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Torwart-Patzer im Champions-League-Finale: Liverpool darf Loris Karius jetzt nicht allein lassen

Loris Karius hat im Finale von Kiew einen ganz fürchterlichen Abend erlebt. Doch der junge Torhüter sollte sich davon nicht entmutigen lassen. Ein Kommentar.

Selten passte das Bild des am Boden Zerstörten so gut. Da lag Loris Karius, den Kopf nach unten, das Gesicht im Grün vergraben. Als er aufstand, zog er sich das Trikot über den Kopf, um die Tränen zu verbergen. Nichts sehen und nicht gesehen werden – am liebsten verschwinden. Der 24-Jährige hatte einen fürchterlichen Abend erlebt, einen, wie er für einen Torwart kaum schlimmer vorstellbar ist. Zwei Blackouts – ein schlampiger Abwurf und ein Flatterball – sind das, was von seinem Finale mit Liverpool gegen Real Madrid hängen bleibt. Solche Patzer können Spiele entscheiden. Am Samstag war das so.

Auf Karius kommen nun an der Anfield Road schwere Zeiten zu.

Wobei. Er hatte es ja nie leicht gehabt. Als Karius 2016 als großes Torwarttalent für sechs Millionen Euro von Mainz transferierte, hatte er sich erstmal die Hand gebrochen. Dann stand er im Kasten, machte Fehler. Landete auf der Bank – und kämpfte sich, zwischen Patzern und Paraden, doch wieder zurück. Die Premiere League hat ihn als Person reifen lassen. Aber was zählt das schon noch nach solch einer Blamage?

Der ehemalige Nationaltorwart und jetzige ZDF-Experte Oliver Kahn sagte sichtlich schockiert: Er könne sich nicht erinnern, dass er aus Torwartsicht je etwas Brutaleres gesehen hätte. Das könnte die Karriere eines Keepers zerstören, sagte er. Kahns Gedächtnis ließ ihn wohl im Stich – oder vielleicht war es auch Verdrängung aus Selbstschutz. Er hatte ja selbst 2002 im WM-Finale gegen Brasilien gehörig danebengelangt – und dann nach Abpfiff einsam mit glasigem Blick am Pfosten gehockt.

Karius steht erst am Anfang

Aber Kahn war da eben schon 33 und am Ende seiner Karriere. Loris Karius steht erst am Anfang. Solche Tage gehörten zum Leben eines Torhüters, sagte er selbst geknickt. Karius wird hoffentlich nicht daran zerbrechen: weder an den Schuldgefühlen gegenüber Mitstreitern, noch an den unschönen bis geschmacklos vernichtenden Kommentaren, die ihm jetzt aus allerlei Richtungen entgegenschlagen. Oder einer Neuverpflichtung wie Alisson Becker vom AS Rom, die dem Torwart möglicherweise vor die Nase gesetzt wird.

Es wird darauf ankommen, dass Liverpool seinen jungen Torhüter jetzt nicht allein lässt. Die Fans der „Reds“ bewiesen am Samstag schon ein gutes Gespür: Sie applaudierten ihm, als er mit Tränen in den Augen und den Armen, wie flehend zur Verzeihung erhoben, in die Kurve schlich. Wie singen sie an der Anfield Road immer so schön? You'll never walk alone. Auch Loris Karius sollte an dieser Niederlage, selbst wenn er sie als persönliche empfindet, nicht allein leiden – dann kann er schließlich daran wachsen.

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