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Leicht war einmal. Auch Dortmunds Kapitän Marco Reus muss sich steigern.

© Ronny Hartmann/AFP

Titelkampf mit dem FC Bayern: Borussia Dortmund ist auf der Suche nach der DNA

Borussia Dortmund ist im Kampf um die Meisterschaft mehr denn je gefordert – trotzdem stellt der BVB nebenbei bereits die Weichen für die Zukunft.

Irgendwie ist es schon kurios, dass dem Betrachter im schnelllebigen Fußballgeschäft immer wieder Personen begegnen, deren Wirken auf eine Begebenheit reduziert wird. Bei Michael Skibbe ist das die Sache mit Thomas Häßler, die mittlerweile 20 Jahre her ist. Skibbe hatte als junger Trainer die mit Stars gespickte Profitruppe von Borussia Dortmund übernommen, in der sich vor allem die Zusammenarbeit mit Häßler schwierig gestaltete.

Irgendwann rutschte dem Novizen ein verhängnisvoller Satz raus, er bezeichnete den verdienten Nationalspieler im Herbst seiner Karriere als „Talent“. Der Aufschrei erschütterte die gesamte Republik, intellektuelle Tiefe kam später in den Exkurs, als Häßlers Gattin Angela, die ihren Mann als Managerin vertrat, keifte: „Was der Herr Skibbe denkt, interessiert uns einen Scheißdreck.“

Wenig später wurde Skibbe gefeuert, später reüssierte er als Trainer in Frankfurt, Leverkusen und bei Hertha BSC, führte die DFB-Elf 2002 mit Rudi Völler bis ins WM-Finale, übernahm drei Klubs in der Türkei und einen in der Schweiz, zuletzt sammelte er als Nationaltrainer in Griechenland Meriten. Eine veritable Karriere, doch geblieben ist vor allem dieses Bonmot mit dem Talent.

Nun, mit 53, kehrt der gebürtige Gelsenkirchener Skibbe zu seinen Wurzeln zurück. Und zwar – da schließt sich der Kreis –, um Talenten den Sprung zu den Profis zu ermöglichen. Unterstützt wird er von Otto Addo, dessen Karriere ebenfalls auf eine Sequenz verdichtet wird. Auf jene, als der gebürtige Hamburger in der Uefa-Pokal-Begegnung bei Austria Wien mit gerissenem Kreuzband ein Tor für den BVB erzielte und sich danach auswechseln ließ. Seitdem ist er im Revier ein Held.

Ricken und Kehl sind die Vorbilder beim BVB

Die Dortmunder umgeben sich also mit jeder Menge Know-how von Fachleuten, die eine veritable Vergangenheit mit dem Klub vorweisen können. Begonnen haben sie damit, als Sebastian Kehl als Leiter der Lizenzspieler-Abteilung und Matthias Sammer als externer Berater eingekauft wurden. Fußballer sprechen gern von einer Klub-DNA, die man sich zunutze machen müsse.

Mit den Personalien Skibbe und Addo positioniere sich der BVB „nachhaltig und strategisch für die Zukunft, um unsere jungen Spieler bestmöglich auszubilden“, betont Nachwuchs-Koordinator Lars Ricken – übrigens auch so einer, dessen Vita sich auf einen unvergleichlichen Moment zuspitzen lässt.

Aus früheren Tagen. BVB-Trainer Michael Skibbe (r.) und der damalige Neuzugang Otto Addo.
Aus früheren Tagen. BVB-Trainer Michael Skibbe (r.) und der damalige Neuzugang Otto Addo.

© Imago/Brenneken

Das börsenorientierte Fußballunternehmen aus dem Ruhrgebiet schraubt also kräftig an dem, was kommen wird, dabei gibt es doch genügend Gründe, sich mit allen Sinnen im Hier und Jetzt zu bewegen. Schließlich agiert die Borussia auf der Zielgeraden dieser Saison weiterhin auf Augenhöhe mit Bayern München. Die neunte Meisterschaft der Vereinsgeschichte ist möglich. Da heißt es, alle Sinne zu schärfen, die fünf verbleibenden Partien möglichst zu gewinnen und auf Ausrutscher des Rivalen zu lauern.

Doch die große Euphorie will sich bei diesem Vorhaben nicht entfalten. Vielmehr herrscht im Revier nach dem 0:5-Debakel in München und dem erzitterten 2:1 gegen Mainz eine Melange aus Skepsis und Nachdenklichkeit. Die Sturm-und-Drang-Phase, mit der die junge Dortmunder Mannschaft im vergangenen Herbst durch die Liga wirbelte, ist längst vorbei. Der mitreißenden Lust am Spiel folgte in der Rückrunde die Malocher-Phase: Jeder Erfolg muss hart erarbeitet werden.

Borussia Dortmund ist in der Rolle des Jägers

Der Vorsprung auf die Bayern ist längst verspielt, mittlerweile befinden sich die Dortmunder in der Rolle des Jägers. Vor dem heutigen Gastspiel in Freiburg (15.30, live bei Sky) ist Trainer Lucien Favre vor allem als Motivator gefragt. Als Mann, der Leidenschaft weckt und seine Mannschaft auf den Endspurt einschwört. Keine leichte Aufgabe für den 61-Jährigen, der sich den Ruf erworben hat, ein Denker zu sein, der sich mit Zweifeln von Zeit zu Zeit selbst im Weg steht.

Vor der Abreise in den Breisgau nahm Favre seine Mannschaft in Schutz und verteidigte sie gegen die seiner Meinung nach übertriebene Kritik nach dem Heimsieg gegen Mainz. Dass in der zweiten Halbzeit alles schlecht gewesen sei, entspreche nicht der Wahrheit: „Wir hatten drei klare Torchancen.“ Die Wertung der Medien sei „übertrieben“, der Ist-Zustand nicht so bedenklich wie dargestellt. Die Intention ist klar: Mentale Aufbauhilfe für ein Team, dem die Leichtigkeit abhanden gekommen ist. Favres Ansinnen ist aller Ehren wert, aber unerschütterliche Zuversicht hört sich anders an.

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