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Kann hängen bleiben. Der Streit um die Regenbogenfahne bei Tennis Borussia ist beigelegt. Der Vorstand hat eingelenkt.

© Jörg Steinert

Tennis Borussia: Regenbogenfahne im Mommsenstadion darf bleiben

Ein Jahr haben Fans und Vorstand von Oberligist Tennis Borussia darüber gestritten, ob im Stadion eine Regenbogenfahne hängen darf. Jetzt hat die Führung eingelenkt.

Barbara Meyer-Schlüter war perfekt vorbereitet, als sie am Sonntag das Heimspiel des Fußball-Oberligisten Tennis Borussia gegen Altlüdersdorf im Mommsenstadion besucht hat. In der Pause musste sie nur noch das zu Hause aufgesetzte Schreiben aus der Tasche ziehen, ihre Unterschrift darunter setzen und es dem Leiter der Geschäftsstelle übergeben. Damit endete nach mehr als zehn Jahren ihre Mitgliedschaft bei Tennis Borussia und – logischerweise – auch ihre Tätigkeit als stellvertretende Fanbeauftragte des Vereins. „Ich weiß, dass es eigentlich doof ist, sich jetzt zurückzuziehen“, sagt die 53-Jährige. „Aber so kann man nicht miteinander umgehen.“

Die Erkenntnis hat sich nun offenbar auch in der Vereinsführung durchgesetzt. Nachdem bei TeBe ein Jahr lang um eine Regenbogenflagge gestritten wurde, hat der Vorstand nun – auch auf massiven öffentlichen Druck – eingelenkt. Die Fahne mit dem TeBe-Wappen darf künftig am offiziellen Mast im Mommsenstadion hängen. „Lasst uns die Wogen glätten“, hat Jens Redlich verfügt, der mit seinem Unternehmen Crunchfit nicht nur Hauptsponsor des Vereins ist, sondern seit ein paar Monaten auch Vorstandsvorsitzender. „Diese Entscheidung habe ich, Jens Redlich, allein getroffen.“

Die Mitgliederversammlung votierte mit deutlicher Mehrheit pro Fahne

Der Streit hat weit vor seiner Zeit begonnen. Er fing an, als der Klub von einem Crowdfunding-Projekt drei Fahnen für das Mommsenstadion geschenkt bekommen hat, eine davon in den Regenbogenfarben, die als Symbol gegen die Diskriminierung von Schwulen und Lesben gilt. Der Vorstand und die Geschäftsführung hatten Probleme, diese Fahne aufzuhängen, weil sie die Befürchtung hatten, sie könne nicht als Ausdruck gegen Diskriminierung, sondern als Propaganda für Homosexualität verstanden werde. „Es gibt mit Sicherheit Leute, die sich abschrecken lassen“, lautete die Argumentation.

Gerade deshalb haben die aktiven Fans immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich um ein Symbol für Vielfalt handle und nicht um eine Schwulenfahne. Bei der letzten Mitgliederversammlung wurde schließlich abgestimmt und mit 80-prozentiger Mehrheit beschlossen: Die Fahne soll hängen.

Vor zwei Wochen schritten die Fans zur Tat. Vor dem Spiel gegen Brieselang hissten sie die Fahnen. „Ein feierlicher Moment“, sagt ein Mitglied aus der Fanszene – und zugleich der Beginn der Eskalation. Die Vereinsführung wollte eine Wiederholung beim nächsten Heimspiel unbedingt verhindern und soll daher für das Spiel gegen Altlüdersdorf die Ordner ausgetauscht haben. „Was sind denn das für Leute?“, wurde Barbara Meyer-Schlüter gefragt. Sie hat auch gehört, dass TeBe-Fans von den Ordnern als „linkes Zeckenpack“ beschimpft worden sind.

Als die Stadiontore geöffnet wurden, hingen an den Masten vier andere Fahnen. Beim Einlaufen der Mannschaften wurden sie von den Fans eingeholt. Stattdessen zogen sie, unter anderem, die Regenbogenfahne mit dem TeBe-Wappen auf. Die Ordner schritten ein, kamen aber nicht an die Masten heran, weil die Anhänger einen Kreis darum gebildet hatten.

Es ging auch um die Frage: Wem gehört TeBe?

