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Jürgen Klinsmann verabschiedete sich via Facebook.

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Update

Alleingang von Jürgen Klinsmann: Hertha BSC wusste nichts vom Rücktritt

Auf Facebook verkündet Jürgen Klinsmann seinen Rückzug als Trainer von Hertha BSC – und überrascht damit selbst seine Chefs.

Jürgen Klinsmann hat völlig überraschend als Trainer von Hertha BSC aufgegeben. „Ich bin nach langer Überlegung zum Schluss gekommen, mein Amt als Cheftrainer der Hertha zur Verfügung zu stellen“, schrieb er am Dienstagmorgen auf Facebook. Zuvor hat er sich von der Mannschaft des Berliner Fußball-Bundesligisten verabschiedet.

Wie Mittelfeldspieler Marko Grujic berichtet, habe Klinsmann die Spieler vor dem Training in den Medienraum gebeten. Sie dachten, dass sie eine Analyse des Bundesliga-Spiels gegen Mainz 05 erwartet. Stattdessen teilte ihnen Klinsmann seinen Entschluss mit. Konkrete Gründe habe er nicht genannt. „Er hat gesagt, dass er diese Entscheidung treffen musste“, meinte Grujic.

Jürgen Klinsmann tritt zurück: Nouri und Feldhoff übernehmen

Die Entscheidung war ganz offensichtlich ein Alleingang von Klinsmann. Die Führungsgremien zeigten sich am Dienstagmittag noch geschockt. „Wir sind von dieser Entwicklung überrascht worden“, ließ Manager Preetz in einer Mitteilung verlauten. „Insbesondere nach der vertrauensvollen Zusammenarbeit hinsichtlich der Personalentscheidungen in der für Hertha BSC intensiven Wintertransferperiode gab es dafür keinerlei Anzeichen.“ Investor Lars Windhorst sagte der „Bild“-Zeitung, er „habe gestern von der Entscheidung erfahren“.

Das wirft natürlich die Frage auf, wie es nun weitergeht. Zunächst werden die bisherigen Co-Trainer Alexander Nouri und Markus Feldhoff den Job von Klinsmann übernehmen. Auch sie scheinen vom Rücktritt zuvor nichts gewusst zu haben. „Über die weiteren Entwicklungen werden wir zu gegebener Zeit informieren“, sagt Preetz.

Im Normalfall entscheiden Klubführung und Trainer gemeinsam, wie eine Trennung kommuniziert werden soll. Doch bei Hertha war zuletzt nicht viel normal. Dass Manager und Präsident der Berliner jetzt von ihrem Coach überrascht wurden, offenbart einmal mehr die Probleme, die es wohl seit einiger Zeit intern gab.

Jürgen Klinsmann erklärt sich auf Facebook

Das deutete Klinsmann auch in seinem Post mehr direkt als indirekt an: „Als Cheftrainer benötige ich für diese Aufgabe, die noch nicht erledigt ist, auch das Vertrauen der handelnden Personen.“ Viele sahen den Klub schon länger in zwei Lager gespalten: hier die alte Hertha um die Achse aus Manager Michael Preetz und Präsident Werner Gegenbauer, die Bewahrer; da die Achse um Klinsmann und Windhorst, die Erneuerer.

Dem Vernehmen war Klinsmanns Vertragssituation Auslöser des Rücktritts. So soll der 55-Jährige wohl durchaus an einer Weiterbeschäftigung über den Sommer hinaus interessiert gewesen sein, allerdings wollte er seine Kompetenzen deutlich ausbauen - und als Technischer Direktor neben Preetz agieren. Der Klub wollte zunächst jedoch abwarten, wie sich die Mannschaft weiterentwickelt und die Verhandlungen erst Ende März fortführen - offenbar zu spät für den Coach.

Die Bilanz von Klinsmann als Hertha-Trainer

  • Zehn Spiele in elf Wochen
  • Drei Siege, drei Remis, vier Niederlagen
  • 1,2 Punkte pro Spiel (Covic: 0,9)

Hertha hatte auch auf Bestreben von Jürgen Klinsmann in der Winterpause so viel Geld für neue Spieler ausgegeben wie kein anderer Verein. In der Tabelle der Bundesliga ging es trotzdem nicht weiter nach oben. Zuletzt hatte Hertha am Samstag nach schwacher Leistung 1:3 zu Hause gegen Mainz verloren - und steckt wieder im Abstiegskampf.

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„Gerade im Abstiegskampf sind Einheit, Zusammenhalt und Konzentration auf das Wesentliche die wichtigsten Elemente“, schreibt Klinsmann. „Sind die nicht garantiert, kann ich mein Potenzial als Trainer nicht ausschöpfen und kann meiner Verantwortung somit auch nicht gerecht werden.“

Die Trainerstationen von Jürgen Klinsmann

  • 2004-2006: Deutsche Nationalmannschaft
  • 2008-2009: FC Bayern München
  • 2011-2016: US-amerikanische Nationalmannschaft
  • 2019-2020: Hertha BSC

Ursprünglich war der Weltmeister von 1990 nur als Aufseher bei Hertha vorgesehen. Investor Lars Windhorst, dem vier Plätze im Aufsichtsrat der Profiabteilung zustehen, hatte Klinsmann dort eingesetzt, um die sportliche Kompetenz auf dieser Ebene zu erhöhen. Nun will sich Klinsmann wieder auf diesen Posten beschränken, also auf seine „langfristig angelegte Aufgabe als Aufsichtsratsmitglied zurückzuziehen“, wie er schreibt. Am Montagabend hatte sich Klinsmann noch in einem Facebook-Talk den Fragen der Fans gestellt. Dort deutete sich nichts von seinem Rückzug an.

Klinsmann hat den Job als Hertha-Trainer Ende November übernommen, nachdem Ante Covic rausgeworfen worden war. Jetzt ist nach nicht einmal 80 Tagen im Amt Schluss – selbst Otto Rehhagel hielt seinerzeit länger bei Hertha durch. Er hatte den Klub 2012 vor dem Abstieg bewahren wollen, was ihm aber nicht gelang.

Dass Hertha es diesmal schafft, in der Liga zu bleiben, davon ist auch jetzt scheidende Coach weiterhin überzeugt. „Ich bin fest davon überzeugt, dass die Hertha das Ziel - den Klassenverbleib - schaffen wird.“ Jürgen Klinsmann unterstreicht diesen Satz mit seinen Abschiedsworten im Facebook-Eintrag. Er endet mit: „HaHoHe. Euer Jürgen.“

Die vier letzten Trainer von Hertha BSC

  • Juli 2012- Februar 2015: Jos Luhukay
  • Februar 2015 - Mai 2019: Pal Dardai
  • Juli 2019 - November 2019: Ante Covic
  • November 2019 - Februar 2020: Jürgen Klinsmann

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