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Er kann kräftig dazuverdienen. Justin Thomas hat in Atlanta die besten Chancen auf die Siegprämie von 15 Millionen US-Dollar.

© AFP

Tourfinale im US-Golf: Das Millionenspiel

Bei der Tour Championship gibt es ein Rekordpreisgeld zu gewinnen. Der dafür erdachte Modus soll Spannung erzeugen, ist aber nur künstlich aufgeblasen.

Das Handicap im Golf ist eine feine Sache. Spieler unterschiedlicher Leistungsniveaus können zusammen eine Runde auf dem Platz absolvieren und trotzdem hat jeder die gleiche Siegchance. So funktioniert das zumindest im Club hinter der nächsten Autobahnausfahrt oder bei Amateurwettkämpfen. Bei den Profis gibt es hingegen keine Turniere mit Handicap, schließlich spielen theoretisch alle auf dem gleichen Level. Zumindest war das bisher so. Ab Donnerstag (ab 19 Uhr bis Sonntag täglich live bei Sky) wird das im East Lake Golf Club in Atlanta anders sein. Dort findet das Finale der US PGA Tour statt, 30 Spieler haben sich dafür mit ihren Ergebnissen über die gesamte Saison hinweg qualifiziert. Unfassbare 15 Millionen US-Dollar Preisgeld warten auf den Sieger der Jahresendwertung. Zum Vergleich: Die Gewinner der vier Major-Turniere 2019 kassierten zusammen rund acht Millionen US-Dollar.

Die besten Chancen auf den Sieg hat Justin Thomas – und das hängt wiederum mit dem Handicap zusammen, wenn das auf der US-Profi-Tour auch anders interpretiert wird. Der US-Amerikaner startet in Atlanta als Führender der Tour-Wertung und bekommt deshalb einen Vorsprung mit auf den Weg. Thomas geht mit zehn unter Par auf die erste Runde, sein härtester Verfolger, Landsmann Patrick Cantlay, beginnt mit acht unter Par und der Weltranglistenerste Brooks Koepka (ebenfalls USA) folgt dahinter mit sieben unter Par. Die Spieler auf den Plätzen 26 bis 30 haben zu Beginn sogar zehn Schläge Rückstand und damit praktisch keine Siegchance mehr. Und das ist der große Unterschied zur normalen Stammvorgabe, die ja eigentlich für Chancengleichheit sorgen soll. „Ich kann mit tausendprozentiger Sicherheit sagen, dass ich noch nie mit einer Führung am Mittwoch ins Bett gegangen bin“, scherzte Thomas deshalb auch im Hinblick auf das Tourfinale in dieser Woche.

Der 26-Jährige hat die Jahreswertung in den USA 2017 schon einmal gewonnen, damals galten allerdings noch andere Regeln. Es wurde mittels einer für die Zuschauer nicht ohne Weiteres nachvollziehbaren Punktwertung der Gesamtsieger ermittelt, der Gewinner des Tourfinales musste nicht automatisch auch der Saisonchampion sein. Das ist in diesem Jahr dank der Handicapregelung anders – und dürfte die Zuschauer freuen. Sie wissen nun automatisch, dass derjenige der am Ende auf dem Leaderboard ganz oben steht, auch der Einzige ist, dem sie für den Sieg applaudieren. Allerdings muss das nicht der beste Spieler in der Woche gewesen sein, dank Handicap reicht es, das beste Ergebnis vorweisen zu können. 

Letztlich geht es vor allem um das Geld, Ruhm und Ehre gibt es im Golf anderswo zu gewinnen

Auch bei den Profis findet die neue Regelung Zustimmung. „Es macht es für uns einfacher, weil wir wissen, wo wir stehen“, sagte beispielsweise Rory McIlroy. Der Nordire geht als bester Nichtamerikaner von Platz fünf aus ins Rennen. Tiger Woods meinte: „Wir versuchen, das System zu perfektionieren.“ Der US-Superstar wird in Atlanta allerdings nicht dabei sein, er konnte sich nicht für das Saisonfinale qualifizieren. Noch im Vorjahr hatte Woods das Turnier gewonnen, damals reichte das aber nicht, um gleichzeitig auch den Siegercheck für den Gesamterfolg zu kassieren. Den holte 2018 der englische Olympiasieger Justin Rose, der Bonus von zehn Millionen US-Dollar war seinerzeit schon üppig. Nun winkt dem letzten Champion der Saison der größte Zahltag in der Golfgeschichte.

Dass die Spieler das neue Format begrüßen, ist angesichts der unglaublichen Verdienstmöglichkeiten auch nicht weiter überraschend. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen. Wenn es um derart viel Geld geht, muss so ein Turnier für möglichst alle Zuschauer verständlich ablaufen. Dass es dafür eine Zählweise braucht, die zwar einfacher, aber dafür komplett neu daherkommt, gefällt nicht jedem. Und das fängt schon mit den so genannten Play-off-Events an. Zwei gab es in den vergangenen Wochen, um das Feld der besten 30 Golfer final zu ermitteln. Die Turniere sind einzig und allein deswegen wichtig, die Sieger erlangen damit kein großes Prestige, dafür aber viele Punkte für die Saisonwertung. Dass es mehr als dreimal so viele sind wie bei einem Major führt dann auch dazu, dass die vier an sich wichtigsten Turniere der Saison praktisch keine Rolle für das Tourfinale spielen.

Neben Tiger Woods fehlt deswegen auch der British-Open-Champion Shane Lowry aus Irland. Ein Turnier der Besten ohne zwei der Topspieler des Jahres – das allein zeigt schon, wie künstlich aufgeblasen die Veranstaltung ist. Dass trotzdem alle Profis gern zum erlesenen Feld der Top 30 gehört hätten, die um das gewaltige Preisgeld von insgesamt 60 Millionen US-Dollar spielen, macht das Saisonfinale deswegen sportlich nicht wertvoller. Letztlich geht es vor allem um das Geld, Ruhm und Ehre gibt es im Golf anderswo zu gewinnen. Und das ist das wahre Handicap der Tour Championship in dieser Woche von Atlanta.

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