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Ellen White gehörte bei der WM in Frankreich zu den auffälligsten Spielerinnen - nicht nur wegen ihres Jubels.

© John Walton/PA Wire/dpa

Testspiel gegen England in Wembley: Deutsche Fußballerinnen spielen vor 90.000 Fans

Die "Lionesses" haben das DFB-Team längst hinter sich gelassen. Das liegt vor allem an der Euphorie in England und den Investitionen der Premier-League-Klubs.

Von David Joram

Phil Neville klang wie ein Gewinner, dabei hatte sein Team verloren. „Der Zug fährt mit voller Kraft voraus, wir blicken einer superspannenden Zukunft entgegen“, sagte der Trainer der englischen Fußballerinnen Anfang Juli. Er saß in einem jener sterilen Presseräume des Weltverbands Fifa, wo gerne Phrasen über Siege und Niederlagen gedroschen werden. Bei Phil Neville war das nach dem hochklassigen wie bitteren 1:2 im WM-Halbfinale gegen die USA anders. Von Aufbruch und Optimismus sprach Neville und schaute dabei entschlossen drein, von den besten Monaten, die er je in seiner Karriere erlebt habe, erzählte er noch – und welch’ wundervolles Team er doch habe trainieren dürfen.

Es war mehr eine Hommage denn eine Pressekonferenz, die Neville damals abhielt, auf den Fußball bei dieser WM im Allgemeinen und die Entwicklung in England im Speziellen.

Der Rekord wird knapp verpasst

Auf der Insel sind sie mittlerweile sehr stolz auf ihre Fußballerinnen. Sie zu begleiten ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden wie der Nachmittagstee. Phil Neville ist Teil dieser Entwicklung, die an diesem Samstag, 18.30 Uhr (live bei Eurosport) einen vorläufigen Höhepunkt erfahren wird. 90.000 Fans werden dann in Wembley ihre Sitze einnehmen, um beim Freundschaftsspiel gegen die deutsche Auswahl dabei zu sein. „Dass wir auf so einem Niveau mit so einer Kulisse spielen dürfen, ist ein Geschenk. Das ist ein Geschenk für den Entwicklungsprozess jeder einzelnen Spielerin“, sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Die Kulisse ist in der Tat rekordverdächtig, aber noch kein Rekord für ein Fußballspiel zweier Frauenteams. Der liegt bei 90.185 und datiert aus dem Jahr 1999, als China und die USA in Los Angeles das WM-Finale austrugen. Trotzdem erfährt das Länderspiel zwischen Engländerinnen und Deutschen, für die es das letzte des Jahres ist, eine Bedeutung, wie sie hierzulande kaum vorstellbar scheint. Das hat Gründe.

Ein Vorgeschmack auf Samstag. Englands Nationaltrainer Phil Neville im Wembley-Stadion.
Ein Vorgeschmack auf Samstag. Englands Nationaltrainer Phil Neville im Wembley-Stadion.

© Ian West/PA Wire/dpa

Die Premier-League-Klubs der Männer investieren kräftig in ihre Frauenteams, die dann in der Women’s Super League gegeneinander spielen. Neben der erfolgreichen Weltmeisterschaft in Frankreich mit dem Einzug ins Halbfinale schürt vor allem die Heim-EM 2021 das Interesse an den Fußballerinnen. Der bekannte Trainer Phil Neville, der als Spieler zusammen mit Bruder Gary bei Manchester United spielte, trägt ebenfalls seinen Teil zum Hype bei. Und günstige Ticketpreise von teilweise einem Pfund oder eine familienfreundliche Anstoßzeit bilden einen erfrischenden Kontrast zur völlig überteuerten Premier League der Männer. „Ich denke, in England hat sich der Frauenfußball extrem weiterentwickelt“, sagte Dzsenifer Marozsán jüngst der „Sport Bild“. Daran „sollten wir uns in Deutschland ein Beispiel nehmen.“

BVB, Schalke und Hertha haben gar keine Frauen-Mannschaften

Der Deutsche Fußball-Bund mahnt Reformen an, doch große Klubs wie Borussia Dortmund, Schalke 04 und auch Hertha BSC verzichten noch auf eine Frauenmannschaft. Der BVB teilt mit, leider nicht jede Sportart sowohl bei Männern wie Frauen abbilden zu können. Man konzentriere sich auf die Bereiche, in denen man historisch verwurzelt sei. Die Dortmunder verweisen etwa auf ihre erfolgreiche Handball-Abteilung, die ein Frauen- aber eben kein Männerteam habe.

RB Leipzig könnte sich zwar ebenfalls zu einer Topadresse für Fußballerinnen entwickeln, gibt sich momentan aber mit der drittklassigen Regionalliga zufrieden, in der auch der 1. FC Union spielt. Von englischen Verhältnissen kann der DFB aktuell nur träumen.

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