Im Streit um die Fahne berief sich die Vereinsführung unter anderem auf die Neutralitätspflicht, die der Deutsche Fußball-Bund und der Berliner Fußball-Verband (BFV) vorschreibe. Gerd Liesegang, Vizepräsident des BFV, widerspricht dem: „Wir als Verband stehen hinter der Fahne.“ Gerade in der heutigen Zeit müsse man ein Zeichen setzen. Den Streit halte er für unnötig, „ich versteh’ ihn nicht“, sagt Liesegang. TeBe sei im Kampf des deutschen Fußballs gegen Homophobie nicht nur Vorreiter gewesen, das Engagement habe den Klub auch insgesamt in ein positives Licht gerückt. „Sie haben uns erst für dieses Thema sensibilisiert“, sagt Liesegang.

Der Streit „könnte grotesker kaum sein“, hat die „Fußballwoche“ in dieser Woche geschrieben, doch das stimmt nur bedingt. Für die Fans ging es um mehr als eine Fahne. Es ging um nicht weniger als die Identität von Tennis Borussia. Um die Frage: Wem gehört der Klub?

Die Fans reklamieren durchaus Rechte am Eigentum, seitdem sie mit ihrem Engagement vor sieben Jahren erheblich dazu beigetragen haben, dass es Tennis Borussia überhaupt noch gibt. Seitdem reagieren sie mit großer Sensibilität darauf, wenn sich der Klub inder die Abhängigkeit von einem einzigen Geldgeber begibt. Denn genau das hat den Klub schon zweimal in die Insolvenz geführt.

Erst vor zwei Jahren hat der Klub daher die Zusammenarbeit mit einem potenziellen Investor nach nur vier Monaten wieder beendet. Der Berliner Hotelier Ingo Volckmann, dem der spanische Drittligist Atletico Baleares gehört, wollte bei TeBe einsteigen. Er hatte dem Klub einen hohen fünfstelligen Betrag zugesagt, knapp 10.000 Euro waren schon geflossen. Doch schnell wurde klar, dass Volckmann bei jeder Entscheidung des Vorstands gefragt werden wollte. TeBe kündigte den Vertrag und zahlte das schon erhaltene Geld zurück.

Wir sind ein Verein, der von den Fans getragen wird, nicht von einem Alleinunterhalter – so lautet das Credo von Tennis Borussia. Der Streit um die Regenbogenflagge galt den Fans von TeBe als Indiz, dass diese Vereinslinie wieder zur Disposition steht. In diesem Frühjahr drohte dem Klub erneut die Insolvenz. „Es ging um die Existenz von Tennis Borussia“, sagt Redlich, der zur Deckung des Defizits zusätzliches Geld gegeben hat, dafür den Posten als Vorstandschef für sich reklamierte. „Wir haben uns selbst in die Lage manövriert, erpressbar zu sein“, klagt Dennis Wingerter von der Abteilung Aktiver Fans. Redlich galt vielen Anhängern als treibende Kraft in dem Konflikt. Der Vorstandschef bestreitet das: Er habe den Streit nur geerbt.

Der Vorstandschef sagt, er habe die Brisanz unterschätzt

Redlich sagt, die Angelegenheit habe wegen der existenziellen Probleme des Klubs auf seiner Prioritätenliste nie ganz oben gestanden. Das hat sich erst in den vergangenen Tagen geändert, nachdem die Fans den Weg in die Öffentlichkeit gesucht hatten. „Wir haben lange versucht, das intern zu regeln“, sagt Wingerter, schließlich sei das ja auch peinlich für TeBe: Ein seinem eigenen Selbstverständnis nach toleranter Klub wird plötzlich als homophob wahrgenommen.

Vorstandschef Redlich gibt zu, dass er die Brisanz zu spät erkannt habe, außerdem habe es einige Kommunikationsschwierigkeiten gegeben. Am Mittwoch teilte er seinen Vorstandskollegen mit: „Hier verrennen wir uns.“ Der Beschluss, dass die Fahne nicht hängen dürfe, wurde offiziell zurückgenommen.

Jens Redlich sagt: „Die Regenbogenfahne ist ein Teil von Tennis Borussia und der aktiven Fankultur.“

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