel Hubbard so lange hingearbeitet hat, steht bevor. Am Montag wird die neuseeländische Gewichtheberin zum ersten Mal bei den Olympischen Spielen in der Klasse Superschwergewicht bei den Frauen antreten.

Der Weg dorthin war lang: Als erste geoutete trans Athletin musste die 43-Jährige nachweisen, dass ihr Testosteronwert über einen bestimmten Zeitraum niedrig genug war, um bei den Frauen zugelassen zu werden.

Ihre Teilnahme polarisiert wie keine andere: Die einen sehen darin ein starkes Zeichen für Vielfalt, die anderen sprechen von einem unfairen Wettbewerbsvorteil. Der gängige Vorwurf: Als trans Frau hätte sie automatisch einen körperlichen Vorteil gegenüber cis Frauen, also Frauen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Diese Behauptung entlarvt, wie viel falsches Wissen über trans Personen kursiert.

Sportliche Leistung gleicht sich an

Eine britische Studie hat mit derartigen Vorurteilen nämlich längst aufgeräumt. Dort wurde die sportliche Leistung von trans Soldat*innen der US-Luftwaffe untersucht. Während sie vor der Hormonbehandlung mehr Liegestützen und Rumpfbeugen schafften als ihre cis Mitsoldatinnen, glich sich die Leistung nach zwei Jahren Hormontherapie an und es waren praktisch keine Leistungsunterschiede mehr festzustellen.

Sie waren lediglich zwölf Prozent schneller – ein Aspekt, der im Gewichtheben kaum einen Vorteil darstellen dürfte.

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Damit entbehrt das Argument, trans Frauen hätten per se einen Vorteil, jeder wissenschaftlichen Grundlage. Vielmehr zeigt sich anhand solcher Behauptungen, wie die öffentliche Debatte zu Lasten von marginalisierten Personen geführt wird. Ähnlich ergeht es nämlich der inter* Athletin Caster Semenya.

Im Leistungssport kein Massenphänomen

Besonders perfide erscheint es, dass häufig mit dem Schutz von Frauen argumentiert wird – so als würden trans Frauen nicht zur Kategorie Frau zählen. Erst im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass der World Rugbyverband plant, trans Frauen zukünftig aufgrund von „Sicherheitsbedenken“ aus Frauenteams auszuschließen. Dabei sind es trans Frauen, die besonders vulnerabel und auf Schutz vor Diskriminierung angewiesen sind.

Ähnliche Argumentationsmuster finden sich in Bezug auf Hubbard, zum Beispiel von Seiten der Gruppe „Save Women’s Sport Australia“. Die prognostizierte einem Bericht der Sportschau zufolge, dass trans Frauen zukünftig den Frauensport dominieren würden.

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Diese Behauptung erscheint angesichts der Tatsache, dass Hubbard die erste geoutete trans Person bei Olympia ist, mehr als absurd. Die öffentliche Panik steht in keinerlei Verhältnis zu den Betroffenen, deren Situation es zu betrachten gilt.

Zeit für eine Fokusverschiebung

Was in der Diskussion nämlich untergeht, ist die Frage danach, wie es Hubbard dabei geht. Das Thema wird so verhandelt als gäbe es zwei gleichrangige Seiten, als ginge es nicht erster Linie darum, die Identität einer Person zu schützen.

Seit Hubbard 2017 die Silbermedaille bei der WM gewonnen hat und im Anschluss massiv angefeindet wurde, gibt sie kaum noch Interviews. Sie hat sich aus der Öffentlichkeit regelrecht zurückgezogen. In einem der seltenen Interviews sagte Hubbard: „Ich bin nicht hier, um die Welt zu ändern. Ich möchte einfach nur ich sein.“ Diese Aussage sollte Ausgangspunkt für eine Fokusverschiebung sein.

Wenn auf mögliche körperliche Vorteile von Hubbard geschaut wird, dann müssten ebenso mentale Nachteile als Folge der Diskriminierung diskutiert werden. Das Fairness-Argument funktioniert aber nur in eine Richtung und entlarvt sich damit selbst.

Dabei sind nicht Personen wie Hubbard, die von vorherrschenden Geschlechtervorstellungen abweichen, das Problem, sondern ein rückständiges System, das versucht, Genderstereotype aufrechtzuerhalten. Diese Einsicht täte nicht nur den Olympischen Spielen gut.

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