zum Hauptinhalt
Toni Kroos verlässt die deutsche Nationalmannschaft.

© imago images/Uwe Kraft

Update

Toni Kroos tritt aus der Nationalelf zurück: Der Taktgeber einer Ära geht

Nach 106 Länderspielen beendet Toni Kroos seine Nationalmannschaftskarriere. Die Entscheidung des Weltmeisters von 2014 fiel bereits lange vor der EM.

Toni Kroos steht nicht im Verdacht, sich selbst zu überhöhen, und das war schon früher so. Im Alter von 15 Jahren galt der Greifswalder bereits als größtes Versprechen des deutschen Fußballs. So etwas kann etwas machen mit einem Jugendlichen, doch Kroos blieb auf dem Boden. „Ich spiele gerne Fußball, mehr nicht. Ich bin nichts Besonderes“, sagte das B-Jugend-Talent von Hansa Rostock damals mit seiner trockenen norddeutschen Art.

16 Jahre später ist längst klar, dass Kroos etwas ganz Besonderes ist. Mit Bayern München und Real Madrid hat er vier Mal die Champions League gewonnen sowie fünf nationale Meisterschaften, er wurde 2014 in Brasilien Weltmeister und war 2018 Deutschlands Fußballer des Jahres. Mit seinem Verein werden vielleicht noch ein paar Titel hinzukommen, mit der Nationalmannschaft nicht. Am Freitag verkündete Toni Kroos seinen Rücktritt aus dem DFB-Team.

„106-mal habe ich für Deutschland gespielt. Ein weiteres Mal wird es nicht geben“, schrieb der 31-Jährige auf Instagram. „Ich hätte mir sehnlichst gewünscht, dass noch dieser eine große Titel, der EM-Titel, zum Schluss dazugekommen wäre.

Hansi Flick wusste Bescheid

Das Achtelfinal-Aus gegen England am Dienstag habe mit seiner Entscheidung jedoch nichts zu tun, diese sei bereits vor der EM gefallen und „unwiderruflich“, erklärte er in seinem Podcast „Einfach mal luppen“. Schon nach der WM 2018 habe er darüber nachgedacht, seine Nationalmannschaftskarriere zu beenden, doch seine Frau und sein ältester Sohn hätten sich dagegen ausgesprochen. Doch nun sei endgültig Schluss. Dass er nicht zur Verfügung stehe für die WM in Katar, die er kürzlich scharf kritisiert hatte, sei schon lange klar – und das habe er dem neuen Bundestrainer Hansi Flick bereits mitgeteilt.

„Es gibt in erster Linie zwei ganz klare Gründe“, sagte Kroos. „Das ist eine Entscheidung für die Familie, aber auch für mich, weil es mir guttut, mehr bei der Familie zu sein. Ich will auch als Ehemann und Papa da sein und werde gebraucht.“ Die Zeit in der Nationalmannschaft habe ihm viel gegeben und ihm ermöglicht, den größten Titel im Weltfußball zu gewinnen, er habe aber auch sehr darunter gelitten, bei den großen Turnieren wochenlang von seiner Frau und den mittlerweile drei Kindern getrennt zu sein. Zudem spüre er nach 14 Jahren im Profifußball die ersten Verschleißerscheinungen. Um in Madrid weiter auf Topniveau spielen zu können, könne er die Länderspielpausen gut gebrauchen.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen und Ereignisse rund um die Europameisterschaft live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Mit Kroos verliert die Nationalmannschaft einen der prägenden Fußballer der vergangenen zehn Jahre. Bei der WM 2010 und der folgenden EM kam er größtenteils als Einwechselspieler zum Einsatz, seit 2014 hat er jedoch keine Minute mehr bei einem großen Turnier verpasst. Insgesamt bestritt er 28 Spiele bei Welt- und Europameisterschaften und schoss dabei drei Tore – in Erinnerung bleiben wird vor allem auch sein Doppelpack innerhalb von 69 Sekunden beim legendären 7:1-Sieg gegen Brasilien im WM-Halbfinale 2014.

Kroos geht als Führungsspieler

Tore sind aber nur eine Zugabe, Kroos’ größte Qualitäten kommen meist im Zentrum des Spiels zur Geltung. Bei Joachim Löw war er stets gesetzt als Taktgeber und Führungsspieler. Mit dem nun ebenfalls scheidenden Bundestrainer verbindet ihn eine besondere Vertrauensbeziehung. „Er hat mich zum Nationalspieler und Weltmeister gemacht. Er hat mir vertraut. Wir haben lange eine Erfolgsgeschichte geschrieben“, so Kroos. Löw bezeichnete ihn als „ein Vorbild an Professionalität“ mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, „gerade auch dann, wenn es schwierig ist und du auf dem Platz Kontrolle brauchst“.

Die hat Kroos wie kaum ein Zweiter im Weltfußball. Er gehört zu der seltenen Art von Spielern, die das Geschehen schon viele Schritte im Voraus erkennen, Situationen antizipieren und ihren Mannschaften dadurch Vorteile verschaffen. In einigen Jahren wird er vermutlich in einer Reihe genannt werden mit Spielern wie Xavi Hernández und Andrea Pirlo, die ihre erfolgreichen Nationalmannschaften mit ähnlicher Ruhe und Übersicht über viele Jahre dirigierten. Wie die beiden Weltmeister von 2006 und 2010 ist auch Kroos mit den Beinen nicht sonderlich schnell, im Kopf dafür umso schneller.

Dennoch ist Kroos bei gewissen Teilen der Öffentlichkeit nicht unumstritten. Kritik und Bezeichnungen wie „Querpass-Toni“ kontert er allerdings meist norddeutsch-trocken und schlagfertig. Diese Art wird der Nationalmannschaft ebenfalls fehlen, vor allem aber ein ganz besonderer Fußballer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false