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Klassiker: Carsten Lichtlein bejubelt einen parierten Wurf.

© Ina Fassbender/dpa

Torhüter, Teamplayer, Titelsammler: Carsten Lichtlein wird der neue Rekordspieler

Der Torhüter kann am Donnerstag den 20 Jahre alten Rekord für die meisten Spiele in der Handball-Bundesliga brechen – und denkt noch lange nicht ans Aufhören.

Früher hat Carsten Lichtleins Wecker regelmäßig mitten in der Nacht geklingelt. Freunden des US-Sports ist dieses Phänomen geläufig: Live-Übertragungen aus den Vereinigten Staaten harmonieren einfach nicht mit der inneren Uhr eines Mitteleuropäers – erst recht nicht, wenn er Leistungssportler ist.

Carsten Lichtlein hat das allerdings nie davon abgehalten, seinen Regenerationsschlaf zu unterbrechen, um live am Laptop mitzufiebern. Selbst bei Welt- und Europameisterschaften hing der Torhüter zu später Stunde vor dem Monitor, hat Oliver Roggisch, sein langjähriger Zimmergenosse im Nationalteam, einmal erzählt. „Vor allem beim Eishockey war er mit Haut und Haaren dabei“, berichtete Roggisch.

„Die Zeiten sind längst vorbei“, sagt Lichtlein darauf angesprochen und lacht, „die Prioritäten haben sich einfach verschoben.“ Mittlerweile ist der 38-Jährige Vater zweier Söhne, „da kann ich mir die Nacht nicht mehr mit NHL um die Ohren hauen.“ Eine große Vorliebe hat sich Lichtlein jedoch bewahrt: Auch im fortgeschrittenen Sportleralter steht er noch leidenschaftlich gern im Handballtor und zeigt Verrenkungen, die bei Normalbürgern zu Bandscheibenvorfällen oder Schlimmerem führen würden.

Wenn sein aktueller Arbeitgeber, der HC Erlangen, am Donnerstagabend zum Punktspiel bei der MT Melsungen antritt (19 Uhr, live bei Sky), kann Lichtlein nun den 20 Jahre alten Rekord für die meisten Bundesliga-Einsätze brechen: Für den Würzburger, der bereits die Bestmarke für die meisten parierten Siebenmeter hält, wäre es das 619. Bundesliga-Spiel; der alte Rekord von Flensburgs Torhüterlegende Jan Holpert liegt bei 618 Einsätzen.

Am Dienstag, zwei Tage vor dem vermeintlich neuen Rekord, ist den Statistikern beim Liga-Dachverband HBL dann aufgefallen, dass Holpert 625 Spiele bestritten haben soll. Hintergrund: Sobald ein Spieler auf dem Spielberichtsbogen steht, wird das als Einsatz gewertet. Ob er tatsächlich gespielt hat, ist dabei nicht entscheidend. Bei Holpert wurden dadurch offenbar sieben Begegnungen unterschlagen. Das Fachmagazin „Handballwoche“ stützt sich dagegen weiter auf die bisherige Zählweise, nach der Lichtlein an diesem Donnerstag zum neuen Rekordhalter aufsteigen würde.

Das Musterbeispiel eines Teamplayers

Mit welcher Variante man es nun auch hält – Lichtlein wird Holpert früher oder später ohnehin ablösen. Dabei sind dem 2,02 Meter großen Torhüter persönliche Rekorde überhaupt nicht wichtig. Lichtlein gilt als Musterbeispiel eines Teamplayers: zurückhaltend, ruhig und doch meinungs- wie ausdrucksstark abseits des Feldes, emotional und mit all seiner Erfahrung hilfreich für die jungen Kollegen auf dem Feld.

Diese positive Attitüde hat ihn im Grunde über seine komplette Karriere begleitet. Als Mitglied der Nationalmannschaft wäre Lichtlein im Traum nicht auf die Idee gekommen, öffentlich Kritik daran zu äußern, dass er angesichts hochklassiger Konkurrenten wie Henning Fritz, Johannes Bitter oder Andreas Wolff meistens eher die Nummer zwei respektive drei war als die klare Nummer eins, die es im Handball bekanntlich nur selten gibt. Dafür wusste jeder Bundestrainer von Heiner Brand bis Dagur Sigurdsson: den Lichtlein kann man immer nominieren, weil er nicht nur ein Torhüter von außergewöhnlichem Format, sondern auch stets sehr förderlich für das teaminterne Klima ist.

Welt- und Europameister – aber zuletzt mit Pech

Schließlich kann es kein Zufall sein, dass Lichtlein bei allen großen Erfolgen der Nationalmannschaft seit der Jahrtausendwende seine Hände und Beine im Spiel hatte: 2007 gehörte er zur Weltmeistermannschaft, die im eigenen Land zum zweiten Mal nach 1978 den Titel holte. 2004 gewann er zudem den Europameistertitel – genau wie zwölf Jahre später als Alterspräsident bei der EM in Polen.

Mit seinen Vereinen hatte Lichtlein zuletzt allerdings weniger Glück: Sowohl mit dem TV Großwallstadt als auch mit dem VfL Gummersbach, zwei der großen Handball-Traditionsklubs des Landes, stieg er aus der Bundesliga ab. „Das war wirklich traurig und tut mir im Herzen weh“, sagt Lichtlein, „aber so ist es im Sport: Siege und Niederlagen gehören dazu.“

Seit Sommer ist Lichtlein seiner Heimat nun wieder ein Stück näher, von Erlangen bis nach Würzburg sind es nur 80 Kilometer. „Für mich und meine Familie ist das überragend. Die Großeltern sind um die Ecke, wir sehen uns wieder häufiger“, sagt Lichtlein. „Das sind ideale Bedingungen“, ergänzt er, „denn ans Aufhören denke ich noch lange nicht.“

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